8>ioA
53''ro- u -
ß 1,429,533
DIE
MUNDART VON IMST.
LAUT- UND FLEXIONSLEHRE.
VON
ns
D R - JOSEPH SCHATZ.
«MIT UNTERSTÜTZUNG DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WI8SEN8CHAITKN
IN WIEN. .
8TRASSBURO.
VERLAG VON KARL J. TRÜBNER.
1897.
Digitized by Google
■sr7
DIE
MUNDART VON IMST.
LAUT- UND FLEXIONSLEHRE
von
JOSEPH SCHATZ.
MIT UNTERSTÜTZUNG DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER
WISSENSCHAFTEN IN WIEN.
8TRA8SBURG.
VERLAG VON KARL J. TRÜBNER.
1897.
Digitized by Google
630.4
S5 '~rruL
<J. Otto’* Ilof-Buehdruekerei in Darmstadt.
Digitized by Google
C (C(- 10^^
HERRN
PROF". D K JOSEPH SEEMÜLLER
IN DANKBARKEIT
GEWIDMET.
Digitized by Google
Oie Mundart, deren Laut- und Flexionslehre die vor-
iegende Arbeit behandelt, ist die des Marktes luist im
Oberinntale Tirols. Aus der historischen Entwickelung der
Einzellaute ergibt sich, dass sie bodenständig und keine
Mischmundart ist. Die ansässigen Bewohner, gegen 2400,
sprechen sie einheitlich, es finden sich keine Unterschiede,
welche auf eine getrennte Entwicklung Schlüsse gestatteten.
Viele haben das Bewusstsein, dass die angeborne Mundart
tiefer stehe als die Städtische in Innsbruck herrschende, und
sie bemühen sich im Verkehr mit solchen, welche die
städtische Mundart oder die Schriftsprache gebrauchen, die
mundartlichen Eigenheiten möglichst abzustreifen ; die auf-
fallenden Unterschiede zwischen der Imster und Innsbrucker
Mundart werden dabei in der Regel richtig herausgefühlt.
Es sind hauptsächlich o für das Imster on (mhd. om), e für a
mhd. e vor l, r), in den Endsilben sonantisches »», m, v für »
(mhd. -en). Da auch fast alle Handwerker und Handelsleute
des Marktes Landwirtschaft betreiben, ist eine einheitliche
Verkehrssprache in Imst gewahrt und dem Eindringen frem-
der Bestandteile eine bedeutende Schranke gesetzt ; denn der
Bauer ist so in die Lage versetzt, seine Geschäfte im Markte
selbst abwickeln zu können und seine Mundart wird des-
halb nicht unmittelbar von einer fremden beeinflusst. Die-
jenigen Kreise aber, welche in engerem Verkehr mit Inns-
bruck stehen, können nicht so sehr fremdes Sprachgut
(abgesehen vom Wortschatz) in die Mundart bringen,
weil sie mit den Bauern nur in der angebornen Mundart
verkehren. Diese sind fremdem Einflüsse nur schwer zu-
gänglich.
Digitized by Google
VI
Die Imster Mundart wird ausserhalb des Marktes und
der zu ihm gehörenden Weiler Gunggelrün (geschrieben
Gungelgrün) und Brennbühel (Brennbichl) noch in Tarrenz,
eine halbe Stunde nordöstlich von Imst., in Karree, eine
Stunde, und Koppen, zwei Stunden südöstlich, gesprochen.
Die nächsten Ortschaften, Wald, Arzl, eine Stunde südlich,
Imsterberg, Mils südwestlich haben die Dehnung des », e,
o vor r in weiterm Umfange als Imst lautgesetzlich durch-
geflihrt. Nassreid zwei Stunden nordöstlich von Imst hat
r vielfach zur stimmhaften, bezw. stimmlosen Spirans ent-
wickelt; der musikalische Hochton ruht zum grössten Teil
auf den exspiratorisch schwaehtonigen Silben. Östlich da-
von und östlich von Koppen sind die n der Nebensilben
erhalten.
Dass unsere Mundart dem bairischen Dialektgebiete
angehört, ergibt sich ohne weiteres aus den Vokalen der
Stammsilben. Den Verlauf der West- und Nordgrenze des
Bairischen in Tirol habe ich in der Deutschen Litteratur-
zeitung 1895 Sp. 78 f. angegeben. Es ist die tirolische
Landesgrenze: Graubündten, Vorarlberg und das Allgäu
sprechen alemannisch. Nur der Weiler Lechleiten im obersten
Lechtal, der noch zu Tirol gehört, hat die alemannische
Mundart wie das eine Viertelstunde entfernte vorarl-
bergische Wart; das nächste tirolische Dorf Steg im Lech-
tal ist davon 14 km. entfernt. Die bairischen Grenzorte
gegen das Schwäbische sind Forchach, Rinnen, Nassreid;
schwäbisch sind Weissenbach, Berwang, Bieberwier.
Eine wissenschaftliche Arbeit über die Imster Mund-
art, ist nicht vorhanden. Vielfach wird das Sprachgebiet
des Oberinntals dem Alemannischen oder Schwäbischen zu-
geteilt. Vgl. Schöpf in Frommanns deutschen Mundarten
II S. 832 f., Thaler ebenda III S. 317, beide mit unklaren
Ansichten; Weinhold, bair. Gramm. S. 5 (alemannisch),
ebenso Behaghel in Pauls Grundriss I S. 539. I. V. Zingerle
nannte die Oberinntalcr und Vinstgauer „germanisierte Ro-
manen, welche den alemannischen Dialekt angenommen
haben . . siehe Tirol. Weisthümer 2, S. VIII f. V.Hintner
in Österreich-Ungarn in Wort und Bild, Abteilung Tirol
Digitized by Google
VII
und Vorarlberg 1893 S. 298 weist die ganze Mundart des
Oberinntals dem Schwäbischen zu. Den Unterschied zwischen
der Sprache des Oberinntals gegenüber dem Schwäbisch-
Alemannischen betonen richtig Staffier, Tirol und Vorarl-
berg, Innsbruck 1839 S. 105 ff. und Schneller, Zeitschrift
des Ferdinandeums, Innsbruck 1877 S. 70. Dem Bairischen
weisen sie zu II. Fischer, Geographie der schwäbischen
Mundart 1895; vgl. auch Karte 26; Kauffmann, deutsche
Grammatik 2 1895 S. 6 und 0. Bremer bei Mentz, Biblio-
graphie der deutschen Mundartenforschung 1892.
Die Urkunden des Imster Gemeindearcbivs reichen bis
1448 zurück, die des Pfarrarchivs bis 1435. Für die freund-
liche Zugänglichmachung der Archive sei Herrn Bürger-
meister 0. Pfeifer und Herrn Kanonikus J. P. Rauch
auch an dieser Stelle gedankt. Was sich aus ihnen zur
Aufhellung der historischen Entwicklung der Mundart ge-
winnen lässt, habe ich an Ort und Stelle verzeichnet.
Von in der Imster Mundart verfassten Gedichten sind
die von K. Deutsch, A Sträussla vom Barg, Imst 1890
zu nennen, so wie das 'Gespräch über die Herren’ von
Lutterotti in seinen Gedichten im Tiroler Dialekte, Inns-
bruck 1854 (1896®).
Die Lautschrift ist im Anschlüsse an Kauffmann ge-
wählt; nur für den gutturalen Reibelaut habe ich / statt x
verwendet-
Herr Prof. J. E. Wackerneil und Herr Dr. Leo-
pold Hüter haben den Verfasser durch manche Beihilfe
zu Dank verpflichtet ; in besonderem Masse aber gebürt der
Dank Herrn Prof. J. Seemüller, dessen Anregung und
Förderung die Arbeit ihr Entstehen verdankt, der mich auch
bei der Korrektur sämtlicher Bogen wesentlich unterstützte,
und der kaiserlichen Akademie der Wissen-
schaften in Wien, welche in freigebiger Weise einen
Teil der Druckkosten übernahm und so die Veröffentlichung
des Buches ermöglichte.
Innsbruck, am 11. Dezember 1896.
Digitized by Google
INHALT.
Dio nicht mit § bezeichneten Zahlen beziehen sioh auf die Seiten.
EINLEITUNG.
LAUTLEHRE. §§ 1—84
I. ZUR PHONETIK DER MUNDART. §§ i_32 .
A. DIE EINZELLAUTE. §§ 1—20
DIE VOKALE. §§ 1 — 5
Reine Vokale 3. Nasalierte Vokale 4. Reine Diph-
thonge 4. Nasalierte Diphthonge 5. Triphthonge 6.
DIE KONSONANTEN. §§ 6—20
Der Halbvokal j 6. Der r-Laut 6. Der /-Laut 6.
Die Nasale 7. Die Lippenlaute 7. Die Zahlenlaute 8.
Die Gaumenlaute 9. Der Hauchlaut h 9. 1) i e 8 t i m m -
losen; Fortis und Lenis der Verschlusslaute 9.
Fortis und Lenis der Reibelaute 11. Die sono-
ren Konsonanten 13.
B. LAUTVERBINDUNGEN. §§ 21-27
Einsatz und Absatz der Laute 14. LautübergSnge 14.
VERBINDUNGEN DER KONSONANTEN UNTEREINANDER. §§
23—27
a) Änderungen der Artikulationsart
Homorgane Konsonanten 15. Nicht homorgane
Konsonanten 17. 1. Labiale und Dentale 17. 2. La-
biale und Gutturale 17. 3. Gutturale und Labiale 18.
4. Gutturale und Dental« 18. 5. Dentale und Labiale
19. 6. Dentale und Gutturale 19.
b) Änderung der Artikulationsstärke . . . .
Das Zusammentreffen stimmloser Laute im Worte
und Satze 19. Verstärkung der Lenes zu Fortes 20.
Das Anlautgesetz der Mundart 21. Übereinstimmung
Seite.
3—116
3—37
3-14
3-6
6 14
14—24
15—24
15—19
19—24
Digitized by Google
IX
desselben mit der Kegel Notkers 22; diese kann nur
bei der Annahme, dass ahd. (obd.j b, <1, g stimmlos
waren, erklärt werden 23. Die sonoren Kortes und
Lenes 24.
C. DIE SILBE. §§ 28—30
Silbenbau 24. Silbentrennung 24. Silbenbetonung
26. SilbenlBnge 27.
D. ZÜR KENNTNIS DES EXSPIRATORI8CHEN WORT-
UND SATZACCENTES. § 31
E. ZUR KENNTNIS DES TONI8CHEN WORT- UND
SA TZ ACCENTES. § 32
Behiiuptungsaittze 31. Fragesätze 33. Hypotaktische
Verbindungen 36.
11. DIE HISTORISCHE ENTWICKELUNG DER
LAUTE. §§ 33—34
Behandlung der mundartlichen Entsprechungen der
einzelnen Laute des Mhd., beziehungsweise des Ahd.
oder des Germ.
A. VOKALISMUS DER 8TARKTONIGEN SILBEN. §§
33—56
Mhd. a und d 38. Das a junger Lehnwörter 39.
Das ahd. umgelautete e 40 Das mhd. weite (offene),
umgelautete e 43. Mhd. rr 45. Zur Geschichte dieser
Urnlautvokale 47. Mhd. e 49; mhd. e vor /, r 50.
Mhd. (• 52. Zur Geschichte der Qualität des mhd. e
52. Mhd. i 53; mhd. i vor r 53. Mhd. i 54. .Mhd o
54; mhd. o vor r 55. Mhd. d 55; mhd. ö vor r 56.
Mhd. 6 56. Mhd. oe 56. Mhd. u 57. Der Umlaut
ist teilweise unterblieben 57. Mhd. ü 58. Mhd. Ci und
tu 59. Zur Geschichte der Entrundung der mhd. ge-
rundeten Vokale 59. Mhd. ei 60. Mhd. ou, 'du 62.
Germ, eu und etc 64; ahd. m, tu und io 64; das ahd.
umgelautete iu 65. Germ, enges ( geschlossenes ) r 67.
Mhd. uo, üe 67.
B. VOKALISMUS DER NEBENTONIGEN SILBEN. §§
57—59
1. Endsilben. Sämtliche auslautenden Vokale
sind abgefallen 68. Schwund des e der mhd. End-
silben -er 68. Auslautendes der Mundart ist
entstanden aus -e«, -#«, - in 69. Inlautendes -d- ist
entstanden aus -cn- 69, aus langem gedecktem Vokale
(d, 6 , i, ei) 70. Die Vokale der Deminutivendungen
- Id und dh 70. i in Nebensilbeu 71.
Seite.
24—28
28 - 30
31—37
38—116
38-67
68-73
Digitized by Google
X
2. Vorsilben. Mhd. be-, ge-, rer-; dir- der Mund-
art 72. Schwächung der Vokale in pro- und enklitischer
Stellung 73.
C. KONSONANTISMUS. §§ 60 79
1. Die Labialen. Oerm. p 73; germ, pp 75.
Germ, b 75; germ. mb 76. Westgerm. bb 76. Germ.
/ 77. Germ, w 78. Die Vertretungen des germ. b
und w decken sich im In- und Auslaut 81. Geschicht-
liches zur Entwicklung des germ. b und w 81. Obd.
b war stimmlos 82. Mhd. m 83. ,
2. Die Dentalen. Germ. 184; germ U 85. Germ.
d und dd 86. Germ, p 88: germ. pp 89; germ. p als
t 90. Germ, s 91; ahd. sk 91, Is der Mundart 92.
Ahd. r 93. Ahd. n 94. Schwund desselben 95. Satz-
phonetisches n nach -» vor starktonigen Vokalen 95.
Nasalierung der Vokale 96. Mhd. I 97.
3. Die Gutturalen. Germ, k 97. Fremdwörter
mit anlautender Affrikata 98. Tenuis k fehlt im Wort-
anlaut 98. Germ, k nach /, r 99; germ. uk 100. Germ,
und westgerm. kk 100. Geographische Verbreitung
der Affrikata k% 101. Germ, k als </ in Nebensilben
102. Germ. <j 102; germ. g ist durch die Affrikata
k% vertreten 103. Westgerm. gg 104. Germ. / 106;
ahd. ht als ks 107. Germ, ng 107. Germ, j 108.
D. ÄNDERUNGEN IN DER QUANTITÄT. §§ 80—84 .
1. DEHNUNG KURZER VOKALE. §§ 80 — 82
Vor stimmlosen Konsonanten. Dehnung kurzer
Vokale in offener Silbe und vor Lenis im Auslaut 109.
Erhaltung der Kürze vor inlautender Fortis 109.
Dehnung vor auslautender Spirans 109. Geschichtliche
Entwicklung dieser Verhältnisse 110; sie sind durch
die Art des Accentes bestimmt 110. Dehnung vor t
(germ. einfachem d) 111. Erhaltung der Kürze vor
auslautender Verschlussfortis 112.
Vor stimmhaften Lauten. Vörden inlautenden
sonoren Fortes ist die Kürze erhalten geblieben 113.
Die Dehnung eines kurzen Vokals mit einem aus-
lautenden Sonorkonsonant hängt von der Stellung im
Satznuslaute ab 113. Dehnung vor r 114.
2. kOrzuno langer vokale. §§ 83—84
Vereinzelte Kürzung alter Längen 115. Kürzung
heutiger Längen in der Flexion vor mehrfacher Kon-
sonanz 116. Vereinzelte Fälle 116.
Seite.
73-108
73-84
84 97
97 108
109—115
109 115
115-116
Digitized by Google
XI
Seite .
FLEXIONSLEHRE. §§ 85-170 . . . 119—179
I. DAS SUBSTANTIV. §§ 85-128 119-144
DIE KA8ÜS DER MUNDART. §§ 85—87 119-121
Der Nominativ, Dativ und Accusativ sind als syn-
taktische Kasus erhalten 119. Der Oenetiv kann nur
zu persönlichen Substantiven, für alle drei Geschlechter
gleich, gebildet werden 119. Erstarrte Reste des
Genetive 120. Im Plural fehlt der Genetiv. Die Kasus
des Singulars lauten untereinander gleieh, ebenso die
des Plurals 120.
A. MÄNNLICHE 8UBSTANTIVE. §§ 88—109 . . . 121—131
Die o- und »-Stämme. Die Flexion Bend, ingen
sind verloren. Reste des Dativs Plural in adverbialen
Wendungen. Bingular und Plural sind ohne Endungen
121. Der Plural unterscheidet sich durch den Um-
laut des Stammvokals vom 8ingular; die o-Su'tnime
sind zu den »'-Stämmen übergetreten 121. Gnippen
der im Plural umlautenden Maskulina 122. u zu »;
ua zu i» ; au zu ui ; <? zu ß, öi, zu a ; <> zu ö ; ou zu ö» ;
qa zu fei; Maskulina auf ■}, auf auf -» 125. Nicht
untlautfähige starke Stämme 125. Bildung des Plurals
durch -»r verbunden mit dem Umlaut 126.
Die «-Stämme. Zwei Gruppen dieser M askulina :
Die erste hat im Singular die apokopierte Form dos
Nominativs, im Plural ■», die zweite in beiden Zahlen
-3 127. Beispiele der ersten Gruppe, zu der alle
Namen der Lebewesen gehören 127. Beispiele der
zweiten Gruppe 128. Von dieser bilden mehrere den
Plural durch den Umlaut 128. Stork gewordene »-
Stämme 129.
D i e jo-8tämme. Sie sind zur o- oder «-Deklination
übergegangen 129. Die .7'0-Stämme auf ahd. Art 130.
Nomina actionis der Mundart auf -3r 130 Anm.
Reste anderer Stämme, teo- nnd «-Stämme 130
— Belege aus den Imster Urkunden für die Dekli-
nation der Maskulina. S. 130 § 109 Anm.
B. WEIBLICHE SUBSTANTIVE. §§110—119 . . . .131—139
Die d- und^'d-Stämme. Der Singular ist ohne
Endungen 131. Der Plural geht auf ■> aus 132. Die
y'd-Stämme sind mit den d-Stämmen zusammen gefallen
132.
Diedn-undjdn-Stämme. Lautliche Gestaltung
des Singulars und des Plurals 133, Plurale auf n».
Übertritt von 4-Stämmen zu den d»-Stämmen 134.
Digitized by Google
— XII —
Heit«.
Wörter mit dem Plural auf - n 3 134. Feminina, welche
den Singular und Plural gleich haben 135. Gestaltung
der mehrsilbigen Feminina 136.
Die Feminina abstraota. Zwei Gruppen der-
selben 137.
Die »'-Stämme. Die Endungen sind verloren,
ein Teil hat den Umlaut im Plural bewahrt 138; ein
Teil ist zu den d-Stämmen übergetreten 138.
Reste anderer Stämme 139. — Urkundliche
Belege für die Deklination des Femininums. 8. 139,
§ 119 Amn.
C. SÄCHLICHE SUBSTANTIVE. §§ 120-126 .... 139-144
Die 0- und jo- 8 tSminc. Die Endungen sind ver-
loren. Die Pluralbildung auf -sr, in Verbindung mit
dem Umlaut, ist herrschend 140. Selten ist der Plural
dem Singular gleich 141. Die Deminutive 141.
Die n-8tämme sind erhalten 142. Vereinzelte
Pluralformen 142. Vereinzelte Wortgruppen 142.
Urkundliche Belege 143 Anm.
ÜBERSICHTSTABELLE über die Pluralbildungeu der
Mundart. § 127 143
Wörter, deren Geschlecht vom Nhd., beziehungs-
weise vom Mhd. und Ahd. ubweioht. § 128 . . . 144
II. DAS ADJEKTIV. §§129-134 145 153
Die Deklination des Adjektivs; zwei Arten derselben
145. Die Flexion des Pronomiualadjektivs lii (mhd.
ein ) ist in vierfacher Gestalt vorhanden 147. Das
Pronominaladjektiv k%t O, kjridr 150. Die Bildung des
Komparativs und Superlativs 151. Isolierte Kompa-
rative und Superlative 153.
III. DAS PRONOMEN. §§ 135-147 154-162
Das ungeschlechtige Pronomen der ersten Person
154, der zweiten Person 155. Das Reflexivutn 155.
Das gesohlcohtige Pronomen 155 Die Possessive
157. Die Entwickelung von mhd der , diu , das unter
starkem Accent (Demonstrativ und Relativ) 157, unter
schwachem Accent (Artikel) 158. Reste von mhd.
jener, selb, solch 160. Mhd. wer, waz 160. Reste von
ahd. loelih, to'edar 161. Indefinite 161. Urkundliche
Belege der Pronominalflexion 161.
IV. DAS ZAHLWORT. §§ H8-149 163-164
Die Grundzahlen 163. Die Ordinalzahlen 164. Zahl-
komposita 164.
Digitized by Google
— XLII —
V. DAS VERBUM. §§ 150-170
Die Modi des Aktivs 165.
Das starke Verbum. Konjugation des Indika-
tivs Präsens 165. Die Formen des Konjunktivs Präsens
166. Der Imperativ 167. Der Konjunktiv des Prä-
teritums 167. Die Vorsilbe des Partizips des Präte-
ritums mhd. ye 167. Die Ablautgruppen der starken
Verba 168. Die Verba der 1. Ablnutreihe 168, die
der, 2. Reihe 169, die der 3. Reihe a) 170 und b) 171,
die der 4. Reihe 171, die der 5. Reihe 172, die der
6. Reihe 172. Die reduplizierenden Verba 173.
Das schwache Verbum. Seine Konjugation
im Präsens 174, im Präteritum 175. Übertritt schwacher
Verba zu den starken 175. Die Formen von hgwg
haben 176.
Unregelmässige. Die Präteritopräsentia 176.
Mhd. weiten 177. Mhd. bin 178. Mhd. tuon 178. Mhd.
g&n, stbi 178. Die Bildung der zusammengesetzten
Formen des Zeitwortes 178. Urkundliche Belege für
die Konjugation. S. 179 Anm.
BERICHTIGUNG.
S. 78 lese man § 63 statt § 53
Seite.
165—179
Digitized by Google
LAUTLEHRE.
Schatz, Die Mundart von Imat.
1
Digitized by Google
1. ZUR PHONETIK DER MUNDART.
A. DIE EINZELLAUTE.
DIE VOKALE.
§1. ReineVokale, solche die dem Gehör von nasalem
Beiklange frei erscheinen.
1. Der Zungenrücken bildet am vordersten harten
Gaumen bis zur Kante der Alveolen Enge; die Spannung
der Zunge ist deutlich fühlbar beim langen i (?), weniger
beim kurzen i (»'), bei dem auch die Ausflussöffnung etwas
weiter ist. Der Klangfarbe nach unterscheiden sieh »' und i
der Imster Mundart nicht von einander. Die Lippen be-
wegen sich beim kurzen i schwach seitlich, beim langen t
energischer, so dass die Mundwinkel sich öffnen.
e. Die Artikulationsstelle liegt etwas weiter rück-
wärts als beim i. Es hat die Klangfarbe eines mittleren e;
die Mundwinkel bewegen sich nur schwach seitlich. Zwischen
langem und kurzem e (8 und e) besteht kein merkbarer
Unterschied der Artikulation oder der Klangfarbe.
ö. Der Zungenrücken ist gegen den mittleren (hinteren)
harten Gaumen emporgehoben, die Spannung ist fühlbarer
als bei irgend einer anderen Vokalartikulation; die Engen-
bildung geschieht weiter rückwärts als beim e, die Lippen
nehmen eine Mittelstellung zwischen Längs- und Kund-
öffnung ein, die Mundwinkel sind geschlossen.
a. Es hat die Klangfarbe des rein gesprochenen schrift-
deutschen er; der Zungenkörper senkt sich etwas und bewegt
1 *
Digitized by Google
4
sich schwach nach rückwärts, die Lippen bilden die grösste
Öffnung, die bei Vokalen der Ma. vorkommt,
o. Dieser Vokal nimmt seiner Klangfarbe nach ziem-
lich genau die Mitte zwischen a und o ein. Der Zungen-
rücken ist massig gegen den weichen Gaumen hin gehoben,
die Lippen sind etwas vorgeschoben und bilden Uundöffnung.
Die Längen ä und § unterscheiden sich von den Kürzen a
und q nicht.
o. Seine Klangfarbe entspricht der eines mittleren
schriftdeutschen o. Der Zungenrücken artikuliert weiter
rückwärts als bei q und u, die Lippen werden vorgeschoben
und bilden eine Kundöffnung. Langes o kommt nicht vor,
ebenso nicht langes ö (dafür die Diphthonge ou und öi).
u. Die Engenbildung ist stärker als bei o, geschieht
aber etwas weiter vorne; die Lippen werden stark vorge-
stülpt, die Uundöffnung ist schmal, die seitlichen Teile sind
geschlossen, u und ü werden gleich artikuliert.
9. Es ist der Vokal, der sich bei annähernd passiver
Lage der Artikulationsorgane ergibt. Seine Klangfarbe ist
der des a ähnlich, vor Nasalen der des o, u. Steht a am
Ende eines Satzes, vor einer Pause, so tritt Senkung des
Gaumensegels ein, es ist schwach nasaliert.
§2. Nasalierte Vokale. Das Gaumensegel hängt
schlaff herab wie beim ruhigen Atmen. £, i, a, d, unter-
scheiden sich der Artikulation nach nicht von i, I, a, ä ; bei
e ist die Engenbildung etwas stärker als bei e, es kommt,
abgesehen vom Nasalklang, der Klangfarbe des schrift-
deutschen engen S am nächsten. «, ü, ü entsprechen einem
weit gebildeten o, u in der Artikulation, in der Klangfarbe
aber dem o, u der Mundart, e und ö kommen nur als Kürzen
vor, die Längen dazu sind die Diphthonge ei, ou.
§ 3. Die reinen Diphthonge der Ma. sind:
19. i hat hier die Artikulation und Klangfarbe eines
offenen *, die Lippen beteiligen sich nur schwach.
öi. ö ist hier geschlossener als ö, es scheint überhaupt
mit einem längeren Teile des Zungenrückens artikuliert zu
werden (mouilliert?); das ? ergibt sich bei dieser Bildungs-
Digitized by Google
5
weise von selbst, wenn die ö-Artikulation, noch während die
Stimme tönt, von rückwärts gelöst wird.
ea. q ist sehr weit gebildet; die Zungenartikulation
nach vorne und oben ist schwach. Das a kommt dem a-
Vokal am nächsten, doch liegt es um eine Stufe nach e hin.
ai. Der Mund wird bei a nicht so weit geöffnet wie
beim «-Vokal es hat auch etwas hellere Resonanz ohne sich
vom a weiter zu entfernen; i ist weit gebildet, die Lippen
artikulieren nur schwach; seine Klangfarbe kommt der des
weiten i des Schriftdeutschen näher als der des engen e.
au. a kommt dem isolierten «-Laut fast gleich : « ist
sehr weit, hat aber «-Klang, nicht o-Färbung; die Vor- '
stülpung der Lippen ist nicht merklich, dagegen die Bildung
der engen Rundöffnung energisch.
na. Das q hier unterscheidet sich kaum von dem q.
Die Lippenartikulation ist dieselbe, a ist dem a-Vokale
sehr ähnlich, bei der Bildung senkt sich Zunge und Unter-
kiefer.
ou. Bei o nimmt man deutlich eine Bewegung der
Zunge nach rückwärts wahr, bei u eine solche nach auf-
wärts. Die Lippen nehmen ziemlich dieselbe Stellung ein
wie bei o und schliessen sich bei u noch mehr ohne nach
vorwärts sich zu bewegen. <> ist enger als isoliertes o, u
weiter als u.
a<>. u ist weit gebildet; ;> hat hier eine o-Färbung,
doch tritt nicht irgend ein bestimmter Vokalklang zu Tage.
ui. u und i sind hier dem Klange nach den isolierten
Vokalen u und i gleich zu setzen, u auch der Artikulation
nach, während i unter schwächerem Ausatmungsdruck ge-
bildet und schlaffer artikuliert wird.
oi (in lois Alois, mqthois Mattheus, moisos Moses), o und
i sind weite Laute.
§4. Die nasalierten Diphthonge U>, dl, du, du,
Ü 9 , ui sind in Betreff der Mundartikulationen den reinen
i 3, ai, au, ou, uo, ui gleichzustellen. Für etymologisch voraus-
zusetzendes ea, qa erscheint io, uo. (Vgl. die geschlossenen
e, 5 für *qn, *qn § 2). Für ö tritt bei Nasalierung die e-Arti-
Digitized by Google
— 6 —
kulation ein. ei hat geschlossenes e. Das Gaumensegel ist
bei all diesen Diphthongen vollständig geöffnet.
§ 5. Die Triphthonge. Wenn sich in der Silben-
folge ua-a, b-a, qu-a, qti-a, ein j (Halbvokal i ) als Übergangs-
laut einstellt, so wird vor dem j noch ein i (offen) arti-
kuliert, das sich mit dem Diphthonge zum Triphthong ver-
bindet. uaija , bi ja, qaija , qaija z. B. ruaija ruhen, pliaija
blühen, tiaija thuen (mhd. Konj. tüejen), mquija Mai (mhd.
rneie, meije), gquijä gehen (Konj. Präs.), fr qaija Frohsein (ahd.
*fröi). Doch wird in diesen Fällen überall auch die Form
mit Schwund des j gebraucht, also : rua-a, plia-a, tb-a, mqa-a
gqa-o frqa-a. Nasalierte Triphthonge sind nur im Satzgefüge
möglich; k/uaijqr kein Jahr (k/u'a-), si gi3i jq sie gehen ja
(gb-).
DIE KONSONANTEN.
§ 6. Der Halbvokal j ist ohne wahrnehmbares Reibe-
» geräusch ; der Zungenrücken artikuliert in derselben Höhe
und an der gleichen Stelle wie für ein weites i.
§ 7. r ist in Imst. Tarrenz und Nassreid fast aus-
schliesslich uvular; im weitern Oberinnthal werden Zungen
r und Zäpfchen r neben einander gesprochen. Die Hinter-
zunge bildet eine Längsrinne, in der das Zäpfchen schwingt.
Je energischer diese Artikulation ausgeführt wird, um so
deutlicher ist das r für das Gehör. Wird die Rinnenbildung
lässig gemacht so hat das Zäpfchen nicht völlig freie Be-
wegung zum Schwingen und es stellt sich leicht ein Reibe-
geräusch ein. In Imst ist es im Durchschnitt deutlich hör-
bar, auch wenn r unter sehr schwachem Ausatmungsdrucke
gebildet wird, macht das Zäpfchen immer noch einige
Schwingungen. Ich habe nur stimmhafte r beobachten
können. In Nassreid tritt gewöhnlich für r stimmhafter guttu-
raler Reibelaut ein ; der ma. Ausdruck dafür ist „scharren“,
sqrra, %£?.
§ 8. I. Das Zungenblatt bildet an der Kante der
Alveolen mittleren Mundverschluss. Der Luftstrom tritt
entwoder an beiden Seiten der Zunge aus, oder nur an
einer, während die andere geschlossen ist (bilaterale und
Digitized by Google
7
unilaterale l). Bei der Bildung eines zwischenvokalischen /
berührt die Zunge die oberen Schneidozähne nie. Nur nach
den stimmlosen t, d ruht die Zunge bei der Bildung des
medianen l - Verschlusses an den oberen Schneidezähnen.
Nach den Labialen p, f legt sich die Zunge an den hintern
Teil der Alveolen. Es kostet mich, wenn ich die l in ul,
il, pla, flu an der gleichen Artikulationsstelle bilden will,
eine gewisse Aufmerksamkeit. Der Zungenrücken ist aber
bei allen l verhältnismässig gehoben. Auch der Zungen-
rücken kann am harten Gauinen mittleren Verschluss bilden.
Die so gebildeten l sind an die Stellung nach den Gaumen-
verschlusslauten k, g gebunden.
§9. Die Nasale, m. Der Mund Verschluss wird durch
die Lippen hergestellt. Wenn stark artikuliertes m vor oder
nach dem (labiodentalen) f steht, berührt die Unterlippe die
obere Zahnreihe. Labiodental wird m gebildet, wenn es
unter schwachem Ausatmungsdruck vor / steht. Die Unter-
lippe liegt an den Oberzähnen, die Oberlippe ist frei und
an der Artikulation nicht beteiligt. Vgl. z. B. tsum ßr/Ja
zum fürchten, fum fqtar vom Vater; tsum, fum haben den
Schwachton. Bei n bildet das Zungenblatt am Zahnfleisch
hinter den Oberzähnen Verschluss, ij wird stets am weichen
Gaumen durch den Zungenrücken gebildet. Die Artikula-
tionsstelle hängt von dem voraufgehenden Vokale ab; am
weitesten rückwärts liegt sie bei otj; dann folgen uij, atj,
ey, ifj.
§ 10. Die Lippenlaute. Die Artikulationsstelleu
für die Laute sind die Lippen und Oberzähne. Von stimm-
losen kommen vor die labiolabialen Verschlusslaute p, ft,
und das labiodentale f. Bei p, b bilden beide Lippen Ver-
schluss, bei f die Unterlippe an den Oberzähnen die Reibe-
enge. Der Stimmton tritt bei /'nie ein. In der Verbindung
pf wird p zwar bilabial gebildet, aber die Unterlippe be-
rührt auch die oberen Schneidezähne.
Der einzige stimmhafte Laut dieser Gruppe ist w. Das
wesentliche Moment für seine Bildung ist, dass die Lippen
bis auf einen minimalen Spalt geschlossen sind. Dieser
Spalt ist bei mir regelmässig doppelseitig, die Lippen sind
Digitized by Google
8
in der Mitte geschlossen, zu beiden Seiten ist eine Öffnung
kleinster Ausdehnung, die Mundwinkel sind geschlossen;
*/•», kaum ’/'i der Lippen ist geöffnet. — Andere bilden wieder
eine einheitliche Lippenöffnung, die oft auch etwas seit-
wärts liegt. Die doppelseitige Bildung habe ich häutig be-
obachten können. Ein Vorstülpen der Lippen findet nicht
statt, ebenso wirkt auch die Zunge nicht mit; sie bleibt
in der Ruhelage. Das Reibegeräusch fehlt immer, w kann
daher eigentlich nicht zu den Geräuschlauten gezählt werden;
es ist von einem bilabialen stimmhaften Reibelaut ebenso
entfernt durch Mangel des Reibegeräusches, wie von einem
Halbvokal u durch Fehlen der Zungenartikulation. Am
ehesten könnte man unser w zu den /-Lauten stellen, inso-
ferne bei l und w die Mundhöhle zum 'Feil geschlossen ist,
die Stimme tönt und keine Geräuschbildung sich einsteilt-
§ 11. Die Zahnlaute. Die Verschlusslaute t, d
werden durch Artikulation des Zungenblattes oder -randes
an den Alveolen hinter den Oberzähnen gebildet; die Zunge
erreicht in der Regel noch die Zähne. Beim Reibelaut s
bildet die Vorderzunge leicht eine Rinne und Reibeenge an
den Alveolen. Die Zungenspitze liegt ’/ä cm hinter den
Zahnreihen. Der Unterkiefer ist etwas vorgeschoben, die
Zahnreihen stehen sich fast gegenüber, ohne sich zu be-
rühren. Oft bewegen sich die Lippen stark seitlich, die
Mundwinkel sind dann geöffnet. Durch diese Bewegung der
Lippen erhält das s eine helle Färbung, weil der Resonanz-
raum zwischen den Zahnreihen und Lippen verkleinert wird.
s. Die Lippen werden etwas vorgeschoben. Die Zahn-
reihen sind wie beim s gestellt. Die Zungenspitze ist nach
oben gekehrt und steht der Kante der Alveolen gegenüber,
mit welcher sie einen schmalen Spalt bildet. Mit der Zungen-
spitze ist auch der Rücken gehoben. Wie weit der Rücken
an der ^-Artikulation Anteil hat, entzieht sich der direkten
Beobachtung. Die Rinnenbildung hinter der Zungenspitze
wird gefühlt. Die Lippen wirken bei der s-Resonanz immer
mit, die grössere oder geringere Verschiebung ist individuell-
t, d, s, s sind immer stimmlos.
Digitized by Google
9
§ 12. Die Gaumenlaute. Die stimmlosen Ver-
schlusslaute h‘, ff werden durch den Zungenrücken am
harten Gaumen artikuliert wenn sie nach e, ö, i stehen, am
weichen in den übrigen Fällen. Für den stimmlosen Reibe-
laut / wird die Reibeenge immer am hintern weichen Gaumen
gebildet.
§ 13. Zu diesen kommt der Hauchlaut h, der vom
praktischen Standpunkte aus den „Konsonanten“ zugezählt
werden muss. In der Imster Ma. ist er durchwegs ein
etymologisch entwickelter Laut.
Wenn im folgenden von der speziellen Bezeichnung
„Sonor-“ und „Geräuschlaute“ abgesehen und von Vokalen
und Konsonanten die Rede ist, so sind diese Ausdrücke aus
praktischen Gründen gewählt. Für die wissenschaftliche
Betrachtung des Verhältnisses der Laute zu einander, für die
phonetische und historische Lautlehre, sind die Bezeich-
nungen Vokale und Konsonanten so eingebürgert, dass man
mit rein phonetischen Ausdrücken die Verständlichkeit be-
einträchtigen würde.
§14. Die Stimmlosen ; Fortis und Lenis. Die
Verschlusslaute, p, b — t, d — k, g, haben je die Artikula-
tionsstelle gemeinsam. Sie unterscheiden sich durch die
Stärke des Ausatmungsdruckes, durch die Art der Ver-
schlussbildung und die Dauer des Verschlusses. Die letztem
beiden Faktoren sind von der Exspirationsstärke abhängig.
(Vgl. Sievers § 335). Je stärker der Ausatmungsdruck ist,
um so ausgedehnter ist die Vorschlussbildung und um so
länger die Dauer des Verschlusses.
p, b. In loup Laub, werden die Lippen fest aufein-
ander gepresst, der Druck der Exspiration ist sehr merk-
lich, die Muskelanspannung wird deutlich gefühlt; sie zeigt
sich äusserlich dadurch, dass sich die Lippen nach einwärts
bewegen und während der Dauer des Verschlusses in dieser
Stellung verharren. Die Dauer des Verschlusses dürfte der
des om gleich kommen. Eine genaue Angabe ist ohne exakte
Messung nicht möglich. Bei der Bildung des b in loub Lob,
berühren sich die Lippen so zu sagen nur linear. Der
Exspirationsdruck ist äusserst gering, die Dauer des Ver-
Digitized by Google
10
Schlusses nur momentan. Das b der Imster Ma. ist das
überhaupt mögliche Minimum der stimmlosen Verschluss-
bildung. Jeder Versuch sie schwächer zu bilden führt zu
dem te- Laute, mit dem sich der Stimmton verbindet. — w
ist auch die historische Vertretung des b vor Vokalen; b hat
seine Stelle nur im Auslaut und vor (I) in (r). Es ist un-
möglich für die Artikulationsverhältnisse der Imster Ma.
das b, wie es in loub gesprochen wird, vor Vokalen zu bilden;
und nicht *hQbg, haben.
15. Analoge Verhältnisse wie bei />, b zeigen sich
bei t, d. Bei der Bildung des t in raito reiten, rot Rat,
wird die Zunge fest an die Alveolen und seitlich an die
Backenzähne gedrückt ; die Zungenspitze berührt die Ober-
zähne am Rande des Zahnfleisches , dieses ist durch die
Vorderzunge bis zur Kante bedeckt. Der Umfang des Ver-
schlussgebietes ist also, dem energischen Exspirationsdrucke
entsprechend, gross. Die Dauer des Verschlusses ist wie
bei p, also etwa gleich der des ui, ö. In rauh, drehen (ahd.
ridaii), rQd, Rad, wird zur Artikulation des d der Zungen-
rand so gehoben, dass er das (mittlere) Zahnfleisch und die
Backenzähne gerade berührt. Der Druck der Exspiration
ist sehr gering, die Dauer des Verschlusses minimal.
§ 1(5. k, g. Bei der Bildung des k in nqaka neigen,
trans. (*hnaiyjan~) presst sich ein Teil des Zungenrückens
unter fühlbarer Muskelspannung an den Gaumen, der Ex-
spirationsdruck ist stark, die Dauer wie bei p, t. — Beim
g in tsqago zeigen, sind Exspirationsdruck, Ausdehnung des
Verschlussgebietes und Dauer auf ein Minimum beschränkt.
Die Bezeichnungen Fortis und Lenis (Sievers § 172)
sind für die Imster Ma. vollkommen zutreffend, um die beiden
homorganen Verschlusslaute ( p , b — t, d — k, g ) zu unter-
scheiden. Unsere Verschlussfortes p, t, k sind energisch
artikulierte Laute, die Lenes b, d, g weisen ein Minimum
der Artikulation (in Ausatmungsstärke, Ausdehnung des
Verschlussgebietes und Dauer) auf.
Am. Wenn Lenis g am harten Gaumen artikuliert wird, nach
i also, kann cs Vorkommen, dass die Yersclilusshildung, — Berührung
des Gaumens durch den Zungeurüokou — nicht mehr vollständig uus-
Digitized by Google
II
geführt wird. In diesem Falle stellt sich der Stimmten ein; eg ist kein
Reibelaut sondern eine Art /, das den Übergang zur folgenden Silbe
bildet; von einem Reibegeräuseh ist nichts wahrzunehmen. Staig» steigen,
kann als Staij» gesprochen werden. RegelmSssig wird aber auch hier
die Versolilussbildung durchgeführt; der Stimmton hört auf einen Moment
auf. — Der Übergang des tj in i ist derselbe, weloher bei b (in w) seit
Jahrhunderten schon durchgefülirt ist. Bei d kann ich eine derartige
schlaffe Durchführung der Artikulation nioht beobaehten.
§ 17. ff und f. Slffff'a schlafen, ItQfa Hafen. Die Unter-
lippe liegt an den oberen Schneidezähnen und Eckzähnen
und bedeckt sie zum Teil, d. h. sie berührt die Zähne viel-
fach ohne völligen Verschluss herzustellen. Der zur Bildung
des ff verwendete Exspirationsstrom ist stärker, die Dauer
ungefähr der des Q gleich. Die Enge, welche die Unterlippe
bei ff an den Zähnen bildet , ist stärker als bei f, ebenso
die Berührungsbreite; die Unterlippe ist etwas mehr ge-
hoben. Bei der Lenis / ist der Ausatmungsdruck bedeutend
schwächer, die Dauer nicht so gross, doch ist der Unter-
schied zwischen ff und f in Exspirationsdruck und Dauer
nicht so bedeutend wie bei den Verschlusslauten p und b.
Die Lenis / stellt nicht das Minimum der für die Bildung
möglichen Artikulationsfaktoren dar. Dieses Gegenüber von
Fortis ff und Lenis f hat die Mundart nur im Inlaut zwischen
Vokalen in der Stellung nach der Starktonsilbe. Im Aus-
laut ist nach kurzem, betontem Vokale die Fortis in der-
selben Stärke wie in slqffa; vgl. sqff Schaff, hitff Hüfte (mhd.
huf). Nach langem Vokale: k/ouf Kauf, (ahd. etymol. kouff)
und houf Hof, hat die Artikulation, was Energie der Ver-
schlussbildung, Exspirationsdruck und Dauer anbetrifft, eine
gewisse mittlere Stärke. Nach meiner Beurteilung hält der
Reibelaut f in dieser Auslautstellung die Mitte zwischen ff
und /.
§ 18. ss und s. hqusso heissen, hqasar heiser; bei ss
ist die Ausflussöffnung sehr klein, die Zunge wird seitlich
fest an die Backenzähne und an die seitlichen Teile der
Alveolen gedrückt. Die Bildung der Reibeenge hat grössere
Ausdehnung ; der Exspirationsdruck ist stark und das Zisch-
geräusch scharf. Im gleichen Verhältnisse ist die seitliche
Artikulation der Lippen energisch. Für s ist der verwendete
Digitized by Google
12
Ausatmungsdruck schwach, die Engenbildung schlaff, die
seitlichen Teile des Zahnfleisches werden nicht berührt oder
nur schwach, die Reibeöffnung ist grösser. Auch die Bildung
der Lenis s kann nicht das Minimum der möglichen Arti-
kulation genanfit werden (wie f nicht). Im Auslaut: Nach
kurzem, betontem Vokale steht Fortis ss, liqss Hass, nach
langem ein s (hqas heiss, rqas Reise), das gleich wie aus-
lautendes / eine mittlere Stellung zwischen Fortis ss und
Lenis s einnimmt. Der Ausatmungsdruck ist schwächer als bei
ss, stärker als bei s, die Enge der Reibung so, dass die
Zunge noch die seitlichen Teile des Zahnfleisches berührt,
ohne sie wie bei ss fest zu decken; ebenso ist die Dauer
eine mittlere, (p : f : f = ss : s : s = 3:2; 1).
§ 19. s und y. s kommt im Inlaute nur als Fortis
vor. Zwischen dem s in was.) waschen (genauer wassa mit
Geminata) und in flaisig fleischig, besteht kein Artikulations-
unterschied. — Im Auslaut zeigt sich nach langem Vokal
eine mittlere Stufe analog wie bei /, s. Ausatmungsdruck
und Dauer sind in flais Fleisch, raus Rausch, etwas geringer
als in wassa, fis Fisch.
/ ist wie $ Fortis. Der starke Exspirationsdruck ver-
langt hier starke Engenbildung. Der hintere Zungenrücken
scliliesst sich fest an die seitlichen Mundwände und bildet
mit denij hintern weichen Gaumen die schmale Reibeenge.
Im Auslaut nach langem Vokal (Diphthong) ist die Arti-
kulation des / etwas schwächer als bei s : tcqy wach,
siyy >r sicher, rouyy.) rauchen, rouy Rauch ; § und y sind ener-
gisch artikulierte Laute; sie sind als Fortes zu bezeichnen.
Die Lenes dazu lassen sich leicht bilden, sind aber der Ma.
fremd.
Anm. (über die Lautschrift). Allen diesen Abstufungen der
Reibelaute durch die Schreibung gerecht zu werden, gebt aus praktischen
Gründen nicht an. Die Fortes ff, ss müssen, da ihnen Lenes gegenüber
stehen, von diesen geschieden werden ; sie können am klarsten durch
Doppelschreibung bezeichnet werden. Für s, y ist Doppelschreibung
nur da verwendet, wo sie als Geminata nach kurzem Vokale stehen.
Die Reibelaute mittlerer Qualität können leicht unbezeichnet gelassen
werden, da sie an die Auslautstellung nach lungern Vokal (Diphthong)
Digitized by Google
13
gebunden sind. Wo ein Abweichen von dieser Norm nötig ist, wird eg
besonders nngemerkt.
§ 20. Sonore Konsonanten, ü und l in fqU Fall, tql
Tal ,/qlh fallen, tsqb zahlen. Bei ll ist der Stimmten kräftiger,
die Artikulation der Zunge energisch. Die Zunge legt sich
fest und breit an die Kante der Alveolen und lässt seitlich
(bezw. nur auf einer Seite) nur einen Spalt offen. Bei der
Bildung des l in t$, tsqln ist es nur eine momentane Be-
rührung.
rr und r in dirr dürr, fir für, k/qrrg Karren, spqtv
sparen. Zur Artikulation des rr wird eine kleine Aus-
flussöffnung für den Exspirationsstrom gebildet. Die seit-
lichen Teile der Hinterzunge sind fest an die Mundwände
gelegt, das Zäpfchen schwingt energisch in der Rinne. Bei
r ist die Ausflussöffnung gross, das Zäpfchen macht nur ein
paar Schwingungen.
mm und m; stamm Stamm, poüm Baum. Für mm ist ener-
gischer Lippen Verschluss in breiter Ausdehnung gefordert,
bei m berühren sich die Lippen so zu sagen nur linear.
Analog ist es bei nn und n. rinnt) Rinne, p n;> Bühne;
für nn ist das Verschlussgebiet breit, für n möglichst
gering.
Ebenso ist es für tjtj und hmpp hangen, hüerprt
Heimgarten. Bei ipj erstreckt sich der Verschluss über einen
grossen Teil des weichen Gaumens und ist fest gebildet;
bei fi ist nur schwache Artikulation.
Die Fortis der Sonorlaute ist von der Stärke des
Stimmtones bedingt (Sievers § 173). Die kräftigere Arti-
kulation ist von dem Ausatmungsdrucke abhängig. Dazu
kommt, wenn die Fortis im Auslaut oder zwischen Vokalen
steht, ein drittes Moment, durch welches sie von der Lenis
geschieden ist, die Dauer. Nach kurzem starktonigem Vokal
ist jeder Sonorlaut Fortis. Folgt ihm ein silbenschliessender
Konsonant, so ist seine Dauer nicht so gross, wie wenn er
frei steht. In omt Amt, hunt Hund, wa.lt Welt, hqrt hart,
sind m, n, l, r mit starkem Exspirationsdruck gebildet, aber
die Artikulation wird nicht so lange eingehalten wie bei
Digitized by Googl
— 14 —
den obigen mm, nn, II, rr, (qv). Die Dauer ist also bei den
Sonor-Fortes nur accidentell nicht essentiell.
Für j und w sind, was schon durch ihre Artikulation
bedingt ist (§ 6. 10), keine Stärkeabstufungen vorhanden.
(Doch vgl. § 26)
B. LAUTVERBINDUNGEN.
§ 21. Einsatz und Absatz der Laute. Für alle
Laute ist der leise Ein- und Absatz Regel. (Sievers 360. 367).
Fester Ein- und Absatz kommt bei Vokalen vor, der Ein-
satz am Beginne des Satzes, wenn der anlautende Vokal
mit besonders starkem Exspirationsdruck erzeugt wird; z. B.
'oha ! als Befehl, „herab“, ’ouder ? zornig fragend „oder“.
Aber auch der leise Einsatz kommt hier vor. Der feste
Absatz linddt sich bei einsilbigen, vokalisch auslautenden
Wörtern wie jq zweifelnd „ja“ (aber es könnte doch andere
sein . . u. ä.) na „nein“ (— doch nicht). Die h der Ma. stehen
nur vor Sonorlauten und sind, vom phonetischen Standpunkte
aus beurteilt, gehauchte Einsätze, 'qr (hqr), Haar, q'a(qlia),
stq'J (Höhl), Stahl, n(Lmr (nähmr), näher u. a. Die Inter-
jektion „hm“ (vgl. Sievers 371, Heusler, Alem. Kons, von
Basel-St. S. 126) kommt in Imst in mehreren Schattierungen
vor; 'm, nun ja, ’in'ni (mit Betonung des zweiten m) ja, qi 'm
(mit Betonung des ersten in) ja freilich; 'm m „nein!“ (auch
'm 'in) u. a.
Gehauchter Absatz fehlt. Die Ma. hat keine Aspiraten.
Nur wenn wortanlautendes h im Satze nach einem Ver-
schlusslaut zu stehen kommt, bleibt der Hauch. Vgl. phaujth
behaupten (paupta), thenm die Henne (l'entm), tsqaghqa zeig
her (Silbentrennung tsqa-ghqä und tsqag-hqa), grqdliqlhro
gerade hall) Uhr (grQ-dhqlhm und grqd-hqllws). Kehlkopf-
verschluss kann bei Verschlussfortes eintreten, wenn sie
aussergewöhnlich stark artikuliert werden. So beim Rufen
auf weite Entfernung jqjckl printj llqttp nnuho Jakob, bringe
die Latte herauf. In der gewöhnlichen Rede fehlt er.
§ 22. Für die Berührungen der Laute im Worte und
Satze gilt der direkte Übergang (Sievers 378 f.). Wenn
Vokale, die verschiedenen Silben angehören, Zusammentreffen,
Digitized by Google
15
herrscht der direkte Übergang; es kann j als Übergangs-
laut eintreten, wenn der die zweite Silbe anlautcnde Vokal a
ist. j wird immer gesprochen bei der Silbenfolge i-a : rui(i)ja
reuen ( *ruien ), pfui ja wurm pfui ein Wurm, saija seien (und
‘sei ein 1 ), k/lqu-a und k/lqaija Klaue (mhd. klö), ruaa und
ruaija ruhen (mhd. ruotcen, ruoen). Ist der erste Vokal lang,
so ergibt sich bei einem ./-Übergang ein Diphthong mit
langem erstem Komponenten : mag und nifiija mähen, sa-a
und saija säen, k/rip) und k%rQija Krähe u. a. Ist der erste
silbenauslautende Vokal so stellt sich immer n als Über-
gangslaut ein. » guata n qrt, eine gute Art {■> guata tsait, eine
gute Zeit), » n qrm, ein Arm, si göiwan qlls sie geben alles
(» i göitca dar sie geben dir). Dieses Übergangs n hat sich
aus historischen Gesetzen entwickelt (g 73). Über die Diph-
thonge und Triphthonge der Ma. (d. h. über die zwei (drei)
Komponenten einer Vokalreihe) vgl. g 3 und 5.
Folgt in einem W orte auf den Vokal ein Nasal m,
ti, y, so wird die Artikulation des Konsonanten in der Weise
vorweg genommen, dass schon bei Beginn des Vokals (Diph-
thongs) das Gaumensegel gesenkt wird und der Nasenzugang
vollständig offen steht. Dies gilt nur für das Wort, nicht
für den Satz, hont Hand, sümia Sonne, nimm nimm, lötjy
lang, mitna neun, fsiiina zäunen, nouma Namen, liuayart Heim-
garten, liämara hämmern, ihm Schiene. Aus praktischen
Gründen ist im folgenden der Nasalvokal nur bei Längen
(Diphthongen) bezeichnet (mit'), weil nach einem kurzen nasa-
lierten Vokal immer der die Nasalierung bewirkende Nasal-
konsonant erhalten ist ; bei Längen ist auslautendes n ge-
schwunden (die Verschlussbildung wird nicht mehr ausge-
führt). po'n Bahn, tsui* Zaun, nia Kain, st'a schön, mutig
Montag, slst sonst, < Inn, s« Sohn.
VERBINDUNGEN DER KONSONANTEN UNTEREINANDER,
a) Änderungen der Artikulationsart.
g 23. Homorganc Konsonan ten, p, h explodieren,
wenn m auf sie folgt durch die Nase, k^lauptnar klaube mir,
qarppibma Erdbeben (mhd. hibenen). p, b, m, behalten zwar,
Digitized by Google
16
wenn ihnen / folgt, ihre bilabiale Verschlussbildung, zu-
gleich wird aber durch die Vorausnahme der labiodentalen
Artikulation des / die Unterlippe an die Oberzähne gehalten.
In den Verbindungen pf (*kf erscheint als pf), mf ist p, m
labiolabiodental. pfail Pfeil, loup fian Laub führen, fimmfa
fünf, ummfqlla- Umfallen. — Über ein labiodentales m vgl.
§ 9. Für die Verbindung mf ist noch der besondere Fall
zu beachten, wenn / im Auslaut steht; es ist in dieser Stellung
von mittlerer Stärke § 17. mf kann da regelmässig wie im
Inlaut artikuliert werden, oft hört man aber dafür mpf
fitnmf und fimpf 5. p ist hier erzeugt durch Hebung des
Gaumensegels und Aufhören des Stimmtones vor der Lösung
des Lippen(zahn)verschlusses für m. Die Ursache ist die
energischere Artikulation des f. — In den Wörtern hompf
Hanf, und nempf Senf (mhd. hanef , senef, germ. p) ist das
mpf fest geworden. Für den umgekehrten Fall, für fp, fm,
tritt keine Änderung der Artikulation ein.
t, d werden, wenn sie mit s zusammentreten, etwas
weiter rückwärts artikuliert als in der Stellung zwischen
Vokalen (ds, id wird zu ts, st). Doch ist der Unterschied
nicht gross. Die Zungenspitze, die bei t (zwischen Vokalen)
in der Kegel noch das Zahnfleisch bis zu den Zähnen hin
bedeckt, reicht in diesem Falle bei der Verschlussbildung
bis zur Mitte der Alveolen. Die Ursache ist zu frühes
Zurückziehen der Zunge für die s-Bildung, bezw. bei st der
enge Anschluss der Verschlussartikulation an die Engen-
bildung; pötstqt Bettstatt, rqtsuay Kadschuh, pistq? bist
du da? Für die Verbindung nn und l (Lenis n und l kann
nicht Vorkommen, weil auslautende Lenis n geschwunden
ist) ist das Auftreten eines d charakteristisch, nndl. Das
Gaumensegel wird immer einen Moment früher gehoben,
bevor der Mundverschluss des n seitlich gelöst wird; dadurch
wird eine d-Artikulation erzeugt, mit der sich ein momen-
tanes Aussetzen des Stimmtones verbindet. Dieses d ist
der Lenis d völlig gleich, l ist stimmhaft. In der gleichen
Weise ist das t in der Fügung nn s zu nnfs zu erklären:
Hebung des Gaumensegels und Aufhören des Stimmtones
vor der Mittelöffnung des «-Verschlusses. Vgl. für nndl
Digitized by Google
17
rnanndh Männlein, k/onndb Kanne (mhd. kanele), prinndh
Brünnlein zu Brunnen, irenndh ein Kleid auftrennen (mhd.
*trennlen ) , i pinn dlai/t tsfrtch ich bin leicht zufrieden,
pann dlü/t beim Lichte, mennts Mensch, winnts» wünschen,
i honn tsür ich habe schier, wenn tsiio wenn schon. Auch
zwischen l und s wird t artikuliert; der mittlere Verschluss
des l wird erst gelöst, nachdem die Zunge die seitliche
Verschlussartikulation für das s gebildet bat. waltS wälsch,
fölts.) fälschen, wilti willst, hqalts heilst du, tqaltitok/
Teilstock (am Brunnen), <»■ willtsetjk/9 er will schenken.
Bei der Verbindung von nn, l mit s wird die Artikulation
regelmässig durchgeführt: honns Hans, i pinns ich bin
es, hqlls Hals. Der Grund der verschiedenen Behandlung
in den Verbindungen von nn, l und s einerseits, nn, l und
s anderseits liegt in der energischen Artikulation des s, zu
dessen Bildung auch ein breiterer Teil der Zunge verwendet
wird. Bei sn, sl wird die Bildung für beide Teile normal
durchgeführt. In tl, dl explodieren t und l seitlich, in tn, dn
durch die Nase, s und s wird zu s : ausüs Ausschuss, wqs-
sraist ? was schreist du?
§ 24. Nicht homorgane Konsonanten.
1. Labiale und Dentale. Bei pl, bl wird die Zungen-
stellung für l während des Verschlusses des p, b gebildet.
Anm. Für bl wird häufig uueh u’l gesprochen, je nach der Silben-
trennung. Man spricht sowohl yra-wl? als gräb-lg „Gräblein“. b steht
im zweiten Falle im Auslaut, wo «> nioht vorkommt. Eine Aussprache
grüw-te mit der Silbengrenze nach u> ist nioht vorhanden.
Bei pn wird der Lippen Verschluss erst gelöst, nach-
dem der Zungen Verschluss für das n gebildet und das Gaumen-
segel geöffnet ist. Wir haben in diesem Falle ein n, das im
Beginne einen Doppelverschluss, linguodentalen und labialen
hat. Die Resonanz eines so gebildeten n ist nicht ganz
dieselbe wie die eines bloss durch Zungenverschluss er-
zeugten, doch ist der Unterschied nur eben wahrnehmbar.
(Es muss also der zwischen den Zähnen und Lippen liegende
Mundraum an der Resonanz teilnehmen), kynqp nöim knapp
neben.
2. Labiale und Gutturale, tn und k, </; der Verschluss
Schaf*, Die Mundart von Imst. 2
Digitized by Google
18
des k, tj wird gebildet noch während der Dauer des m. Es
liegt in diesem Falle ein Nasallaut vor mit gutturaler und
labialer Verschlussbildung. Selten ist es, dass die Lippen-
verschlussbildung vollständig aufgegeben wird und tj für
m ein tritt: utjgöigat Umgebung („Umgegend“). Doch wird
auch bei dieser Lautverbindung das Aufgeben der m-Arti-
kulation (Öffnung der Lippen und Schliessung des Gaumen-
segels) und die Bildung des (/-Verschlusses gleichzeitig
durchgeführt, wenigstens kann ich beide Arten an mir
beobachten.
3. Gutturale und Labiale. rp> und m. Der Lippen-
verschluss wird gebildet, während die Zunge noch den weichen
Gaumen abschliesst: lotpjtnsr lange mir. Bei tjtj und /:
Während der Verschlussstellung für tj wird noch das Gaumen-
segel gehoben und der Stimmton aufgegeben, also ein Teil
der /-Artikulation vorausgenommen. Der so entstehende
gutturale Verschlusslaut ist von kurzer Dauer, lotjtj kfqar
lange vor.
4. Gutturale und Dentale, k, g und s. s ist hier ein
wenig weiter rückwärts artikuliert als in der Stellung
zwischen andern Lauten. Die Färbung des Geräusches liegt
eine Stufe gegen s hin, doch ist es immer noch deutlich als s
gefühlt, qksh Achsel, i sqks ich sage es. Die Ursache ist
die Zusammenzielmng der Zunge nach rückwärts bei der
Bildung des gutturalen Verschlusslautes, sie wird für die
»-Bildung nicht in die Lage der reinen »-Artikulation vor-
geschoben. k, g und l. I ist hier am Gaumen gebildet, der
Zungen Verschluss des g wird bloss seitlich gelöst. Doch
fühlt man bei kl, dass sich mit der seitlichen Öffnung auch
der hintere verschlussbildende Teil des Zungenrückens vom
Gaumen entfernt,; der vordere bleibt in seiner Stellung. Bei
tjtj und 5 entsteht ein k in gleicher Weise wie t in nnts aus
*ns. otjtjks! Angst, he linkst hängst, i pritjtjk. sun ich bringo
schon. Bei der Verbindung tjtj und s erscheint dieses k
wohl im festen Wortkörper nicht aber im Satze: lotjksom
langsam, aber i prhjtj s» ich bringe sie. Wahrscheinlich hat
sich das g im ersten Falle erhalten in der Fügung ngs (als
/.»); ks ist dann als l’rodukt etymologischer Entwicklung,
Digitized by Google
19
nicht, phonetischer Faktoren anzusehen, n wird nach k und
g zu t]. in wöigtjQy dem Wege nach, nqitkn neige ihn.
5. Dentale und Labiale. Die dentalen Verschlusslaute
t, d, n werden zu labialen vor den Lippenlauten p, m und
vor /. — Natürlich treten dann die Modifikationen ein,
welche oben § 23 erörtert wurden: or hqt pqld wird zu ar
hop pqld er hat bald; a hompfoü aus » hont foll eine Hand
voll, SnaidapmS aus snaidat ins schneidet man, grqpinni kyemma
gerade bin ich gekommen, aus gröd pinnt; <> röid fiara wird
zu » röip fiara eine Rede führen ; a somhmqyya aus 9 sond
mqyya eine Schande machen. Hier und in hompfoll haben
wir Beispiele, welche zeigen wie intensiv diese Assimilation
ist; alle voraufgehenden dentalen Verschlusslaute werden
zu labialen; wenn fqrst wird zu tremm fqrst wann fährst
du? i hont) prQyt zu i komm jnqyt ich habe gebracht, i
pinn mit gwöst zu i pim mit gwöst ich bin mit gewesen.
(i. Dentale und Gutturale, t, d, n werden vor k, g zu
k, g, tj : furt gilt zu ftirk kta fort gehen, gwont kyqsta zu
gtvotjk kyqsta „Gewand Kasten“ Kleiderkasten, untars rqk
kyemma aus rqd ky unter das Rad kommen.
Anm. 1. Es muss erwähnt werdon, dass bei der Verbindung
ms sieb kein /i als Übcrgangslaut einstellt, sondern direkter Übergang
bestellt: »mH , nicht impsl , Inist: tyimis kämest du ; die Schreibung „Imst 1 “
kam erst im vorigen Jahrhundert zur Geltung. Früher findet man
immer Vmbst geschrieben ( Ymbxt). Wahrscheinlich wurde der Über-
gungslaut auch gesprochen. Für mt, yt herrscht heute direkter Über-
gang. kyimt kommt (ahd. quimit), styl singt, um) Amt, hoyl hangt.
t wird hier immer beibchalten, auch bei pt im Auslaut: löpt lebt, i/rqpt
gräbt. Viele bairische Mn. haben mpt (mp), ykt (»_)/•' ), p für mt, yt, pt,
vgl. Wcinhold, bnir. Gramm, § 122. 143.
Anm. 2. Der Hauchlaut h wird zu y, wenn er im Satze sich an
ein y anschliesst: » hüy yqa ich leihe her, mityyqfi Milchhafen, nufy
striky yeyya auf den Strick hängen.
b) Änderung der Artikulationsstärke.
§ 25. Für die stimmlosen Konsonanten sind die Stärke-
abstufungen, wie sie sich zwischen Sonoren und im Auslaut
zeigen, oben § 14 — 19 erörtert worden. — Für die Berüh-
rung stimmloser Laute im Worte oder im Satzgefüge gilt
2 *
Digitized by Google
20
das Gesetz: Treten Verschlusslaute aneinander, so haben sie die
volle Fortisstärke. Die Lenes werden also, sowohl wenn sie mit
Fortes, als wenn sie mit Lenes Zusammentreffen, zu Fortes.
Treten Reibelaute mit Verschluss- oder Reibelauten zusammen,
so ist ihre Artikulation um ein geringes schwächer als die
der Fortes; dieselbe leise Schwächung haben die Verschluss-
laute. Nur homorgane Spiranten (f und f, s und s, s und s)
ergeben volle Fortes. (Vgl. Sievers § 175, Housler, Alem.
Kons. d. Ma. v. Basel-Stadt S. 24, Kauffinann. Geschichte
d. scliwäb. Ma. S. 11. A. 3, Schild, Brienzer Ma. I. S. 31).
kytiqppan tqur knapp beim Tore, riptqal Ripp(en)teil, tsruk
pritjyo zurück bringen, löptig lebendig und Lebtag, frqkt
fragt, rött redet, or hakkqaro aus or hat gquro er hätte gern,
xi söittors aus st siiil dar 8 sie sagt dirs (söit mhd. seit),
trqkpqr tragbar, Tragbahre, tsrvktetjkyo aus tsruk detjkyo
zurückdenken, dräkkqro „Drahtgarn“, gedrehtes Garn, iiiqki
Magd, jqkt Jagd, i gip tor (i gib dar) ich gebe dir, grqt tury
(grqd dnry) gerade durch, stiaik kuot (snaid guot) schneide
gut, 3r hqp kqr ( hqb gqr) er habe gar, futjkkrimtta Fund-
grube.
Für- die Verbindung von Verschlusslaut und Reibelaut
sind die Affrikaten an erster Stelle zu nennen, pf, ts , ky.
hupf a hüpfen, slqupfo Fahrzeug, das am Boden schleift (zu
mhd. sleipfen), sitso sitzen, uqatsa Weizen, sqky Sack, prokya
Brocken. Es ist ein leiser Unterschied in der Energie der
Lautbildung zu bemerken zwischen p in Iqapo übrig lassen,
(*laibjan) und jenem in Slqupfo. Im ersten Falle haben wir
volle Fortis, im zweiten ist zwar auch Fortis aber die Arti-
kulation ist nicht ganz so energisch. Ebenso verhält es
sich mit / in slqapfo und der vollen Fortis ff in Strqaffo
streifen (mhd. streifen , streipfen). Das Gleiche gilt für alle
Verbindungen mit Verschlusslauten, Lenis und Fortis. Vgl.
an Beispielen: stompfo stampfen, sumpf Sumpf, loupfbro Laub
führen, group/ah grob fehlen , plqpförtro blau färben (plöb
blau), in tropf qro im Trabe fahren, (trqp Trab), oft oft,
srqpforlioro das Rad verlieren, in houf ki3 in den Hof gehen,
dowöikfjtffüh den Weg verfehlen, gaitsig geizig, hqast heisst,
rqasl reist, pqst Bast, qstig ästig, iröspo Wespe, hqspl Haspel,
Digitized by Goodle
21
nViua/ Radschuh, w ästig wasche dich, wlsparg AViesbcrg,
glqstök/l Glasdeckel (dök/j), tsruksüUw zurücksehen, sqks sage
es, gröskidl Grasgold (Weidegeld), nqypar Nachbar, nmytig
mächtig, inoytig mache dich, nqykiä nachgehen, sraufs schraube
es (iraiifi), lonfsalwor laufe selber (loitff 3 laufen), is krqsfqra
ins Gras fahren, lqsfairqu\>(t) lass Feierabend (Abendgruss),
houfstqt Hofstatt, war/Stqt Werkstatt {war-/), flaiSfarwig fleisch-
farbig, nqysötsa nachsetzen, dur/saina durchscheinen, wassqal
Wäscheseil.
Bei der Verbindung homorganer Reibelaute erscheint
volle Fortis. In as ist haus und houffarprunna, es ist Haus
und Hof verbrannt, hat ff dieselbe Stärke wie in louffa
laufen; shaussua/a, das Haus suchen, ss ist gleich wie in
aussa hinaus. Die leise Schwächung der Verschlussfortis in
der Verbindung mit Spiranten tritt nicht ein, wenn zwei
Fortes vor einem Reibelaut zu stehen kommen. Sie be-
halten ihre volle Stärke, die Lenes werden zu vollen Fortes.
In tsrukk/emma zurückkommen, slqltsaü Zaun um ein Holz-
schlag, hqlptsu» halb zu, hat k, p dieselbe Stärke wie in
tsruktiä zurücktun, hqlptoü halbgetan. Zwischen dem y in
loupk/ouffa Laub kaufen, und in qkyouffa abkaufen (q —
ab) besteht kein Unterschied, wohl aber zwischen k in beiden
Beispielen.
§ 20. In der Stellung nach Pause, also im Anfänge
eines Satzes oder Satzteiles, wird jeder stimmlose Kon-
sonant .als Fortis gesprochen. Die Verschlusslenes d, g er-
scheinen in dieser Stellung als t, k. — Lenis l> kommt im
Wortanlaut nicht vor; dafür steht p: tcijky nqy denke nach,
i deijky nq ■/ ich denke nach, tq dunto da drunten, tunta dq
laits drunten da liegt es, tar fqtar issas der Vater ist es,
i od.tr dar fqtar ? Ich oder der Vater? töis tua das tue, tua
döis tue das, ktbhqu gib her, kcn gibips geh gib ihm’s, trur
gqut der geht; im Wortanlaut fehlt Fortis k. fför iats fahre
jetzt, mar fqra wir fahren, jfriaar grats it früher gehts
nicht, wia fria ? wie früh ? ssQgmars sage mir’s, lern sqks geh
sage es.
Um den Grund dieses Satzanlautgesetzes zu erkennen,
muss auch das Verhalten der Sonorkonsonanten und der
Digitized by Google
22
Vokale nach Pause berücksichtigt werden. Vgl. mi.ir miosss
wir müssen, na ina wearts sai neun Uhr wird’s sein, kt.tsn-
louffa lass ihn laufen, rrar it weine nicht (mhd. riren), jöjö
jaja, tron wilhr? was will er V urar wqas ? wer weissV Die
tn, ft, l, r, j, w im Satzanlaut, sind unter erheblich stärkerem
Ausatmungsdruck gebildet als die inlautenden. Demgemäss
ist auch die Einstellung der Artikulationsorgane energischer.
Ein Vergleich mit den inlautenden Fortes mm, nn, ll, rr
kann nicht gemacht werden, da diese von dern voraus-
gehenden Vokale abhängig sind (§ 20). Bei den betonten
Vokalen ist es schwer genaues zu beobachten; sie haben als
Silbenträger immer den stärksten Exspirationsdruck. Doch
glaube ich im absoluten Anlaut einen etwas stärkeren Ex-
spirationsdruck wahrzunehmen als im Satzinnern : öiuxi eben,
und piöiw.i ganz eben (bi eben). Merklich stärker ist er
bei schwachtonigen Vokalen: ar hot er hat, und hqttor hat
er: das satzanlautende o ist energischer gebildet als das
der Nebensilbe. Vor allem aber zeigt den stärkeren Aus-
atmungsdruck im Satzanlaut h. ln haus und liouf Haus
und Hof, ist das h von haus viel energischer gehaucht als
das von houf. Hier kann von einem Fortis-Hauch gesprochen
werden. Die Ma. beginnt also den Satz mit starker Exspira-
tion. Nun ist für die Lenes der Ma. eben der schwache
Ausatmungsdruck massgebend, die übrigen Faktoren, Energie
der Artikulationsstellung und Dauer, hängen davon ab. (Vgl.
§ 14—20). Die stimmlosen Lenes müssen also im Satzanlaut
zu Fortes werden.
An m. Ich unterlasse es die Verstärkungen der Lenes durch
die Schreibung widerzugeben. In dieser Arbeit handelt es sich Imupt-
sächlich um dos Ginzelwort und es würde die Deutlichkeit wesentlich
beeinträchtigen, wollte man z B. die verstärkten Keibelenes durch Doppel-
schreibung bezeichnen.
Heusler hat a. a. 0. S. 27 A. die Schreibweise Notkers
für den Inlaut nach den schweizerischen Maa. erklärt. Da
die Imster Ma. — und mit ihr das westliche Oberinntal
mit seinen Nebentälern (die Ostgrenze vermag ich nicht
genau anzugeben) ebenso auch das bair.-österr. Lechtal —
den Wandel der Lenes zu Fortes auch im Satzanlaut auf-
Digitized by Google
23
weist, liegt es nahe diese Aussprache auch für die Ma.
Notkers vorauszusetzen. Heute ist das Satzanlautgesetz im
St. Gallischen nicht mehr wirksam. — Heuslers Annahme,
dass Notker für den Satzanlaut einem traditionellen Schreib-
gebrauch gefolgt sei, a. a. 0. und Anz. f. d. A. 19, 43 f.
kann nicht richtig sein, da Notker doch im Inlaut aus
phonetischen Gründen von der überlieferten Schreibweise
abweicht. Wäre die Aussprache der Lenes im Satzanlaut
in Notkers Ma. nicht eine andere gewesen als die nach
Sonoren, so würde er gewiss nicht das Zeichen der Fortes
dafür geschrieben haben. An letzterer Stelle hat Heusler
daneben die Möglichkeit offen gelassen, dass in Notkers
Sprache im Satzanlaut starker Nachdruck geherrscht habe.
In der Ma. von Imst ist das der Fall und diese Vermutung
Heuslers ist die einzig richtige Erklärung der Vertretung
von b, d, g, (c) durch p, t, k, (/) im Satzanlaute.
Bei dieser Ansicht über den Wandel von b, <1, g, (c) zu
p, t, k, (/) in Notkers Schriften (und den wenigen Spuren
bei andern) wird vorausgesetzt, dass die obd. b, d, g , («)
im Ahd. stimmlose Lenes gewesen sind. Was in neuester
Zeit Wilmanns, Deutsche Gr. S. 52 f. für die Stimmhaftig-
keit von b, d, g vorbringt, kann nicht überzeugend genannt
werden. In der Sprache Notkers ist z. B. t (aus germ. d)
gewiss stimmlose Fortis; wenn nun d (aus germ. J>) im
Anlaut und nach Stimmlosen als t geschrieben wird, so
muss d in dieser Stellung doch eine Verstärkung zur Fortis
erlitten haben. Wäre t hier nur das Zeichen für die stimm-
lose Lenis, so müsste man annehmen, dass Notker dadurch
zwischen stimmhafter und stimmloser ‘Media’ unterschieden
hätte. Nun ist aber für einen phonetisch nicht Geschulten,
der vorurteilslos beobachtet, ein solcher war Notker, der
Unterschied zwischen stimmloser Fortis und Lenis bedeutend
grösser und viel leichter wahrnehmbar als der zwischen
stimmloser und stimmhafter ‘Media’ (Lenis). Notker hätte
gewiss nicht für zwei so weit von einander abstehende
Laute, wie es stimmlose Fortis und Lenis sind, dasselbe
Zeichen gebraucht, nur um die stimmlose Lenis von der
durch den Stimmton sich unterscheidenden stimmhaften aus-
Digitized by Google
24
einander zu halten. Der Umstand, dass nur d (gerrn. ]>)
als t erscheint und für t (germ. d) der Wechsel mit d nicht
statt hat, erweist, dass b, d, g für Notker die Normalform
der Laute gewesen sind und nicht p, t, k, wie Braune, ahd.
Gr.' 2 § 103. 1, annehmen will. Die Normalform eines Lautes
zeigt sieh doch da, wo sich seine Artikulation frei ent-
falten kann.
§ 27. Sonore Fortis (//, rr, mm, /in, g/j) kann nur nach
kurzem starktonigem Vokale stehen. Wo diese Bedingung
nicht eintritt, erscheint jede zu erwartende Fortis als Lenis.
Vgl. alun allein, fUui/J vielleicht qlhmql allemale, aber ol/tnol
jedesmal (mit dem Ton auf der letzten Silbe), pämoti aus
pain mo'u beim Manne, tsunemma aus tsun nemma zum nehmen,
damiss» (dar-raissa) zerreissen, forukyt aus f./rrukyt verrückt,
mipmfqfaröida ( mit n fqtar röido ) mit dem Vater reden. Nach
langem starktonigem Vokale : hv'nprt Heinigarten, das v geht
auf tpj aus mg zurück. Vgl. po/jijart Baumgarten mit Kürzung
des Vokals (ö aus ou), grü-mat Grummet (aus gru<mmät(d)),
fqnreyt aus four reyt Vorrecht, flröida aus flr röida vor-
roden (mild, mir reden), kywqlaida aus kytcql luida Qual leiden,
tsahmqyya aus tsmtm mqyya zahm machen, * sämig aus i Säm
mig ich schäme mich.
C. DIE SILBE.
ÜBER DEN 8ILBENBAU.
Der Silbenträger ist der Vokal, in schwachtonigen
Nebensilben kann auch l, m, n, tj als Sonant fungieren (J, w.
n, /}) : k/ittl Kittel, gibrps gib ilim's, i prunyn ich brauche
ihn, sqggs sage ilim’s. Sonantisches r (f) kennt die Ma.
nicht. Wo ein solches zu erwarten wäre, ist immer a vor-
dem r als Silbenträger vorhanden, fqtar Vater, hundart
hundert, mqgardig ? mag er dich ?
§28. Silbentrennung. Die Ma. hat nur Drucksilben,
der Ausatniungsdruck beim Übergange von einer Silbe zur
andern ist nicht einheitlich, nicht gleichmässig anwachsend
oder abnehmend, sondern erreicht das Minimum [zwischen
beiden Silben (Sievers § 510 f. 515). Sind die Sonanten
Digitized by Google
— 2R —
zweier Silben durch eine Lenis getrennt, so wird diese zur
Folgesilbe gezogen, sie bat an wachsende Exspiration: glou-toa
glauben, Iw-fa Hafen, nm-ma Name, §Q-da Schaden, löi-sa
lesen, UQ-h zahlen, dia-ne dienen, Stai-ga steigen, tsO-liar
Zähre, ipo-ro sparen, hih-rprt Heimgarten, su-wls Schön-
wies (Dorf), pa-fol-ki> befohlen, ga-dogk/a Gedanke, kxa-lendcr
Kalender, da-rinnara erinnern (dar-), stui-guise Steigeisen,
sQ-dissas schade ist es. Wenn zwei Sonore oder Sonor-
konsonant und stimmlose Lenis zwischen den Silbenträgern
stehen, so gehört der erste der ersten Silbe an, der zweite
(die stl. Lenis) wird zur Folgesilbe gezogen: päm-la Bäum-
lein, stamm-h Stämmlein, tcör-mar wärmer, gwqr-na gewahr
werden, iöl-fa Obstschale (ahd. sceliva), guUdo Gulden, mqr-ga
Morgen, k/öl-war Kälber, halm-la „Hälmlein“, han-s] Hansel,
pem-s l Pinsel. Stimmlose Lenis und Sonorkonsonant werden
entweder zur zweiten Silbe gezogen, oder die stimmlose
Lenis bildet den Schluss der ersten Silbe; beides ist mög-
lich: mäd-la und mä-dh Mädchen, haf-nor und ha-fner Hafner,
liab-lig und lia-blig lieblich, lous-na und lou-sna horchen (ahd.
losen), griXs-h und gra-sh Gräslein, gröid-nar und gröi-dnar
Grödner, frng-la und frd-gla ausforschen (ahd. *frdgilon),
luug-ga und lau-grp läugnen. Die Fortes sind zwischen
stimmhaften Lauten immer Geminaten (ausser im Anlaute
einer Starktonsilbe, der eine schwachtonige vorangeht): rqp-pa
Raben, hit-ta Hütte, ruk-ka Rücken, hof-fa hoffen, ös-sa
essen, wus-sa waschen, Iqx-X 9 lachen, fql-la fallen, spör-ra
sperren, stem-ma stemmen , sig-tp singen , ton-na Tanne.
Natürlich ist die Artikulation einheitlich, die Diskontinuität
des Ausatmungsdruckes ist aber deutlich wahrnehmbar.
Auch nach langem Vokal und nach stimmhaften Konsonanten
( l , r, m, n, g) ist die Fortis Geminata. Der Wechsel in der
Ausatinungsstärke während der Dauer der Fortisartikulation
ist hier nicht deutlich wahrnehmbar, aber sicher ist, dass
der Einsatz der Fortis noch der ersten Silbe angehört. Die
Fortis nach kurzem Vokal setzt mit der vollen Exspirations-
stärke ein; diese ist nach langem Vokal beim Einsätze der
Fortis bereits abgeschwächt, weshalb auch der Absatz be-
deutend stärker ins Gehör fällt. Dass in früherer Zeit nicht
Digitized by Google
26
jede Fortis in dieser Stellung auch Geniinata war, beweisen
die Dehnungen des Stammvokals vor t ; vor g, k , ff, ss, yy
ist die Kürze immer erhalten geblieben. Inlautendes t war
einfache Fortis, p, k waren Geminaten (aus westgerm. bb,
yg). kylnup-pa klauben, buf-fa laufen, fqt-tar Vater, grias-sa
grüssen, flaiä-sig fleischig, nqak-ka neigen, rouy-ya rauchen,
half-fa helfen, gUt-tig giltig, rapk-kb ringen (im Scherz),
uiry-yj weben (mild, urnrken), tsqay-ym zeichnen, gqas-sh
Geissei, slaqk-ty Schlingel. Hei Attributen fällt die Druck-
grenze in den Verschlusslaut: hup-pfa hüpfen, sit-tsa sitzen,
hqk-kyo hacken, wqat-tsa Weizen, tqak-kyla anlocken, stomp- pfa
stampfen, wint-tsig winzig, do/k-kya denken. Sind die Silben-
träger durch zwei stimmlose Verschlusslaute oder durch stimm-
lose Spirans und Verschlusslaut getrennt, so fällt die Silben-
grenze zwischen beide: löp-tar lebt er, mqk-tatfbm Magdalena,
liöf-ta heften, qä-tig ästig, may-tig mächtig, nqy-par Nach-
bar, tcös-pa Wespe. Vgl. auch nqy-tlqg.fr Nachtlager, mqs-pfTy
Mastvieh, gars-ta Gerste, hqlf-tara Halfter. Für den Satz
gelten selbstverständlich alle die Angaben wie für das Wort.
ar hqt-tns-salt-tdu er hat ihm’s selbst getan, a-sis-touk-kyuak-
kyra-ra-phwa cs ist auch kein Kern geblieben, wqs-mqy-
yi-gq-toor wen-nöis-niy-tqr-wa-tat ? (auch ii:q-smoy-yi-yq-war
tcen-nöi-sniy-tqr-wa-tat) , was mache ich aber, wenn ihr
nichts arbeitet, niy-kyon-nik-tta nichts kann ich tun.
§29. Silbenbetonung. Die Exspiration einer Silbe
ist beim normalen Sprechen einheitlich ; sie hat ihre grösste
Stärke im Silbenträger und sinkt von da gleichmässig bis
zum Schlüsse der Silbe; hqss Hass: Die Exspiration steigt
rasch, erreicht in q den Höhepunkt und verliert sich, immer
schwächer werdend, beim Absätze des ss. In tqg Tag, sqd
schade, yrqb Grab, ist das Aufhören der Exspiration beim
Absätze des g, d, b deutlich vernehmbar, ohne dass dieser
etwa fest oder gehaucht wäre. Am Beginne des q hat die
Exspiration die grösste Stärke, das Sinken ist von da an
gleichmässig durch das og, qd, qb hindurch. Der exspira-
torische Silbenaccent der Ma. ist einheitlich also eingipfelig
(Sievers 542), Zweigipfelige Silbenbetonung fehlt der nor-
malen Sprechweise; nur wenn ein starktoniges, einsilbiges
Digitized by Google
27
Wort mit Nachdruck gebraucht wird tritt sie ein: jqq, un-
williges 'ja’ (gleich: ich höre es ja, sei nicht so lästig), wüo
starkbetontes 'wie' gleich nhd. „Wie, lass mich ungeschoren“
oder ähnlich.
Für starktonige Silben gilt die Regel, dass kurze
Vokale den stark geschnittenen Silbenaccent haben, lange
den schwach geschnittenen. Lange Vokale haben nur aus-
nahmsweise, wenn ein Wort besonders scharf markiert
werden soll, den stark geschnittenen Accent. Die Exspira-
tion hält dann in gleicher Stärke durch den ganzen Sonanten
hindurch an. In nebentonigen Silben können auch kurze
Vokale den schwach geschnittenen Accent haben. Vgl. nimm
nimm, sqtt satt, öss,> essen, Iqyyo lachen, im ihm, not Nat,
löiso lesen , prQxö brach machen, filalyt vielleicht, sgldqt Soldat,
Iqgksum (auch lötjksömm) langsam, trynutj (reyni'ujij) Rechnung.
Der tonische Silbenaccent lässt sich schwer von der Be-
handlung des tonischen Satzaccentes loslösen, da die tonische
Accentuierung einer Silbe stets von ihrer Stellung im Satze
und, falls sie als selbständiger Satz fungiert, von der logischen
Art des Satzes abhängig ist.
§30. Silbenlänge. Ausser den auf Vokal auslautenden
auch bei normalem Sprechen mit dem scharf geschnittenen
Accent versehenen Interjektionen wie dq da (schau), s6 hier
nimm (sieh), d ach, ach was, kennt die Mundart nur lange
starktonige Silben. Ist der Vokal kurz , so erscheint die
Konsonanz lang. Vgl. wohl wohl, wöll ja.
Abstufungen in der Länge starktoniger Silben lassen
sich nicht erkennen, wenigstens nicht ohne experimentelle
Messungen, woul und woll beanspruchen dieselbe Dauer.
söd schade, und sQdd schaden : söd und sq-(do) haben gleiche
Quantität. In Beispielen wie gold Gold, hqlt halt, parg
Berg, hqrt hart, [und Fund, hunt Hund, haben Id und
U, rg und rt, nd und nt dieselbe Quantität. Nach dem
Silbenaccentgesetze (Sievers 560 f.) ist, da diese Wörter den
starkgeschnittenen Accent haben, zu erwarten, dass l, r, n
als Fortes auftreten. Wie schon oben § 20 angedeutet
wurde, fällt ein Teil der Dauer der Fortis l, r, n dem t zu,
Digitized by Google
28
nur wenn Lenis folgt, haben die Sonorkonsonanten nahezu
dieselbe Dauer wie als Fortes zwischen Vokalen.
Abstufungen in der Quantität langer Vokale kommen
vor. Q in rot Rat , ist dehnbar (also lang) aber nicht so
lang wie Q in rqd Itad. Die Länge der ganzen Silbe ist
bei beiden dieselbe; was in rqt das 5 kürzer ist, kommt der
Dauer des t zu gute; die Dauer des d in rqd ist gering,
folglich q länger.
D. ZUR KENNTNIS DES EXSPIRATORI8CHEN WORT-
UND SATZACCENTES.
§ 81. Hierüber können die Angaben nur allgemeiner
Art sein, da die Stärkeabstufungen der einzelnen Glieder
untereinander sich nach dem blossen Gehör nicht mit der
Genauigkeit bestimmen lassen, welche für eine eingehende
Behandlung dieses Abschnittes wünschenswert wäre. Am
kräftigsten ist die Ausatmung bei der Erzeugung der logisch
bedeutsamsten Silbe des Wortes. In dotjkypQr dankbar, hat
dotjky den Starkton, schwächer, aber noch immerhin kräftig
ist die Exspiration in pqr. In hailig hat hat den Starkton,
lig einen Nebenton, der schwächer ist als der von por.
In söiho sehen hat söi den Starkton, ho ist schwach ge-
bildet. In diesen drei Wörtern liegen vier Stärkeabstufungen
des Accentes vor. Die Stammsilben tragen den Starkton,
die Accentierung von pqr und lig kann nebentonig genannt
werden , pqr hat starken Nebenton , lig schwachen ; die
Silbe ho hat den Schwachton. Die Abstufungen sind deut-
lich, der Stärkeabstand von söi und ho sehr gross. In dem
Worte umfqll» Umfallen, ist das Verhältnis in der Aecen-
tuierung von fol und h ziemlich dasselbe wie in söi-ho, wil-
lst aber stärker gebildet als fql, es gibt also auch Ab-
stufungen von starktonigen Silben. (Vgl. auch Sievers 613).
In der Zusammensetzung von dotjky, pqr und kyait hat die
erste Silbe dotjky den Starkton, kyait ist erheblich schwächer,
am schwächsten ist pqr, jedoch stärker als ho in söiho, lo
in umfollo ; es stellt sich dem lig im isolierten hailig gleich,
hat schwachen Nebenton. dotjky pqr kyait Dankbarkeit (1 =
1 3 2
Digitized by Google
29
Starkton, 2 = starker Nebenton): Silben mit starkem Neben-
ton können eine Schwächung der Accontuierung erleiden,
wenn sie vor einer stärker betonten zu stehen kommen.
In hailigapiltar, Heiligenbilder ist -U- stärker betont als
-g»; der Unterschied ist nicht gross; in thailig 9 farqara die
Heiligen verehren, verliert -li- den Nebenton zu Gunsten
des -y». Silben mit schwachem Nebenton können in der
rhythmischen Gliederung des Satzes den Nebenton an eine
im isolierten Wortkörper schwaehtonige Silbe abgeben und
sinken zum Schwachton herab. In rexnut} Rechnung, hat
iitj starken Nebenton : tre/nut p tsqta die Rechnungen zahlen,
I*' 2 4 lb 4
tre/nui}* farprenna die Rechnungen verbrennen. Der starke
l»’ 2 4 4 lb 4
Nebenton bleibt einer Silbe erhalten , wo ferne nicht die
darauffolgende Silbe stärker betont ist. Vgl. donkxpQrk/ait
I 3 2
und trexnui) tsqla die Rechnung zahlen, wo uu nur schwachen
U ' 3 lb
Nebenton hat. — - Silben, die sonst den Nebenton haben,
können vor einer stärker betonten völlig schwachtonig werden.
qaudkxait neben eaunk/ait Ewigkeit; vgl. wnatswüatsk ein
14 2 1 3 ' 2 14 2
und zwanzig.
Dieselben Verhältnisse hat die Ma. im Satze, mqrga
2
muss | qls a dar \ qrwat \ sai Morgen muss alles an der Arbeit
1b lb 2
sein. Die Starktonsilben des 1. und 4. Taktes mqr und sai
sind etwa gleich stark, erheblich stärker ist dagegen qls
und qr-, letzteres etwas schwächer, muss sinkt hier vor
dem am stärksten accentuierten qls zu einer Schwachton-
silbe herab und wird in solchen Fällen oft auch als mas
mit einem «-artig klingenden a gesprochen. — Starktonig
ist es in mqrya muass ar gia morgen muss er gehen,
wenngleich die logische Bedeutung dieselbe ist, wie im
ersten Satze, hqt ma | u i dar \ ferStaigarut} | ni/t far \ k/ouft?
2 4 (8| 4 4 2 4 4 1» 4 lb.
Hat man in der Versteigerung nichts verkauft? — Den
Satzstarkton hat ni/t ; am nächsten steht k/ouft. Mit diesen
verglichen haben hqt und stai- nur starken Nebenton, sind
aber in ihren Satztakten die dominierenden Starktöno. un
Digitized by Google
30
stellt auf derselben Stufe wie /»r. Diese Schwächung des
Nebentones vor Starkton ist die Ursache, dass das Suffix
-W] auch als iij, ig erscheint: ist tlqa-sig gu»t? Ist die
„Losung“ (der Erlös) gut? tsaitig löis» die Zeitung lesen.
ig für ug ist heute noch an diese Bedingungen geknüpft,
aber der Anstoss zu einem Wandel des Suffixes - ui j zu ig
ist dadurch gegeben, ist tf»r stai | gerutj | firpai ? Ist die
2 lb 2 la
Versteigerung vorbei? Hier hat inj den starken Nehenton.
— Von diesem Gesichtspunkte aus wird sich auch der Schwund
des mhd. tu im Artikel Fern. Sgl. und Neutr. Flur, erklären
lassen, da sonst auslautendes -iu nie schwindet. Er erscheint
heute als t. Betonungen, wie die bei Sievers 612 ange-
führte Iconstantinopel, oder im Satzgefüge 616 forlesutj sind
1 2 1 13 2
der Ma. nicht geläufig. Man spricht k/onStantinopl und
fl* 2 3 la
qhondlup Abhandlung. Schwere Nebensilben sind heute die,
1 2 3
welche die vollen Vokale erhalten haben, som, fndsom fried-
sam, pqr, saipqr scheinbar, hqft, sQdhq/t schadhaft, sqfl
faitsQß Feindschaft, -nn, -hait, ksunthait Gesundheit, -k/nit
u. a. — Dass man aus der Erhaltung ihrer vollen Vokale
nicht unbedingt auf die Accentverhältnisse in einer frühem
Zeit allgemein schliessen darf, zeigen Beispiele, wie qrtctt
Arbeit, hgatsst Hochzeit, kyropkyßt Krankheit, qrm»t Armut,
nqxpsv Nachbar. Schwächere Nebensilben der heutigen Ma.
sind die mit /-Vokal; in Adjektiven auf -ig (ahd. ig, ag, ug)
auf -Mg (mhd. lieh) auf -iS, Substantiven auf ig, lig : süntig
Sonntag, Snitlig Schnittlauch, hampflig Hänfling u. a. Der
schwache Accent gehört den Silben mit -»-Vokal an. Reihen
sich im Worte und Satze mehrere solche aneinander, so
kann eine etwas stärker accentuiert werden als die um-
gebenden : i ddr k/onnmr,) farstökyß in der Kammer ver-
3 4 la 4 3 4 Ib *4
stecken. Nur in der ma. Metrik kann auch ein » den Stark-
ton haben: hossl », hossb, rait » (schaukeln, schaukeln, reiten),
la 4 lb 4 la lb~
kens ku gsnopfar ( t gens gb) die Gänse gehen zum (gegen)
la lb la lb
Opfer, (x x, x x, *, x und *, x x).
Digitized by Google
31
E. ZUR KENNTNIS DES TONISCHEN WORT- UND
SATZACCENTES.
§ 32. Die Behandlung des tonischen Accentes ist eine
der schwierigsten Aufgaben für die Maa.-Erforschung. Der
Beobachter ist sehr leicht geneigt, seine eigene Aussprache;
als wirklich mundartliche Eigenheit anzusehen ; aber gerade
der tonische Accent wird am leichtesten abgestreift, wenn
man einmal längere Zeit sich der Schriftsprache bedient
hat. Die folgenden Beobachtungen sind alle aus dem
Volksmunde geschöpft und wiederholt durchgeprüft. Im
Aussagesatz trägt die Starktonsilbe eines Taktes den Hoch-
ton; die schwach accentuierten Silben sind im allgemeinen
um V/i bis 3 Töne tiefer als die starktonige. Je schwächer
der exspiratorische Accent einer Schwachtonsilbe ist, um so
tiefer ist der musikalische. Doch sind die Intervalle zwischen
den Schwachtonsilben nicht grösser als etwa '/-j Ton.
tnqrg t röigqats morgen regnet es.
e es g es
rät hat den Stark- und Hochton.
iats ist »r dq jetzt ist er da; der Starkton ist auf dö.
es e es y
dqur Hiss der ist es, mit dem Starkton auf iss-,
e y es{d)
dqar issss der ist es; der Starkton ruht auf diytr.
g e cs
Steht die Starktonsilbe ani Schlüsse eines Aussage-
satzes, so kann sie, wenn ihr Sonant lang ist, einen Doppel-
ton haben; derselbe ist stets fallend (Terz bis Quart).
döis tusts das thut’s.
e g~d
9r hqt gör er hat gar.
e e(es)g~es.
Reihen sich in einem Satze mehrere Takte aneinander,
so hat der am stärksten accentuierte den Hochton; die ihm
untergeordneten Takte stehen zu ihm in demselben Ver-
hältnis wie die sch wach tonigen Silben eines Taktes zu ihrer
Hauptsilbe. Der tonische Accent der Silben eines Neben-
Digitized by Google
32
taktes ist schwebend zu nennen, die Intervalle betragen
etwa einen halben Ton.
si frq | g» ni/t ] d»rnQ/ sie fragen nichts darnach,
es e es g e es
düis | gqat | nimm» das geht nicht mehr.
e es yd
dq ist tsuig | gqusg da ist Zeug genug.
e d(es) es g~d
»s ist | hqlw» | tswölf » es ist halb zwölf (Uhr).
es e es d g d
tswünig und | tsfll | ist snqrr» teil
e es d g e g e es
zu wenig und zu viel ist des Narren Ziel.
es mues sät es muss sein; es muss säi.
es e y~es es g d
hdid ist 9 r ou wid»r in wqid gtröst
e es d g es d — es d
heute ist er auch wieder im Walde gewesen.
mit soln» lait k/onnm» ni/t duforjq»
es e es e es g e d des
mit solchen Leuten kann man nichts anfangen.
tmaur» nist utnkfqlh die Mauer ist umgefallen.
g e es f e es
i glops it gqar » ich glaube es nicht gerne.
es e g d des
mqrg » irqar» töpfj. fu dem » drai pem prok/t
e - es - e - es g e es e d
Morgen werden die Apfel von diesen drei Bäumen
gepflückt.
Auch bei der parataktischen Verbindung zweier Aus-
sagesätze hat der stärkste Takt den Hochton. Im ersten
Gliedo tritt, wenn dem Starktone noch Silbenfolgen (schwach-
tonige und Satztakte) ebener Ton ein bis zum Schlüsse des
ersten Satzes; das zweite Glied wird wie der einfache Satz
behandelt.
i»ts gqa ig tsun prunn» n und houl » wqsssr
es e es d g g es f e g d
jetzt gehe ich zum Brunnen und hole (ein) Wasser
Digitized by Google
- 33
fargössats it | und k/emmat pqld
es g e es es g e es
vergosst es nicht und kommet bald.
i gotjy sua | qwar 9s ist tüptU
es g g es - - d g
ich gienge schon, aber es ist zu spät.
»r hqt da hunt gsöih 9 j drum ist ar it pliwa
es e es g g g(d) es e es d g d
er hat den Hund gesehen, darum ist er nicht geblieben.
Im Befehlsatze herrschen dieselben Verhältnisse wie
in der Aussage. Der tonische Accent ist mit dem exspira-
torischen verbunden. Je stärker dieser ist, desto höher ist
jener. Die Intervalle sind häufiger Quart (manchmal auch
V* Ton darüber) als Terz. Vielfach sind im Befehlsatze die
exspiratorischen Accente schärfer markiert als in der Aus-
sage. Der Exspirationsdruck ist durch die ganze stark-
tonige Silbe hindurch energisch (scharf geschnittene lange
Vokale); der tonische Accent kommt deshalb im Befehl-
satze bei solchen Silben mehr zur Geltung. Öfter ist auch
mit dem Befehlsatze höhere Stimmlage verbunden (etwa um
einen halben Ton). Vgl.
i raum tstüic 9 n au ich räume die Stube auf.
es e g es d
raum tstüw» u au, als Befehl aber auch:
e g es d
ges a Je
gqa in wqld | und houl a liolts
e es g es e es g(ges)
geh in den Wald und hole (ein) Holz.
holdst da wqga hqu und löigat nq/j(9 n au
e es dg ges g es e es e(es) es g
holet den Wagen her und leget dann (nachher) auf.
Auch hier ist wie beim Aussagesatz ebener Ton von
der stärkstbetonten Silbe des ersten Satzes bis zum Schlüsse.
FRAGESÄTZE.
Besteht ein Fragesatz nur aus einem Satztakte, so
kann dieser einsilbig sein, ictis? was? Die Silbe ist exspira-
Schatz, Die Mundart von Imst. 3
Digitized by Google
34
torisch eingipfelig, hat aber einen musikalischen Doppelten
in aufsteigender Folge. Der Unterschied der beiden Töne
beträgt zum mindesten eine Terz; in der normalen Sprech-
weise mag der Gebrauch eines Tonunterschiedes von einer
grossen und kleinen Terz gleichwertig sein. wQs ?
e~g oder e~as.
Dieser Doppelton der einsilbigen Frage ist nicht auf die
Schallfülle der Silbe beschränkt, da er auch Wörtern zu-
kommt, deren kurzer Vokal zwischen stimmlosen Konso-
nanten steht. piä? bist du? tsukyst ? zuckst du? gqats ? geht es?
e~as e~as e~g
Gehen der doppoltonigon Silbe Nebensilben voran, so gilt,
die Kegel: Die unmittelbar vor der Starktonsilbe stehende
ist etwa */- Ton tiefer als der erste Ton jener.
icos willst ? was willst du? f »rinnst ? verlierst du.
es e~g es e~as
Gehen mehrere Nebensilben voran, so haben sie ebenen Ton.
qw»r bald? aber heute?
es es e~as
Folgen schwachtonige Silben, so schliessen sie sich, konti-
nuierlich fallend, dem zweiten Tone der Hauptsilbe an.
hqwots? habt ihr? houlsss? holst du's? wöllssss? wollen sie es?
e~g ges e~g ges e~g-ges
Der zweite Ton wird manchmal der Nebensilbe zugeteilt,
wenn der Vokal der Starktonsilbe kurz ist.
istsrs? ist ers? und istsrs ? glop&s du? „glaubst es du“?
e as e~as g e g ges
Wenn vor und nach der Starktonsilbe Nebensilben stehen,
so haben wir eine Kombination der angegebenen Verhält-
nisse. Eben (leise steigend) bis zum ersten Ton der Haupt-
silbe und leise fallend nach derselben.
u>Qs söit ar? wis mqytmss»? Was sagt er? Wie macht man sie?
es e~ g ges es e~g - ges
Besteht der Fragesatz aus mehreren gleich starken Takten,
so hat der erste den Doppelton, der zweite nur einen, den
Hochton des ersten.
wi<> hqast ms döis ? Wie heisst man das ?
es e~ g ges g
Digitized by Google
35
wqar isses gtröst? Wer ist es gewesen?
es K 9 9es g
'[eg
Wenn dem zweiten (letzten) Takte schwachtonige Silben
folgen, sinkt der Ton von der Starksilbe ab um eine Terz
(auch Quart).
wie hqt man k/qass» ? Wie hat man ihn geheissen?
eS {V ^ 9
Haben die Satztakte verschiedene Stärkeabstufung, so kommt
der den Fragesatz charakterisierende Doppeltou dem stärkst
betonten Takte zu, die- andern Takte haben den höliern Ton
dieser doppeltonigen Silbe, wenn sie ihr nachfolgen, den
tiefern, wenn sie vorangehen.
hqwasas kxoult ? Haben sie cs geholt?
e es d e~ g
Iqt ma dig mit? Lässt man dich mit?
e es d e~ g
geqyats öis mqrga n it k/ir/9 ? Gehet ihr Morgen in
, , f e q qes die Kirche?
e es d e es ,
[fas g
liqt dar mölskar sfhiis prq/t? Hat der Metzger das
e es e es e e~g Fleisch gebracht?
saits naxt is wiartshaus gotjija?
es e es e~g ges ges d
Seid ihr gestern ins Wirtshaus gegangen?
wqs wqare sa n öppa widar wolle?
es e~ g - ges ges f ges f g d
Was werden sie etwa wieder wollen?
Wie eng in der Imster Ma. der Hochton mit dem Starkton
verbunden ist, kann man aus der Variation eines Frage-
satzes ersehen.
mqrga ge> mar? Morgen gehen wir?
es~g ges g e
mqrga gd mar? Morgen gehen wir?
e es es~g ges
mqrga gio miar? Morgen gehen wir?
e es d(es) es"~g
3 *
Digitized by Google
36
sa its nayt is wisrtshaus gotjq»?
es g ges f gcs es es c
Seid ihr gestern ins Wirtshaus gegangen?
saits n ay t is Wirtshaus goipjs ?
cs e~g ges g f f d
Seid ihr gestern ins Wirtshaus gegangen?
saits nayt is wisrtshaus g o y g 9 ?
es e es e es eg ges
Seid ihr gestern ins Wirtshaus gegangen?
saits öis nayt is wisrtshaus gonge ? Seid ihr u. s. w.
es e~g ges f ges f f d
Vgl. dazu das Beispiel oben. Für die Doppelfrage ändert
sich die Betonung nicht.
wqar geat \ i \ oder dü? Wer geht, ich oder du?
es e~g g e g
stcast an \ odsr it ? Stehst du auf oder nicht?
es eg es g ?
sui ss n in wold gu'öst odsr a dsr ojb ?
e es d e g ges e - d c g
Sind sie im Walde gewesen oder auf der Alpe?
hqttsr sgalt , odsr musss srs tat Its ?
e g ges , es e es e ~ g ges
Hat er das Geld, oder muss er es leihen?
In hypotaktischen Verbindungen hat auch das am stärksten
accentuierte Wort den Hochton.
wenn gust wöttsr ist , kyonn mss wqgs
e es g ges g e e g d
Wenn gutes Wetter ist, kann man’s wagen.
ss ist qlwig ssou wenn dsr summsr dqhqa kyimt
e g f e e ges f e f e
Er ist immer so, wenn der Sommer daher kommt.
sr hqt gwist dass ss niyt ist (dass ss niyt ist)
es g es f es es - es f
Er hat gewusst, dass es nichts ist.
dass ss ssou kyimt hat nibmst gmu'ot
e es - f f es g e es
Dass es so kommt, hätte niemand gemeint.
Digitized by Google
37
»r rät nimm» wail m»n auslqyt
es e g e es d f d
Er redet nicht mehr, weil man ihn auslacht.
toi» mos traibt so gggts Wie man’s treibt, so geht’s.
e es
J \as e
nu k/onns it qlwig höwo toi» mos grqd me/t
d es e g e es d es d d e
Man kann es nicht immer haben, wie man es gerade möchte.
du muost öss», qars Icy.qlt weart
e es g d es f es
Du musst essen, bevor es kalt wird.
qar geat f qar tsunno n au ist
es e g e es d des
Er geht, bevor die Sonne auf ist.
fqar hat den stärksten Ton des Satzes und deshalb auch den
Hochton.
Digitized by Goo;
II. DIE HISTORISCHE ENTWICKLUNG DER LAUTE.
A. VOKALISMUS DER STARKTONIGEN SILBEN.
.§ 33. Mhd. a erscheint als q, gedehnt als q; vor
Nasalen als ö, gedehnt als um: Iqst Last, sott» Schatten,
Iqttd Latte, nqss nass, roste rasten, fqst fast, rnts Ratte
(mhd. ratze), kyrqts» kratzen, pqrt Bart, kyqrt» Karte, (ter-
pqrms erbarmen, gqrwa Garbe, qrg arg, gqlg» Galgen, polte
Ballen, uqld Wald, kyql w» Kalbin, hqls Hals, k/nqp Knappe,
hofte haften, soff a schaffen, pqxx 9 backen (alid. bahhan),
iivsrnqyte übernachten, k/qyp Kachel, trqyt Tracht, sqky
Sack, wqkks grosser Stein in einem Bache (ahd. tcaggo),
tcqks Wachs; tql Tal, tsqte zahlen, wqs:> Rasen (mhd. icase)
sqda Schaden, Stqdf, Stadel, fqr» fahren, orfig artig, gor gar,
niQr mürbe (ahd. maro), wqte waten, f qter Vater, grqw»
Graben, hofs Hafen, tqlte Tafel, stob Stab, liqg Hag, m Qg»
Magen, §tqh\ Stahl, plqh» Blähe (mhd. blähe), ksmqy Geschmack
(ahd. smah), lotpj lang, tsomp Zange, otpjsr Anger, swogkyjt
schwanken, dotjky Dank, hont Hand, sronts Schranz, tonn »
Tanne, tsond Zahn (ahd. zand), hond \ Handel, homnte Tier-
schenkel (ahd. hamma), fardomt verdammt, stomm Stamm,
kyommdra Kammer, saurompfsr Sauerampfer, lornp Lamm,
du an, moun» mahnen , wo« Mann , hon Hahn , pou Bahn,
noutn 3 Namen, loum lahm, kyrdum Krampf (mhd. kram),
houmtr Hammer, woltmte wimmeln (Ablautbildung).
§ 34. Mhd. ä wurde zu q, gekürzt zu q, vor Nasalen
zu du: qw9t Abend, Sqf Schaf, slqffa schlafen, gab Gabe,
grqf Graf, strqffs strafen, grqt Grat, qter» Natter (mhd.
\
Digitized by Google
39
ndtere), plqtar» Blatter, mqd Mahd, nqdla Nadel, Optp Atem,
plQs» blasen, mos Mass, qs Aas, hör Haar, kfqr Gefahr, mol)
malen, nql» Ahle (mhd. die), frqg» fragen, stcqgar Schwager,
sprQx Sprache, pro/» brachen, dqyt Docht (mhd. ddht), kyrqa
k/rqij» Krähe (ahd. krdwa), war wahr; mdu Mond (Mann,
vgl. § 33) (mhd. mdne), moümt Monat (mhd. mänöt), o7i,
oh» 9 ohne (mhd. dne), spöu Span, todünnniq wahnsinnig,
k/roum»r Krämer (mhd. krdmer), so um» Samen, oumar Be-
gierde (ahd. dmar), jöumar Jammer ( jdmar ), droit m» Dach-
balken (mhd. drüme), Iqss» lassen (mhd. läßen), strqss Strasse
(mhd. strä'ie), nqyy» nachher, dann (mhd. nach-), nqypar
Nachbar (ndchbür), kyrqpf» Krapfen ( krdpfo ).
§ 35. Mhd. a und d sind heute qualitativ nicht von
einander geschieden. Dass auch das kurze mhd. a als q
(bez. als ein weiter rückwärts gebildeter Vokal) erscheint,
kann ein Kennzeichen dieses westlichen Teiles des bairisch-
österreichischen Dialektes gegenüber dem angrenzenden
schwäbisch-alemannischen, welcher die Qualität des mhd.
kurzen a bewahrt hat, genannt werden. (Über die Ent-
sprechung q für a Weinhold, bair. Gr. S. 17. 37). Für die
Imster Ma. ist wieder kennzeichnend, dass a und d dieselbe
Entsprechung q, q, vor Nasalen oii, haben. Sie erstreckt
sich über das ganze Oberinntal und das bairische Lech-
tal und reicht bis in die Nähe von Innsbruck. Auch das
obere Vintschgau hat q für a und ä. In dem Bereiche von
Innsbruck und Meran ist eine Differenzierung zwischen dem
kurz gebliebenen mhd. a und dem gedehnten (<J) und langen
d vorhanden. Vgl. die Angaben bei Maister, die Vokal-
verhältnisse der Ma. im Burggrafenamte, S. 5 f. , die im
wesentlichen auch für Innsbruck gelten. Dem kurzen a
entspricht q wie in Imst, dem gedehnten und langen jedoch
ou mit offenem o, vor Nasalen #5.
Fremdwörter, die erst spät in die Ma. aufgenommen
wurden, haben ihr a bewahrt: watt» Watte, praf brav,
pat»r Pater, Mönch, dp»r aper, schneefrei. (Vgl. Kluge,
etym. Wb. 5 s. v.). Wäre unser Wort urgerm., so müsste
kurzer Vokal herrschen (aus westgerm. *ahl>r- hätte nie
üp»r entstehen können, da vor p nie Dehnung eintritt).
Digitized by Google
40
kspass Spass, sakkere Interjektion aus lat. sacramentum,
mars Marsch, maks Max, martere martern, kyasarm e Kaserne
(ital. casarma , caserma), pal Ball, prakytis praktisch, tawak
Tabak, muss» Masse, sül Shawl, tsatjk linkischer Mensch
(grödner. zanco link), prants Bande, Trupp (frz. brauche )»
laks schlaff (lat. laxus), rar köstlich ( rartis ), grosse Mut
(wälschtirol. curagia) u. a. m.
§ 36. Dem umgelauteten a entspricht in der Ma. ö,
öi im allgemeinen in jenen Wörtern, in denen der Umlaut
bereits im Ahd. durch e bezeichnet wird.
söpfe schöpfen, sröpfe schröpfen, kylöpp e kleben (west-
germ. *klabjan), spinneteöppe Spinne (ahd. spinnaweppi), löffl
Löffel, höfte heften, hä ft Heft, kyröftig kräftig, öpfj, Sgl. u.
PI. Apfel; der Umlaut wurde aus dem Plural *ephli, epliili
(Braune, ahd. Gr. a § 27. 4) in den Sing, übertragen, bez.
der Sing, aphul nach dem Plur. ephili zu aphil ephil umge-
wandelt. höiwe heben, höifomm e Hebamme, höif\ M. Hefe
zum Ansäuern des Teiges (zu *hafjan), söiwig schäbig (zu
schaben), söiwe Hautkrankheit, frohes freuen, fröid Freude
(ahd. freiem, frewida), mild . f röuwen, fröude gehen auf ahd.
frauwen (aus frawwjun) *frauida zurück; lägen diese der
Ma. zu Grunde, müsste man fraij e, fraid, erwarten, wie sie
tatsächlich bereits in Flaurling, 4 Stunden westlich von
Innsbruck, gesprochen werden ( f rain fraid). ströiw e streuen
(ahd. strewen), pöt Bett, wötte wetten, kyättne Kette, f öfter
Vetter, sättige sättigen, rötte retten, glätte glätten, trotte
treten (tradjan Paul, mhd. Gr. 4 § 75), tsöttle Garn zetteln,
frötte fretten (mhd. ereilen), stüemöts Steinmetz, wötse wetzen,
hötse hetzen, sötse setzen, lots schlecht (westgerm. latj- ; zu
ahd. Inf), kyrätse krätzen , ötse ätzen (davon ötstijl Otztal)i
nöts Netz, nötse netzen, zu ‘nass’, mösser Messer, föst fest,
ö sie Esche, lösse löschen (schw. Ztw.), kyästne Kastanie (ahd.
ehestinna), mötsk» metzgen, mäste mästen, prennössle Brenn-
nessel, wöidle wedeln, röide reden, öidl edel, gröide gerado
machen, ois| Esel, Häutige schädigen, löid Bretterzaun an
Wegen, zu Iqde Laden ( *lapja -), stöitig widerspenstig (mhd-
steter), dökye decken, pöky Bäcker (mhd. hecke), wökye wecken’
sök/l Säckel, ßäkye Bodenbrett (zu flach’ *ßakja ?), smökys
\
Digitized by Google
41
schmecken, stük/9 stecken, kyVöky\ h i n reichen, genügen (mhd.
Merken), rök/3 recken, ökk» eggen, Egge, iik Ecke, lökk<> Holz
anfschichten (ahd. lecken ans *lugjan-), wökk » Weck, srök/s
in Schrecken setzen, sröig schräg, löigs legen, kyöigl Kegel ;
öihtr Ähre, ist das einzige Beispiel mit h ; dies hat den
Umlaut nicht gehemmt, (Braune ahd. Gr. § 27. 2c); viel-
leicht gehört slöisl, slöit hierher, wenn nämlich ahd. slehis,
flehit die Grundform ist: möglicherweise trat schon im Ahd.
slegis, slegit dafür ein. das sich dann zu slöist, slöit entwickelt
hätte, wie tröist, tröit (trägst, trägt) aus tregis(t), tregit , söist,
söit (sagst, sagt) aus segis, segit (Braune a. a. 0. § 368. 2),
ksöit, gesagt, aus gisegit, löist, löit, glöit, legst, legt, gelegt,
aus legis, legit, gilegit, das seltene jöist, jöit , gjöit aus jegis,
jegit, gijegit jagst, jagt, gejagt, entstanden sind. Die Ent-
wicklung des öi in diesen Wörtern ist -egi- (mit geschlossenem
e) -eji-, ei (zweisilbig), ei, oi. Dass demnach Reime wie
mhd. breit : seit, treit, leit, in der Imster Ma. nie verwendet
werden konnten, liegt klar. (Hartmann von Starkenberg
(bei Imst) v. d. Hagen. M. S. No. 85 reimt seit : leit (Leid)).
Vgl. Kauffmann, Geschichte d. schwäb. Ma. S. 91. 281. —
wölls wollen (mhd. wellen Faul, mhd. Gr. 4 § 43. 2), allst
Elend (mhd. eilende), öl l Elle, höll Hölle, kyöll» Kelle, ksöll
Geselle, swölls schwellen (trans.), swöllsr Schwelle, snölla
schnellen, knallen (zu mhd. snal); pröll» prellen, stöll» stellen,
fäll» fällen, fölst, fölt, fällst, fällt, hallig ermattet (mhd.
heller) , fällig fällig, kföllig gefällig, tswölf zwölf, sölfs
Obstschale (ahd. sceliva), hölp Axtstiel {* halb ja Kluge etym.
Wb. Halfter), wölgls wälzen (mhd. welgeln), wöltss wälzen,
dsrgölt» , galt machen, gqlt keine Milch gebend, smölts 9
schmelzen (trans.) , föltss fälschen, gwölm Gewölbe, kyöltm
k/ölts Kälte, öltsr N. Alter ( jo- Stamm?), öltsn Eltern,
öilendig elendig, wöiU wählen, tsöiU zählen, lwortsöilig über-
zählig, stöil Stelle (mhd. stele), söils schälen, tröils beim
Essen verschütten (Schmeller bair. Wb. I. 660), dsrwöil
welcher (Braune, a. a. 0. § 292. 1 ; kaum ist welih Grund-
form, Paul mhd. Gr. 4 § 43. 3), dörrs dörren (geht auf Jtarr-
jan- zurück, Kluge, a. a. 0. „Darre“), örws erben, spörrs
sperren, fsrdöncs verderben (trans.), örm\ Ärmel, sorg
Digitized by Google
— 42
Scherge, hörpst Herbst, giaörms wärmen, förws färben (trans.),
örgsr, Arger, örgsra ärgern, honorig Herberge, hört hart (ahd.
herti ; daneben in gleicher Bedeutung hqrt. hart, * hur tu),
örts- Präfix ‘Erz’, örtslump Erzlump, swörtss schwärzen, mörkys
merken; die Schreibnamen hörting Hörting (vgl. hartung),
hörtnqgl HOrtnagel, Ruine Hörtenberg bei Telfs. kyorkysr
Kerker, pöir Beere, möir Meer, fairst fährst, föirt fährt,
kföirt N. Fahrzeug, kyöin > kehren, wöirs wehren, gtcöir Ge-
wehr, nöirs nähren, swöirs schwören, tsöirs zehren , möirts
März, kyöirts» Kerze, öidl» (*öirls) Erle.
A nm. ör wird auch mit e als er (sperr*, siverts *) gesprochen, eine
junge Aussprache, vgl. unten.
Vor Nasalen erscheint; dieses ahd. e als c (ft) : hemmst
Hemd,/rand fremd (auch frend gesprochen), stemms stemmen,
stempfl Stössel (mhd. stempfel), tempfs dämpfen, suemms
schwemmen, kyremmig, etwas wie Krämpfe fühlend zu mhd.
kram, § 33, remis sich balgen (zu mhd. rum), kylemms
klemmen, temm » dämmen, slemms Liegerstätte auf Alpen
(Sehmeller bair. Wb. II. 522), dsrgremms in Grimm bringen
(Ablautbildung *grammjan), kyeim Nische für das Stuben-
feuer (ahd. kemi aus lat. cuminus , dies wurde später wieder
entlehnt; Icyami Kamin), ent Finde, ment* Mensch, heims
Henne, kyenns kennen, nenn* nennen, prenn» brennen, trans.,
seltener wie nhd. intrans., dafür das starke prinns, swentss
ein Gotass durch Schwenken ausspielen (aus swenkazzen),
glenlso glänzen, srentss sclirenzen, zerreissen, wents, wends
wenden, auswendig auswendig, endsrs ändern, sents schänden,
plents blenden, o'ugentss „angänzen“ vom Ganzen ein Stück
wegnehmen, tenns Tenne, sennsr Senne (Kluge, a. a. 0.
S. 347), eij-g enge, streipj streng, ey&stigs ängstigen, tswerpy*
zwängen, teggls dengelu (toggl die Schneide der Sense,
mhd. tengein), kyeijg Gehänge, kstetjij Stangengitter (ahd
*gastengi), megijs mengen, Menge, wegkys wanken machen,
tregkys tränken , seijkys schenken (soykytum Geschenk, ab-
strakt), degkys denken, fsreijkys verdrehen (mhd. renken ) i
segkyj, Senkblei, dreipj* drängen, hetjtjs hängen, spreijij*
sprengen, geij g guten Gang habend (ahd. gengi), dsrge.iiij*
zergehen machen.
v
Digitized by Google
43
§ 37. In jenen Fällen, in welchen der Umlaut erst im
Mlid. geschrieben wird (vgl. dazu Wilmanns deutsche Gram.
S. 192 f. Paul, a. a. 0. § 40. 1), hat die Ma. «, ä, vor Nasalen
«, ä: hayle Hechel, gma y N. schlecht Gemachtes (ahd. *gimahhi),
kämayyig schmackhaft (ahd. *gisitiahhig), nayt Nächte, ge-
stern (Dat. ahd. nahti), traytig trächtig, fruchtbar, mayHg
mächtig, pfaytig das rechte Mass habend (Kluge, a. a. 0.
„Pegel“), slaytig (mhd. siebter), kshyt von einer Gestalt,
ifotsayt vereinzelt (mhd. einzeht), waytl», mit einem Gegen-
stand rasche Bewegungen machen, fächeln (zur Wurzel germ.
wag weg (bewegen)?), gwaks Gewächs, gicaksig gut wachsend,
aks Achse (mhd. ahse ehse), kyrakss Tragreff (mhd. krehse),
haks» Fuss, Bein (ndid. hehse), flaksss n. adj. zu ‘Flachs’
(ahd. flahshiez), wakss mit Wachs bestreichen.
Der Vokal des sog. spätem Umlautes tritt also in der
Ma. vor y gleich germ. k und yt, ks gleich germ. ht, hs (cht
chs?) durchwegs auf, nie der des frühem. Vor r haben
einige a, die Mehrzahl aber ö, öi, vgl. die Beispiele im
vorigen §. Den Grund der Differenzierung vermag ich nicht
anzugeben; einzelne mögen spätere Bildungen sein, wider-
wärtig, widerwärtig, wartse Warze (mhd. warze, werze) marya,
mit einer Marke versehen, Snaryle schnarchen (vielleicht
Deminutivbildung dazu), s adlig hoher Grasstengel (Schmel-
ler, II 447), mjgwadlig nicht sicher (mhd. ungewerUrh),
karb herbe, garw» gerben, farw» färben intrans. vgl. oben
form mit ö vor rw, arws Erbse (mhd. arweii , , erwrig),
pfaryo einpferchen (ahd. pfarrih), lary Lärche (lat. laric-),
tsarro zerren, narre narren, narris närrisch. Vor l und
Konsonant tritt a als Umlautsvokal nur in ugfaltig ein-
fältig, walts wälsch (ahd. walhisc ) und in den i-Stämmen
palg Bälge, hals Hälse, auf. Andere Beispiele sind nicht
sicher.
Auf ein i der dritten Silbe (Braune ahd. Gr. 2 § 27. 4)
ist a als Umlautvokal mit Sicherheit zurückzuführen in:
gOtsr Gatter (nach Ausweis von mhd. geter liegt ein jo- St.
vor), atjija abgefallene Baumnadeln , aus agetie (vgl. mhd.
egen), kylaffj Glockenschwengel (mhd. khffel), staff j, Stufe,
Staffel. Der Vokal stammt aus dem Plur. ; ahd. klaffali
Digitized by Google
44
staffali. tsilher Zähre (ebenfalls durch Einwirkung des Plurals
uingelautot), hdfner Hafner ahd. *hafnäri , Jäger Jäger.
glayter Gelächter, gwasser Gewässer, kyräinet Wachholder
(mild, kranewite) , ärts Erz (ahd. arnzzi ), uw/a Ente (ahd.
anut, PI. atiuti), antere nachäffen (mhd. unteren , enteren),
hämere hämmern, tämere klopfen (mhd. temeren), wassere
wässern, stähle stählen, (adle fädeln, sainle sammeln, ky läppere
klappern, pflastere pflastern.
Vielfach lässt es sich nicht entscheiden, weshalb a als
Umlautvokal erscheint. Vgl. ksaftig geschäftig, saftig, saftig,
hantig bitter (ahd. Iiantag), kspraqy lästiges Herumspringen
(ein /o-Neutr.), gtoante mit Gewand versehen, Icyampe Radauf-
satz, k/umpl Kamm, slarffl Schlingel (beiden scheint Suffix
-il zuzukommen), säme schämen (mhd. scheinen hat Umlauts
e, nicht e wie Beiträge 13, 217 angenommen wird), tsunie
zusammen, huntsig Handschuh (mhd. hendeschnoch) kyantlig
kenntlich, santlig schändlich, trdgig trächtig, jägig brünstig,
waitiräsig weitwasig, kspärig sparsam, spärlich, satse schätzen,
swatse schwätzen, raffe raufen (mhd. reffen). Vor s sind
einige ahd. « umgelautet worden (vgl. Paul mhd. Gr. 4
£ 40, 9): fasse Tasche, wasse waschen, was Wäsche, ntasse
Masche, aS Asch (Flussfisch), asser Asche, mit sekundärem
Suffix.
Mehrfach hat sich a als Umlautvokal zu q zum Bildungs-
prinzip entwickelt ; so bei der Pluralbilduug der masc. Sub-
stantive, deren Stammvokal im Sing, q ist; nur fünf ursprüng-
liche «-Stämme: göst Gäste, söky Säcke, äst Aste, söts Sätze,
slöig Schläge, haben den Vokal des ersten Umlauts bewahrt,
die übrigen sowie alle o-Stämme lauten q in a um; organisch
ist letzteres entwickelt bei pay Bäche, (ahd. bahhi, behlii )
wegen des y, vielleicht auch bei den oben genannten pulg,
hals. Vgl .fall Fälle, part Bärte, napf Näpfe, sn&h\ Schnäbel,
stähl Stähle, akysr Acker, J'dde Fäden, mander Männer u. a.
Nur ö (aus«) wird zu e: tsend Zähne, stend Stände, stemm
Stämme, tenipf Dämpfe, prent Brände, kyrents Kränze, kyletjij
Klänge, Immer Hämmer, enger Anger, metjgl Mängel. Bei
den Neutren, deren Plur. durch den Umlaut und das Suffix
-er (ahd. ir ) gebildet ist, überwiegt ü, üi. platter Blätter,
Digitized by Google
45
kyöltrar Kälber, pöidar Bäder, rötetet- Bäder, gröiwar Gräber,
grötear Gräser, glöisar Gläser, töiter Täler, aber dayy»r
Dächer, niarynr Kennzeichen (mhd. march N.), Saff»r zu sqff
Schaff. — Die Mehrzahl hat den \ r okal des ersten Umlautes
und man kann wohl schliessen, dass er auf lautgesetzlichem
Wege entstanden ist, dass also das Suffix -ir schon frühe
weit verbreitet gewesen ist.
Die Deminutive zu Substantiven mit Q im Stamme
haben alle den Umlaut a. Der herrschend gewordenen
Deminutivendung - / » entspricht mhd. elbi. Da das i in der
dritten Silbe steht (wo ahd. -illn als Suftix vorkomint, hat
das zweite lange ? den Ton und nur betonte Vokale können
auf ihre Umgebung eine bedeutende Wirkung ausüben), ist
das a als Umlaut regelmässig entwickelt, payte Bächlein,
sayte (Sache), salbte Sälbchen, kyalbte Kälblein, kyastl» Käst-
chen, kyarrite (Karren), slthfal » (Stadel), icügate Wägelchen,
fädate Fädchen, rädte Bädlein, grasl » Gräschen, affl » Äffchen,
arm!» Ärmchen, sakyte Säckchen, Strassl» Strässchen, wassarte
Wässerlein ,fän»te Fähnchen, tsandte Zähnehen, lampte Lämm-
lein, landte Ländchen, wandte Männlein, gartte Gärtchen,
u. d. übr. — Bei Deminutiven zu Verben: snatste schnitzeln
(Ablautbildung), jaytete gern jagen (zu jqyt Jagd) , layyate
lächeln, rankte spielend raufen (zu rotjka zerren), pantte
bändeln, Stumpfste leicht stampfen vor Zorn u. a. Der Vokal
des ersten Umlautes ö, öi ist herrschend geworden bei der
Bildung der Komparative und Superlative sowie der Femi-
nina abstracta von Adjektiven: Smöiter schmäler, smäite
Schmalheit, lenkst längst, legi] Länge, wönnar wärmer,
worin» Wärme, Sörffar schärfer, sör/J'a Schärfe, nässaSt nässest,
näss» Nässe, glätter glätter, glätte Glätte, föltsar falscher,
fälts» Falschheit, gräidar gerader, grätete Geradheit, swörtsar
schwärzer, suörtsa Schwarzheit, Story» r stärker, Swöyyar
schwächer, suöyy a Schwäche. Hier zeigt sich die Analogie
deutlich, da ä vor y erscheint.
§ 38. Der Umlaut des langen ä, mhd. ce, erscheint
als a, vor Nasalen als ä: tsäy zähe, mly stolz (mhd. waslie),
gdy jäh (mhd. geelie), o'ulug ansteigend (zu ahd. lägt steil),
Idr leer (mhd. leere ) ; der o-Stamm ahd. *ldr liegt im Flur-
Digitized by Google
46
namen Iqrsenn Alptal westlich von Inist, „leere Senn(alpe)“
vor; suär schwer, aumär offenkundig ( üf-mcere ), räs zu stark
gesalzen (mhd. raye), spat spät, stat langsam, ruhig (mhd.
state), hal glatt, schlüpfrig (mhd, hak), sflr Schere, ky/is
Käse, kfras schlechtes Essen (mhd. gevraje), prat Gebräte,
gmtil das Gemalte, räfs Dachbalken (alid. rävo neben *r«vjo,
wie die Ma. durch den Umlaut erweist), s affsr Schäfer,
gäddr das Geäder, nahm Nähe, gaplas Gebläse, tüsig herab-
gestimmt (mhd. taste), assig gut essbar, schmackhaft (mhd.
agec), kf rassig gefrässig, massig massig, flatig schön (mhd.
fla'tec), gnädig gnädig, kfadlig gefährlich, girqltätig gewalt-
tätig, rätlig rätlich, salig selig, ämarig verlangend, gnka
atzen, ässen, die Jungen füttern, ( *ga-(ttjan ), pfala pfählen,
lärs leeren, waija weben, maijs mähen, päija bähen, dräs
drehen, pla» blähen, sät ja säen, nüijs nähen, kyräija krähen.
Die Umlaute erweisen, dass in der Ma. die /-Ableitungen
zu Grunde liegen. (Vgl. Kauffmann, Gesch. d. schwäb. Ma.
S. 55. A. 3). jämsrs jammern, mätig Montag (mhd. masntac
vgl. Kauffmann, a. a. 0. S. 57), jäls kleines Stück Acker
(Kluge, et. Wb. 5 S. 178 Jahn), say sähe (mhd. Konj. Prät.
scehe), ksäy geschähe, prayt brächte, tat täte, wär wäre,
gab gäbe. — rats\ Rätsel, ratig Rettich (mhd. ratich), jädlig
jährlich, gevg und gab gang und gäbe. Auch wo Kürzung
eintrat, erscheint a: hat hätte (mhd. heete), ass ässe, sass
sässe, fr ass frässe, fergass vergässe, drakshr Drechsler
(ahd. drähsil). Wenn zu mqd (mhd. m&d) der Plur. auch
möidsr lautet, zu nqha nahe, der Komp, auch nöihnar, Superl.
nöihnsst, so liegt es klar, dass es Analogiebildungen zu den
im vorigen § genannten Gruppen sind.
In einigen Wörtern erscheint e als Umlaut von a; es
ist durch die Schriftsprache in die Ma. gekommen : tlglig täg-
lich, Heft Geschäft (dagegen oben künftig echt mundartlich)
helcs Hexe (im Lechtal haks), preytig prächtig, lestig lästig,
kywetsa quetschen aber kywatskyopf ‘Dickkopf, ncky» necken
(f oder S?), feig fähig (müsste *ftthig lauten), tetig tätig
(vgl. oben gwqltatig). Aus einem benachbarten schwäbischen
oder alemannischen Dialekte scheint das e in pefsra höhnend
nachplappern (von Kindern) zu stammen; ahd. avaren.
Digitized by Google
47
§ 39. Klar ist, dass der Umlaut des alid. ä mit dem
spätem des kurzen « zusammengefallen ist. Das heutige a
als Umlaut von ahd. a und a ist über das ganze bairisch-
österreichische Gebiet verbreitet und ein Charakteristikum
desselben. (Vgl. Weinhold, bair. Gr. S. 17 unten, S. 46 f.).
Das angrenzende Schwäbisch-Alemannische spricht für das
bairische a einen offenen «-Laut und hat damit das Ursprüng-
liche gewahrt. Sicherlich hat auch das Bairische in spät
ahd. Zeit noch den offenen «-Laut gesprochen, der erst
später zum heutigen a wurde, vor diesem Wandel muss
aber das nicht umgelautete « zu q geworden sein. Nagl
(Blätter des Vereins f. Landeskunde von Nieder-Österreich,
Jgg. 24, 25, 27 jetzt Sonderabdruck, Wien 1895 und Paul-
Braune, Beiträge 18, 268) will den Wandel des « zu q schon
der ahd. Zeit zuweisen und den sog. 2. Umlaut als Wandel
des q zum heutigen u fassen. Nach unserer heutigen Auf-
fassung des «-Umlautes muss diese Vermutung fallen gelassen
werden. Die beiden Umlautsvokale für a sind wohl zur gleichen
Zeit entstanden; nur qualitativ wurde ein Unterschied hervor-
gerufen durch die bei Braune, ahd. Gr. 2 § 27. A. 2—4 ge-
nannten Faktoren. Vgl. die zu Beginn des § 37 genannten
Arbeiten von Wilmanns, Paul. Die Scheidung in zwei Um-
lautsperioden (Braune, a. a. 0. § 51 A. 2) könnte also nur auf
die Qualität des Umlauts von a bezogen werden nicht auf die
zeitliche Verschiedenheit; diese bezieht sich dann nur auf die
Schreibung; die Chronologie des Umlauts, welche Kauffmann
Gesell, d. schw. Ma. S. 50 § 63 so sehr betont, wäre nur
der sekundäre Faktor in dieser Frage.
Nach den Belegen, welche Weinhold, bair. Gr. S. 18
für die Schreibung von a für o verzeichnet (ich bin der
Ansicht, dass darin der <?-Laut des a zum Ausdruck kommt
und nicht eine Aussprache des o wie «, wie Weinhold meint)
kann man sagen, dass im 13. Jh. a als q (bez. als ein o-
artiger Laut) gesprochen wurde. Eine genaue Zeitbestim-
mung für den Übergang des offenen Umlauts-e in den «-Laut
ist bis jetzt nicht möglich. Im 15. Jh. war er sicherlich
vollzogen. An Wörtern, in denen heute a gesprochen wird,
bieten die Urkunden folgende Belege: 1448. nämleichen,
Digitized by Google
gnädigen (2), gnedigen, gänzlichen , münigkleichen ( 2), Järlirhen,
steten, steten (2), fetten (mhd. taten); 1450. stäten , sfeYc« (2),
tetten, Tänzlein , Tenzlein (heute Name tants( Danzel u. ähnl.)
nämlichen, gänzlichen (2), Berchtold t eschen (Name 07s Tasch),
gäiber (mhd. gatbe), inenigklichen, Jarliches, schaden Plur. (sädi).
1451. gnedign, gerwstuhen ( garb Gerberei), gäbe (Kouj. Prät.
(mhd. gcebe),hett, menigklich, nächsten , 1455. a) stättn (2 staete)
tätten, b) gäbet-, hättn, wär (wäre). 1458. scheden, 1467. ge-
schafft s, mit hass (hce$e) 1468. allermänigklich, beschwätzung (2),
geschäft, gnädigen, tn&ttgl, wär, warn, ägker (Plur.), agkher
(Plur.). 1471. Arzill (Flurname artsill), perchtold täschen,
Conrat Nageli (nagsfo Nägele), Oswald Hätly. 1478. arbis
(arw»s Erbsen). 1476. änichleins (Enkelein), das Spängler
(spatjghr), drt$ knapp, Jenwein Hendl (Handl, Häbnel). 1478.
Larchach (Flurn. laryig). 1493. Jarnlich,st(U, Händl, Spengler,
1500. Rägkleins (Raggl rakk\) ungevarlich, tätn, 1503. un-
gecerlich tet, saligen, 1516. gagenwertig , pigenatz Flurname
piganats). 1526. nächer (näher). 1535. weinachten (wainayta).
1541. weihenacht, 1543. negsten weihenechten. 1550. Hanns
Jäger (jägsr). 1557 erscheint Oswald Schrey Jäckli(2) heute
Schreiegg, eine Bildung aus schrei und jakkd Jakob, (srai-
jakks), die zu Schrei egg (ck) wurde. Im 17. und 18. Jh.
ist die gewöhnliche Schreibung für heutiges a das bekannte ä.
Das grosse Schwanken in der Schreibung des Vokals führt
zum Schlüsse, dass er wie heute als a gesprochen wurde ;
den Schreibern stand kein bestimmtes Zeichen zu Gebote.
Für das geschlossene e und für mhd. e wird durchwegs e
geschrieben; a dient zur Bezeichnung des nicht umgelauteten
ahd. a. Die Fälle in denen heutiges a als a geschrieben
wird, sind den andern gegenüber häufig genug, um die Ver-
mutung, es liege etwa ein Schreibfehler, ein Vergessen des
6 ' über « vor, von der Hand zu weisen.
Der dem ahd. e entsprechende Umlautvokal ö (öi)
kommt seinem Klange nach unter den nhd. Vokalen dem
ö am nächsten. (Vgl. § 1). Ein ö-artiger Laut scheint auf
dem ganzen bairischen Gebiete zu herrschen (YVeinhold,
bair. Gr. S. 41, Schmeller, Baierns Maa. S. 69/70). Aus
Weinholds Belegen geht auch hervor, dass er im 15. Jh.
Digitized by Google
49
bereits vorhanden war. Die Imster Urkunden bieten sehr
wenig: 1473 Spiegelfröd (Flurname Spisglfröid), toman Pröll,
Kerösten Ortsname, heute k/aröiSt » oder öistz , Osten bei
Imst, ölst» ist der Plur. zu dem in Imst nicht erhaltenen
asten (Schöpf tirol. Idiot. S. 20) Niederalpe. 1568 Georg
Schabenseckhl von Kdrrerösten, 1503 und öfters wollen. In
den Ratsprotokollen von 1611 an mehren sich die ö-Schrei-
bungen, 1611 Fol. 4 Gsöllbriester, pösser, Fol. 5 söckhl da-
neben lierbrig (Herberge), 1612 Fol. 12 kelberskopf , gröber
(Gräber) u. a. m. Für fremde Gebiete ist es eine heikle
Sache, über den phonetischen Wert der heutigen Entsprechung
zu urteilen. Ich kann deshalb nur eine Vermutung wagen,
wenn ich sage, dass wir in dem 6 einen ursprünglichen Laut
haben, der aus dem Umlaut des o entstanden ist. Die
Artikulation der Zunge rückt beim Wandel von gasti zu gesti
(Sievers, Phon. § 676) allmählich nach vorn hin. Phonetisch
wäre es sehr leicht zu erklären, wenn das ahd. (bair. ?) a
nur bis zum ö-Laute, der nicht so weit vorn artikuliert
wird wie der wissenschaftlich angesetzte geschlossene «-Laut,
entwickelt wurde. Dagegen könnte man einwenden, dass
ö in der Schreibung erst seit dem 15. und 16. Jh. auftritt ;
allein in dieser Zeit war die Entrundung der gerundeten
Vokale bereits vorhanden; das Zeichen, welches für das ge-
rundete ö überliefert war, wurde naturgemäss auf den Umlaut
von «, mit dem der Umlaut von o zum Teil zusammen-
gefallen war. angewendet.
§ 40. Mhd. e: Es erscheint als ö, öi: höpfs Hefe (Bei-
träge 12, 518), öpptr, öpp»s rnlid. etewer, etwas, Giffi treffen,
stöfts F. Stift (weibl. *stefta), pföffsr Pfeffer, öiw» eben, göiwd
geben, löitco leben, löiwsr » Leber, Swöiw» schweben, nöiwl
Nebel, wöiw» weben, swöifl Schwefel, k/öifsr Käfer, k/löiwsr»
Klette (zu ‘kleben’), swöstsr Schwester, nöit ( öst ) Nest, dröss»
dreschen, dösti desto , lös& löschen (Berührung mit dem
schwachen mhd. leschen ) , wöSt wüsste (mhd. weste), öss»
essen, fröss» fressen, srgöss» vergessen, wött»r Wetter, jötts
jäten, kxnött» kneten, trötts treten (möglich ist bei allen
dreien Vermischung mit schwachen mit Umlauts e), pöit)
beten, pöitl» betteln, iötdj Schädel, löidsr Leder, löidig ledig,
Schatz, Die Mundart vou Imst. 4
Digitized by Googl
50
entwöidar entweder, pröit Brett, löisa lesen, gwöisa gewesen,
pöisa Besen , söiha sehen, kiöih a geschehen, pöiy Pech, plöiy
Blech, röiga Regen, söiga Segen, patröiga bewegen, pluatöigl
Blutegel, pflöig Pflege, swöigl a Schwegel, söigasa Sense, slöig
Steg, uöiga wegen, uüig Weg, kyöky keck, dröky Dreck
(Beiträge 12, 516, 3), spöky Speck, ir'ökya Schrecken, aioöky
weg (mhd. emcec), snök Schnecke (Beiträge 12, 521), tsökkat
scheckig, söksa, söks sechs, woks] Wechsel. In folgenden
Wörtern wird teils ö teils e gesprochen ; beide Aussprachen
sind gleich gebraucht: leyt\, Vöyt\ Lechtal, reyt, röyt recht,
Sleyt, ilöyt schlecht, kyneyt, kyn'öyt Knecht, feyta fechten,
fleyta flechten, leyjsk» lechzen, preyy 3, pröyya brechen, steyyp
stechen, slekya schlecken, lekya lecken. Auch Umlauts ö
kann vor y (und r) als e gesprochen werden ; man hat es
hier also wohl mit einer neueren Aussprache des öy als ey
zu tun nicht mit einer Bewahrung des ursprünglichen ey.
— Als e tritt mhd. e auf in : reyna rechnen, seytsk sechzig,
seytsenna sechzehn, freyy frech, reyy» (selten röyya) Rechen,
tswelcy Zweck, spekyar kleine Steinkugel (zu spicken’), sprekl a
sprenkeln (Kluge, et. Wb. s. v.), kyreps Krebs, snepf Schnepfe,
tsepf Zehnkreuzerstück (Neubildung zu ‘Zipfel’?), leftska Lippe
(mhd. lefsa), seps schief (Beitr. 12, 535), fetsa Fetzen, neffa
abreibon (an der Wand u. s. w. Schmeller I, 1731), sessl
(selten sössf) Sessel, letta (selten liitta) Letten, presthqft (selten
preist-) bresthaft. Fremdwörter behalten ihr e bei : eyt echt,
net nett, press a pressen, reit Rest, peyy»r Becher, tseJl Zelle,
fet fett (? Beitr. 12, 535), ekstara extra, pesta Bestie, seppl
Josef (ital. Giuseppe), tres Theres, spetsial Spezial, kyetsar
Ketzer, reg ] Regel, tsekkar Handkorb, Schmeller II, 1081.
Mhd. el, er treten, wenn die Kürze des Vokals be-
wahrt wurde, als al, ar auf, als qal, qar aber, wenn Dehnung
eintrat: walt, Welt, galt Geld, satt selbst (die Entstehung
des t ist nicht klar), salta selten, sattsam seltsam, was man
selten hat (nie = absonderlich), galta gelten, salta schelten,
tsalta Zelten, maltsa Speise mit der Zunge zerdrücken (Kluge,
et. Wb. Malz’, ags. m'eltan), fald Feld, staltsa Stelze (Heim-
burger setzt falsch e an, Beitr. 13, 220), kyalpara Hunde-
halsband (aus mhd. kel und bern ), snall schnell, hall hell,
Digitized by Google
51
wall» wellen (den Teig), sali» schellen, Schelle, n all » Genick
(zu ahd. hnSl), kstcall» anschwellen, kyalUr Keller, pall»
bellen, smal% welk (mhd. smelhe schmal, gering; also über-
tragene Bedeutung in der Ma.), smalh» Schmiele (mhd. smelhe),
halff» helfen, mal y» melken, salha selchen (ist mit e anzu-
setzen nach Ausweis jener Maa., welche el als el haben:
seilt#). Dieser Lautwandel el zu al erstreckt sich über das
ganze Oberinntal (und das bair. Lechtal) bis gegen Zirl. In
Hötting wird el gesprochen. Wo Dehnung eintrat, ist qal:
gqnl gelb, mqal Mehl, stqul » stehlen, fqal Fell, hqal» hehlen;
<‘a herrscht auch für gedehntes er: qar er, dqar der, utqar
wer, pqar Bär, hqa her, smqar (mhd. smer), dartswqar»
schwären, gqar» gern, kyear» Kern, woufqat » woferne, fqar»
Fern(pass), fqarn»r Ferner, Gletscher, sqar» scheren, Iqarn»
lernen, stqar» Stern, qarnit Ernst, tcqat •» werden, qurt Erde,
hqart Herd, fqart voriges Jahr (mhd. vert auch bei Hart-
mann v. Starkenberg), trqart Wert, fqarsn » Ferse (ahd.
versana), kxqadsr Köder (mhd. kerder). Die Dehnung des
el, er zu qal, qar erstreckt sich über das oben angegebene
Gebiet und geht darüber hinaus (Maister, a. a. 0. 7). Dem
er mit Bewahrung der Kürze des Vokals entspricht in Imst
ar. Westlich von Imst ist hier überall Dehnung eingetreten.
Die Grenzorte sind Imst, Karres, Koppen ; das Lechtal hat
wie Imst ar. Nach Osten deckt sich die Grenze mit der
von al aus el. hart Herde (ahd. herta), harts Herz, smarts
Schmerz, klarst» Kirsche (mhd. kerse), garst» Gerste, war x
Werk, Werg, starte» sterben, warff» werfen, parg Berg, f»r-
parg » verbergen, /»rdarte» verderben, Verderben, parg»l»
Halsband (Demin. zu mhd. berc), kx.arr » ein Tier reizen
durch Zischen, Pfauchen (mhd. kerren), sarr» Rinde in der
Pfanne {2 nach Ausweis der westlichen Maa. sear»), sarw»
dahinsiechen (mhd. sSrwen, westl. Maa. sqarw»), farkal» Trag-
himmel, früh entlehntes ferculum, kyßdl, aus kxarl mit später
Dehnung, Kerl, tsuary zwerch-, slarp», schlürfen, lecken,
(der Zusammenhang mit ‘schlürfen’ ist wahrscheinlich, doch
nicht klar; westl. Maa. slqarp»), tarp[ Maismehlspeise (westl.
Maa. tqarpl), tswergl Zwerg, kann kein echt mundartliches
Wort sein; es wäre *tswarg zu erwarten. Das Deminutiv
4 *
Digitized by Google
52
tsicargsls zeigt die regelrechte Form. Die westlichen Maa.
(s. oben) haben er durchwegs zu qa gedehnt.
Vor Nasal ist $ zu el geworden, prelm 9 Bremse (mhd.
breme ), streln » mit dem Haspel gewickeltes Garn (mhd.
strSne), sein » Sehne, tsei, tselns zehn, neben tsöihs, tsöihns.
§ 41. Mhd. & hat sich zu qa, vor Nasalen zu iä ent-
wickelt: qar Ehre, rqars weinen (mhd. reren), plqars häss-
lich weinen (auch von Tieren, mhd. bleren, blerren ist daraus
gekürzt; vorahd. Hlairrjan) , sqar wund (mhd. sir), liqar
Herr (mhd. hör), mqarsr mehr (-er), Iqar Lehre, qarst erst,
der erste, kyqars kehren ( vertere ), qa Ehe, sqa See, kylqa
Klee, wqa Weh, rqay Reh, slqaho Schlehe, tsqahs Zehe, Iqah»
Lehen (selten, Eigenname Iqahnsr Leeliner), sqal Seele, snea
Schnee, oyqsnqas alte Form für Agnes, heute meist dgijis,
trnsnig wenig, mtä mehr (mhd. mi mit progressiver Nasa-
lierung), gib gehen (mhd. gen), itO stehen (s Uri), mqktaUsn»
Magdalüna.
In den Urkunden sind die Schreibungen ee für mhd.
e seit 1450 häutig, z. B. Seelhaws, geet, eebig, Eeren , See,
steen u. a. Da der Übergang von e zu ea eine Vorstufe es
voraussetzen lässt, haben wir in der Schreibung ee wohl die
Bezeichnung eines Diphthongs zu sehen.
§ 42. Vor l, r erscheint mhd. e in der Imster Ma.
anders behandelt als vor andern Konsonanten. Die Ent-
sprechung a, qu muss auf eine offene Aussprache des e vor
l, r zurückgeführt werden. Der Übergang von el zu ul
(und gewiss auch von er zu ar ) war im 15. Jh. bereits
vollzogen; urkdl. 1467 wält Welt, 1473 gälty Geldes; ü ist
der Laut des heutigen a, wie oben ausgeführt wurde. Die
Differenzierung zwischen e vor l, r und e vor den übrigen
Konsonanten reicht in frühe Zeit zurück; es mag hier auf
die Schreibung halm, parht in Eigennamen des 10. Jh.s ver-
wiesen werden (Weinhold, bair. Gr. S. 15). Vor dem Ein-
tritt der Dehnung war e vor /, r sicher ein einheitlicher
Laut und wie die Dehnung zu qa beweist, verschieden von
dem offenen Umlauts-^, das gedehnt als a erscheint; el, er
kann erst nach der Dehnung zu al, ar geworden sein. Die
Fälle, in denen ö, öi für e erscheint, sind so zahlreich, dass
Digitized by Google
53
man einen spontanen Übergang des e zu ö, öi annehmen
muss. Zu demselben Ergebnisse kommt Brenner, PBB. 20,
87. Die wenigen Wörter, in welchen e als e auftritt, ver-
mag ich nicht hinreichend zu erklären. Man vgl. z. B.
dröky Dreck, gegenüber tsweky. Beide gehen auf 2 zurück,
sind o-Stämme. — Ein i der Folgesilbe kann nur für wenige
nachgewiesen werden: ötlig» (mhd. etliche) pölts Pelz (belli$),
pröidig Predig, vielleicht föh» Felsen , so ferne nicht Um-
lauts-« vorliegt (Paul, mhd. Gr. 4 § 43. 3).
Für die Zeit des Überganges von e zü ö erweisen die
Belege bei Weinhold S. 41, dass er im 16. Jh. vollzogen
war ( wollen hat Umlauts e). Eine Imster Urkunde von 1507
schreibt lüchleitner Lechleitner; vor / wurde also ö gesprochen,
ein deutlicher Hinweis dass die offene Aussprache vor /
erst jungem Ursprunges ist (‘Lech’ aus röm. ‘Licus’).
Anm. Zu erwähnen sind die Fremdwörter mit e y welche in
der Ma. als a erscheinen: tulUr N. Teller, lärm* Lärm, flaks? Flechse,
fäfr fehlen, fälaitf kleiner Wagen für die Briefpost („Felleisen“ lat.
valisia).
§ 43. Mhd. i. Es erscheint als i, gedehnt als l; vor
Nasalen * gedehnt t. mit mit, tsittar» zittern, Swits» schwitzen,
triss» wissen, piss» gebissen, fiS Fisch, kyistn» Kiste, still still,
hilft hilft, silh» schielen (mhd. schilhen), tsipf J Zipfel, griff»
gegriffen, wipp» Witwe, fliky» flicken, strikt Strick, ksiyt
Gesicht, Htriyy» gestrichen, sinn» singen, rinn leicht, gering,
sinn Sinn, kswind geschwind, Spinn» spinnen, himm \ Himmel,
tsimmannou Zimmermann, himpöir Himbeere ( hintber ), rTg\
Riegel, lig» liegen, striy Strich, /r/_ Vieh, tsih» geziehen,
glih» geliehen, wldsr Widder, smTd Schmied, pis» das Laufen
des Viehs, wenn es von Bremsen gestochen wird (mhd. bisen),
tswislt in zwei Teile geteilt (mhd. zwisel), Stil Stiel, lis»
Elisabeth, stfsr Schiefer, plTw» geblieben, grif Griff, shi»
Schiene, hl hin, i Inn, tritt» Kathrine, int ihm, strhn» Narbe,
Wulst (ahd. strimo ). Vor r haben die westlichen Maa. i
durchwegs zu i» entwickelt. In Imst (samt Roppen, Karres,
Tarrenz, Nassreid) ist i»r für ir nur in folgenden Wörtern:
i»r irre, i»r» irren, ksiar Geschirr, mi»r mir, diar dir, iar ihr
(geschlechtig), tswiara Zwirn, hiar» Hirn, wiart Wirt, fiarst
Digitized by Google
54
First (Dach-), hart Hirt, hars Hirsch, ptorlig kleiner Heu-
haufe (mhd. hirlinc), Stator» schmieren, Sltor» den Speichel
fliessen lassen (Schmeller, b. Wb. II 582). Dagegen: kyiryj»
Kirche, g»pirg Gebirge, piry» Birke, wirft wirft, stirpt stirbt,
westlich von Imst: k^är/p, geparg, pär/p, warft, Starpt.
Diese Erscheinung hängt mit der Dehnung des i vor r zu-
sammen, die in Imst nicht eintritt, wenn Labiale und Gutturale
auf das r folgen. Die Entwicklung zu to scheint an Zuge-
hörigkeit des r zur selben Silbe gebunden zu sein ; vgl.
pW Birne (mhd. hi -re) girig gierig, und die Nebenformen
tswir», hw (aus zwi-rtn, hi-ren?) neben tsirtor», hdr».
§ 44. Mhd. t. Es tritt durchwegs als ai auf bis an
die Landesgrenze hin, das angrenzende alemannische Gebiet
(Schweiz, V orarlberg) hat ? nach bestimmten Gesetzen erhalten :
sait seit, paij » Biene (mhd. hie), kyaid » keimen (zu mhd. leide),
rais Reis, tswaig Zweig, faigo Feige, gaitig geizig (mhd.
gitec), aiffsr Eifer, swaits Schweiz, ai ein (mhd. in), Mita
scheinen, pai Pein, laist, tait liegst, liegt, gaist, gait gibst,
gibt (mhd. list llt, gtst git). ürkundl. regelmässig (eit, legt,
leitt 1450, 55, 67 u. ö. In den Urkunden ist kein einziger
Fall, dass i als solches geschrieben wäre, es herrscht aus-
nahmslos ei. — Vielfach ist es auch in der Nebensilbe
lieh diphthongiert. Heute herrscht in der Aussprache -ig
mit kurzem i. 1448 eieich und dich, 1435 (Pfarr-Areh.) giftig-
kleichen geschenksweise, 1448 Hainreich u. a. m.
§ 45. Mhd. o. Es entspricht o, gedehnt ou, ausser
vor r: proky» Brocken, als Ztw. pflücken ('zu brechen’), reikk»
Roggen, jo% Joch, kstoyy 3 gestochen, kyloky» klopfen (ahd.
klocchön), tokyp hölzerner Auslass an einem Weiher (zum
Sehliessen und Öffnen, zu mhd. tocken, vgl. g 75), pougi
Bogen, gebogen, roug\ locker (mhd. rogel), glotig» gelogen,
fort gl Vogel, kyouy Koch, ksott» gesotten, rote Rotz, gott]
Gottlieb, pfost» Pfosten, kyost Kost, ross Ross, foll voll,
holts Holz , gold Gold , k/ront» Kröte (ahd. chrota), loud»
Loden, moudarfaul, moderfaul, hous» Hose, kslons Schloss,
soula Sohle, moul weich (durch Schlagen, zu mhd. miillen),
houUrstaud a Holunderstaude, tropf» Tropfen, ropfa rupfen
(ahd. rophön), sopp a schoppen, oft oft, hoff» hoffen, off offen,
Digitized by Google
55
souwar Schober (Heu-), houf Hof, groub grob, kylouua ge-
kloben, toniforo donnern, hdUnig Honig (selten mit Umlaut
he'inig), toii Ton, parsou Person. Die Dehnung des o zu
ou weist darauf hin, dass mhd. o in den Maa., welche
heute ou für o haben, ein geschlossener Laut war (Wein-
hold, bair. Gr. S. 103).
Vor r wurde o offen gesprochen; es erscheint heute
als q, wo seine Kürze bewahrt blieb (vor Labialen und
Gutturalen bewirkte r keine Dehnung im Gebiete von Imst
bis gegen Zirl), als qa wo Dehnung eintrat, im Auslaut und
vor Dentalen. (Die westl. Maa. haben die Dehnung qa
überall), fqrh » Föhre (ahd. foraha), fqryt Furcht (mhd.
vorlite), dqrra dorren, sqrgd sorgen ; urkdl. 1468 versorgen (2)
ist das einzige Beispiel, das ich aus den Urkunden anführen
kann; es beweist, dass q gesprochen wurde, tnqrg» morgen,
kyqrh Korb, stqrfa dürrer, schlechter Baumstamm (zu mhd.
storre mit labialem Suffix, vgl. sölf» Obstschale ahd. sceliva
und „Schale“), gworffa geworfen, kstqrwa gestorben, f er dorm
verdorben, dqrf Dorf, farporga verborgen. Westlich von
Imst wird in all diesen Fällen qa gesprochen. Im Ötztal
wird dieses qr als ar mit reinem a gesprochen. Dehnung
zeigt sich in: fqar vor, tqar Tor, qart Ort, wqart Wort,
pqara bohren, kyqar» Korn, hqara Horn, tsqaro Zorn, dqara
Dorn, fqarn» vorne, fwlqar 9 verloren, gwoar » geworden,
ddrtiwqara Part. z. dtrtSwqnr» schwären, kfrqara gefroren,
qarna ordnen, spqara mit den Füssen stossen, scharren (mhd.
sporn), qarhdU Auerhahn (mhd. orhan Kluge, et. Wb.) pqar-
kyiryd Emporkirche, fqadar 9 fordern, fqaihr vorder, pqart»
Borten. Demnach sindnhd. Einflüsse zuzuweisen: forsl Forst,
ports Pforte (lat. junges Lehn wort), ksironr» geschworen, gepour»
geboren; «rfür or zeigen: form M. Form (Lehnwort), fort fort
(jetzt dringt nhd. ‘fort’ wieder ein), murts in murtslär ganz
leer ; wie mortskyßdl ein ganzer Kerl (neue Bildung) beweist,
liegt der Gen. morde s (zu morts ) vor.
§ 46. Mhd. ö. Ausser vor r entspricht dem mhd. ö
derselbe Laut ö, öi, der für ahd. Umlaut e auftritt: pölhr
Böller, davon abgeleitet pöldar » lärmen, löyyor Löcher, pöky
Böcke, fölkylo Völklein, jöyyor Jöcher, stöky Stöcke, kyöpfij
Digitized by Google
56
köpfisch, fällig völlig, öil Öl, söi/l so viel (aus mhd. stivit),
pöitin Botin, hui fl 9 Höflein, pöida Böden, sröifl » Schröflein
u. a. Da ö als Umlaut zu o analogisch gebildet ist (vgl.
ahd. loh PI. luhhir), ist es erklärlich, dass zu qr aus or der
Umlaut a ist, k/urb Körbe, darffl» Dörflein. Mhd. gedehntem
ör entspricht qa(r), mqarS»r Mörser, frathr das vordere
(Kompar. Umlaut), mqad»r» (mhd. Mördern) mit einem stumpfen
Messer die Haut abzielien, mqart\ Mörtel, spqar trocken
(mhd. spüre), dqtvr» Dorn (cf. oben dqar»), qart»r Örter,
wqartir Wörter, peurst»r M. vielleicht nach dem Plur. börster
zu mhd. borst N. gebildet, nqad»r- aus nörder, nqadrig nörd-
lich, auf der Schattenseite. Vor r muss auch ö offen ge-
wesen sein.
§ 47. Mlid. 6. Die heutige* Entsprechung ist qa, vor
Nasalen ü»; ö war also ein offener Laut, tqat tot, tqad
Tod, rqat rot, nqat Not, prqat Brot (häufig auch prout, nhd.
Einfluss), k/q/tt, Kot, stqass» stossen, grqas gross, pqashqft
boshaft, Sqas Schoss, plqas bloss, flqas Floss, rqast Rost (im
Herde), qast»r» Ostern, kylqast»r Kloster, trqast Trost, Iqasuq
Losung, Erlös, rqas» Rose (dagegen rous» Rosa, nhd.) rqar
Rohr, qar Ohr, fiqay Floh, hqay hoch, kylqaij» Klaue (mhd.
klö u. klae, ahd. klätca), frqa froh, strqa Stroh, Iqay M. Lohe
(Gerber-), rqay roh, pu.m» Bohne (Imster Marktordnung von
1524 poenen und arbis), stt'/n» schonen, lus Lohn, in'/ schon,
kyruJtcttrg Kronburg, Ruine westlich von Imst, aber kyro'un»
Krone als Geld, Wirtshausschild.
§ 48. Mhd. «. Die Diphthongierung zu qa entspricht
der von 6 zu qa : hqar» hören, kyqar» gehören, k/qar Gehör,
Zugehör; Flurname für das Klostergut, kjrqar» gefrieren
machen (mhd. gevroeren), tqas» lösen, flqass » flössen , srqat
Plur. (auch als Sgl. gebraucht) Schrot, qad öde, plqad blöde,
fade schmeckend, nqat» mühsam arbeiten, gtjqatig viel be-
schäftigt, tqat» töten, rqat» Röte, trqast» trösten, pqas böse,
rqast » rösten, rqas rasch, stürmisch (verlangt mhd. roesche
vgl. K. Luiek, Beiträge, 14, 132), trqait»l» Drossel (vgl. Bei-
träge 18, 330, Kauffmann, Gesell, d. schw. Ma. S. 185),
kyrqas Gekröse, tqar störrisch (mhd. toere), k/qal Kohl (koele).
Vor Nasalen erscheint qa als u : iü schön, hün» wild weinen
Digitized by Google
57
(mhd. hoenen nhd. liöbnen), kyriil» Krönlein. Auch für ntlid.
a ist offener Laut vorauszusetzen (für unsere Ma.)
§ 49. Mhd. u. Es erscheint «, gedehnt «; vor Nasalen
«, m: tuky Tücke (mhd. tuck), truky » trocken, ruky Ruck,
fuks Fuchs, tsüg Zug, püg Biegung, fing Flug, siig\ Lamm
ohne Mutter (Ablaut zu saugen’), trüh» Truhe, gruy Geruch,
sprüx Spruch, fury Furche (ahd. furuh), dm y durch, wurm
Wurm, surts M. Schurz, gurgl» Gurgel, tiirs Turm, ar Uhr,
g»pürt Geburt, sür Salzwasser zur Aufbewahrung des Fleisches,
überhaupt saure Flüssigkeit, sür» in Salzwasser legen, ein-
säuern (im Ablaut zu sauer *sur -) , truts Trotz , smfits
Schmutz, puttar M. Butter, kyutt» Herde, Menge (chutta),
k/uttl » Kutteln, sut einmaliges Sieden, trutt» Drude (mhd.
trute), hüd»r Hader, Fetzen, sndl» sudeln, güs Guss, guüs
Genuss, tüs still, niedergeschlagen (Ablaut zu mhd. f-rtge),
lull» lullen, Suld Schuld, pull» Lockruf für die Hennen (roman.
Abkunft, lat. pullus), futjk y» Funken, ksutjtj» gesungen, sunn»
Sonne, gwunu» gewonnen, grunn» geronnen, nitnn» Nonne,
summ»r Sommer, psund»rs besonders, trumm» Trommel,
ksinimm» geschwommen; u ist hier in der Ma. durchwegs
bewahrt. kyupf»r Kupfer, snupf» schnupfen, snüß> schnüffeln,
huff Hüfte (mhd. huf), ruf» Eiterkruste (zu ahd. hriof, hriuf
Aussatz), stüw» Stube.
Der Umlaut des u ist vielfach nicht eingetreten. Vgl.
unter anderen v. Bahder, Grundlagen S. 199 ff. prukk»
Brücke, rukk» Rücken, tsruk zurück, mukk» Mücke, luk
locker (mhd. lücke), gtikk» gucken, rukk»s roggenes (mhd.
ruckt iit,), pukkf; Buckel, Rücken (Suffix -i/? ahd. buggil? Es
gehört zum Stamm bug- biegen und ist nicht von bücken
abgeleitet, wie v. Bahder a. a. ()., Wilmanns, Deutsche Gr.
S. 188 annehmen), puk y» bücken, tsuky» zucken (? ahd.
zucchen und zucclwn ) , ruk/» rücken, druky» drücken, luky»
Lücke, kyruky» Krücke, stuky Stück, luky N. Deckel (zu
Loch ;o-St. *lukja-), kyuyy » Küche, purt Biirdo (ahd. burdt?
oder ein i'-St. ?), slurfl» schlürfen, purg»i Bürger, nuts nütze,
nuts» nützen, wulUs wollenes (wullintf), guld» Gulden, duld»
dulden, suldig schuldig, tumj» düngen, tunky» dünken, imm
um (ahd. um bi), hupf» hüpfen, tupf» tupfen, stupf» stechend
Digitized by Google
58
stossen (mhd. stapfen, stapfen ), lupf» aufheben (mhd. lupfen,
lüpfen), supf» schlürfen (zu saufen’), rupf » grobes Tuch (mhd.
rupf in ) , tupp » geklobener Baumstamm (zu mhd. tu bei),
kyluppa Kluppe. Die Konj. Prät. der starken Verba der
2. Klasse und der 8. Klasse haben nie den Umlaut: lüg löge,
püg böge, flüg flöge, tsüy zöge, flüy flöhe, farlür verlöre,
dorfrür erfröre, goss gösse, Suss schösse, fardruss verdrösse,
sujf „söffe“, sluff „schlöffe“, ebenso luff würde laufen, kylüb
klöbe, Süb schöbe, — Sturb stürbe, wtirf „würfe“, uiir würde,
hilf „hülfe“. Die der 3. a haben das u des Konj. durch
o ersetzt.
Mhd. ü wurde zu i : tsikk\prunn» Ziehbrunnen (*zvgil-),
tiky» tiicken, tikyiS tückisch, gliky Glück, "(vgl. uvglukysom,
kein Glück bringend), trikyn» Trockenheit (Fern, abstr.
*truckant), nitslig nützlich, Sprits» spritzen, hitt» Hütte, tsritt
verrückt, zerrüttet, sitt» schütten, flitt» dünne Schnitte Speck
(*fludja- zu idg. Wz. plt die in ‘Fladen' vorliegt, vgl. Kluge,
et. Wb,), grist Gerüst, pisSala Büschelchen, griss » Kleie (mhd.
griiscli, das gewöhnlich zu ital. crusca gestellt wird), sprissl
Sprüssel, Sissl» Schüssel, Sliss J Schlüssel, sits Schütze, ptts»
Wiesenteich (ahd. puzzi lat. puteus), tsinta zünden, simmsr»
das Vieh den Sommer über füttern, tointS» wünschen, ginstig
günstig, kyimftig künftig, ptn» Bühne, kyhtig König (ahd.
kuning), hitjijar» hungern lassen, jünger, jitjgl» Junge
werfen, dind dünn, tintstig dunstig, sind Sünde, kyind » künden,
frimm» bestellen (vrämmen), ins uns (aus unsih), insar unser,
tipfla tüpfeln, tsippl eine Anzahl von Gegenständen (zu schieben
*scubil-), ripß Heurupfer (*rupfil zu ‘rupfen’), siff’ig süffig,
sipfl» süpfeln), kyipftrwar kupferner (-?«), lifta lüften, stipß
Lochbohrer zum Pflanzensetzen (zum obigen Stupf»), kynipf»
knüpfen, fitt» füllen, tsill» Zülle, hild»r » hallen (zu hohl,
*huliron), miliar Müller, gilla Gülle, gmill Kehricht (zu mhd.
midien), hüs» Hülse, hilts»m9r hölzerner, tslgla zügeln, züchten,
rigla rütteln (zu mhd. rogel, *rugljan ), füg] Flügel, stir» stöbern
(mhd. stiirn), plr» an etwas herumbohren ( biirn zu bohren),
Sir» schüren, kspira verspüren, fir für, pirsta Bürste, first
Fürst, firyta fürchten, wirga würgen, pirg Bürge, tnirk mürbe,
feucht (;'o-Adj., mhd. untre o-St.), fidara fördern (vürderen),
Digitized by Google
59
tirmlig taumelnd (inhd. türmelic), tir/lk/ölla durchlöcherte
Siebkelle (zu mhd. dürchel)\ es ist zu beachten, dass Xr aus
iir nie zu ia diphthongiert wird ; iwar über, Tu>J übel, k/Xw}
Kübel, tlu'l Zapfen (mhd. tülael).
Anm. Beachtenswerte Neubildungen sind muv Michael, zu mijgjrZ
und kyruSt Christian, 'zu k/ristl.
§ 50. Mhd. ü, Umlaut tu, Es entspricht au, dem tu,
ai: prau / Brauch, pan/ Bauch, hauh» hauchen, rau/ rauh,
k/raut Kraut, haut Haut, staud» Staude, taus»t 1000, k/latts a
Klause (Eindämmung beim llolzschweinmcn), «ms aus, uuss a
aussen, hinaus; im Stanzertal und Paznaun lautet es ussa,
huss», auf die Ablautsform mit kurzem u zurückgehend,
grausa grausen, raus Bausch, taus » tauschen, maul Maul
('Mund' fehlt der Ms..), faul» faulen, paar Bauer, Saura hageln,
saur Hagel (mhd. schür), maura Mauer, taura dauern, saur
sauer, ein Adjektiv mhd. siir ( süre ?), s. § 49, möchte ich
auf Grund des Flurnamens slrapuit erschließen ; puit ist
mhd. hiunt eingezäumtes Feld, der Name würde also ‘saure
Wiese’, Feld mit schlechtem Grase bedeuten, vgl. den Flur-
namen sauronyar der saure Anger, den Ortsnamen saurs Saurs?
2 Stdn. westlich von Imst. Urkdl. ist 1483 ain stugk mad
genandt dg Süessatc erwähnt, pan Bau, paua bauen, traua
trauen, hanffa Haufen, traupa Traube, tauwa Taube, hauu-a
Haube, stwufa schnauben, au auf, tsdu Zaun, Iduna Laune,
prau braun, daXima Daumen, rdum Baum, rduma räumen,
farsduma versäumen (mhd. rümen, stimen). jü/tska hat die
Diphthongierung nicht mitgemacht; es ist eine lautnach-
ahmende Bildung in lebendigem Zusammenhang mit dem
Naturlaut jü. (Läge mhd. u vor, so wäre die Dehnung nicht
erklärlich).
Für den Umlaut vgl. fai/t feucht (ahd. fühti), puit J
Beutel (ahd. bütil), k/raits Kreuz, paila Beule (Kluge, et. Wb.
s. v.), sail Säule (ahd. snl i-St.), aitar Euter, raisa (ahd. rüssa,
*rüsga) Reuse, haiffig häufig, daxmlig, Däumling (des Hand-
schuhs), aissorlig äusserlich, graislig eckelhaft (zu grausa),
hnitar Häuter, haisar Häuser, raiha Rauheit (Fern, abstr.)
saiwara säubern u. a.
§ 51. Die Entsprechung i für mhd. U, ai für mhd.
Digitized by Google
60
Monophthonges tu, ö der Imster Ma. für mhd. ö, en für oe
zeigen, dass die Ma. in historischer Zeit die mit Vorstülpung
und Rundung der Lippen gebildeten Vokale verloren hat.
Gewiss ist das Aufgeben der bezeichneten Lippenartikulation
auf einen und denselben Prozess bei allen zurückzuführen,
der für alle im gleichen Zeitraum eingetfeten ist. Zur Zeit
der Dehnung muss noch ein Unterschied zwischen i und ü
gewesen sein. Wie schon angedeutet wurde, ist i vor r und
Dental zu io geworden, ii wurde nun zu I, wo Dehnung
stattfand. Mhd. mir zeigt sich als mi»r, mhd. viir als flr;
mhd. virst als furst, mhd. viirste als first. In dieser Behand-
lung des mhd. ür stimmt das ganze Oberinntal (speziell
die westlichen Maa.) mit Imst überein. Die Dehnung der
kurzen Vokale wurde wahrscheinlich im 13. Jh. durch-
geführt; es geht wohl kaum an, die Entrundung des ü schon
ins 12. Jh. zu versetzen (Weinhold, bair. Gr. § 19). Über-
haupt lässt sich aus den Angaben bei Weinhold S. 26 ( e für ö)
S. 41 (ö für e. i\ ii) S. 82 (ei für en) S. 90 (eu für ei) eine
sichere Datierung für den Übergang gerundeter Vokale nicht
gewinnen. Im 16. Jh. war er vollzogen. Die Imster Ur-
kunden schreiben bis zur Mitte des 16. Jhs. immer ö, ü, 5,
oe, ti, soweit der Umlaut überhaupt bezeichnet wird: 1543,
gewentUich (gewöhnlich), 1550 ebenso, 1569 geherig gehörig.
In der Baumeisterrechnung von 1600, Schneeftichten (Schnee-
flüchte: Zufluchtsorte vor Schneewehen in den Hochalpen),
hurten (2), (liierten 2), beträft, hüten Hütten. Im Ratsprotokoll
von 1611: dariber, unmiglich unmöglich, sovil miglirh, gebirt
(Fol. 3), mindtlich, besen bösen (Fol. 4), von neten (Fol. 5),
aisserlichs, gepreichig (auch in der Baumeisterrechnung 1600)
(Fol. 6), Creiigang, peucht (Fol. 8).
§ 52. Mhd. ei. Es entspricht durchwegs qa: loab Laib,
suoaf Schweif, rquf Reif, prqat» breiten, soudo scheiden,
Iqad leid, trqad M. Getreide, mqastor Meister (in diesen beiden
ist das ursprüngliche agi frühe zu ei, ui geworden, wahr-
scheinlich ist das g geschwunden (palatalisiert worden),
bevor a durch den Umlaut geändert worden ist), hqado
Heiderieh, gqas Geiss, gqasslo Geissei , glqus Geleise, maa
Mai, tqulo teilen, gqal fad schmeckend (mhd. geil), tsqugn
\
Digitized by Google
61
zeigen, mqar Name Mair, pqar Baier u. a. Vor Nasalen
erscheint rnlid. ei (V>a) als u<>: stiw Stein, hiülig heimlich
(heinliche), sui)dlz (aus *seindleti, zu rnlid. seine) nachlässig
arbeiten, In'.in » lehnen (mhd. leinen), lui'nprt Heimgarten,
Plauderei, Besuch, mifonuq Meinung, tO ein, ftüm Feim,
siioin Schaum (mhd. scheint), lc/hün» klein machen, tswuntsk
(mhd. zweinzec). ai für mhd. ei haben folgende Wörter:
gaiist Geist, hailig heilig, gnistlig Geistliche; die Urkunden,
welche altes ei als ai, neues ei aus t als ei, ey konsequent wider-
geben (nur 1542 maines mhd. mtnes, gemeinlich mhd. gemein-
lirhe), schreiben 149S Heglign, 1500 heylign gaist, 1509 heiligen,
1512, 16 geistlich, geystlich , 1517 heiligen geyst . 1451 hui-
ligen. Nach diesen Schreibungen zu schliessen, drang (durch
eine Kirchensprache?) ei für ai {ai für qa) in der zweiten Hälfte
des 15. Jhs. durch. Für flais Fleisch, vgl. 1467 fit tisch, 1611
(Fol. 4) fleisch. Auch im 17. Jh. werden die Schreibungen
ei und ai auseinander gehalten, Verwechselungen sind ver-
einzelt. aigstlig eigentlich, neben qagd eigen ; k/aissr Kaiser,
selten k/qas»r, fcrstnagsr» und ferstaigsr » versteigern, unag»r»
und waigsrs weigern, huid Heide (mhd. beiden ) ; das Suffix
-heit erscheint, wo es nicht zu hat abgeschwächt ist, als -halt,
ksunthaü Gesundheit, eawik/ait Ewigkeit ik/ronk/nt Krank-
heit, wqrhst Wahrheit); dagegen schreiben die Urkunden
regelmässig -halt, 1467 siechait, 1450 warhait, auch in den
Katsprotokollen immer -liait. ln Zams, Landeck stehen die
Komponenten des qu einander näher; q ist mehr dem a ge-
nähert; im Stanzertal und Paznaun wird reines a für Imster
qn gesprochen: lad leid, plüys bleichen, was Stück gerodeter
Waldfläche (= Reut) davon der Name Maass = Bauer der
eine mds bewohnt, (zu mhd. meinen ) ; da auch vor Nasalen
mhd. ei als ä erscheint, haben wir es in diesem « mit einem
lautlich entwickelten zu tun. stä Stein, alä allein, m än»
meinen; Nagl (Zs. f. österr. Volkskunde I S. 34) will « für
mhd. ei als fremdes, nicht im Bairischen entwickeltes Sprach-
gut fassen. Aus den Angaben bei Weinhold, bair. Gr. S. 52,
Schöpf, in Frommanns U. Maa. 3, 89, ist zu ersehen, dass
a für mhd. ei auch auf bairischem Boden organisch ent-
wickelt wurde. Eine Art »-Umlaut des ei scheint in pcatl»
Digitized by Google
62
beide, vorzuliegen, wohl schon ahd. (Braune, ahd. Gr. § 43, 5)
bede durch das Neutr. beidiu zu bidiu ? Zu qa kann nach
dem Muster von mhd. u: oe (heute qa, e.d) ein Umlaut qa
gebildet werden: preat Breite, hqas Hitze, wqayg Weichheit;
alle Fern, abstract. haben den Umlaut. Für die Entwick-
lung des Qa vgl. man aus den Urkunden: 1477 Plaeckh
Anger (heute zu plqakyengl, Flurname bei Obtarrenz, ge-
worden, vgl. Schmeller I, 323), 1479 ztcoe (neutr. 1504 Oswald
Muer (Mair). Aus diesen Abweichungen vom gewöhnlichen
ai ist doch zu entnehmen, dass bereits qa gesprochen wurde.
1504 den man nembt Poener , 1524 Jacob Poener , 1543 Hans
Poener, 1569 Jacob Payner. Zu Grunde liegt diesem Namen
ö, dessen Diphthongierung man zu bezeichnen versuchte;
sie deckte sich aber mit der des mhd. ei ( ain ), daher
die Schreibung Payner statt Pöner (zu mhd. böne F.) ; 1585
Hans Joes, der Name wird heute Jais geschrieben (wie vom
17. Jh. an) (jqas) ; es ist eine Kurzform zu ‘Josef’ und ver-
langt eine frühe Form jös. In Innsbruck kommt der Familien-
name Joas vor (dialektische Schreibung).
§ 53. Mhd. om, öu. Die Ma. bietet zwei Laute dafür,
ou ( o'u ) und au: oug Auge, longo Lauge, goukU herumfuchteln
gaukeln, rou% Rauch, rouy» rauchen, ou auch, glouw » glauben,
dsrlouw» erlauben, gonfl» hohle Hand (mhd. goufe), slouf
Masche (zu mhd. slöufen), kyovff'o kaufen, louffs laufen,
trouf M. Traufe, stoup Staub, loup Laub, soup Schaub (Stroh-),
toup erzürnt (mhd. toup), touffs taufen, roups Koppen ; der
Diphthong geht auf altes au zurück ; die Schreibung ‘Koppen’
ist falsch ; im 14. Jh. ist Rauppen geschrieben, vor p kann
in der Imster Ma. kurzes o nie gedehnt werden; vielleicht
hat auch altes ou der Name roufs (Kolon, Rofenstein und
ähnl.). roupd und rouf» lassen sich unter einer idg. Wz. rup,
Ablaut roup, vereinen (vgl. beim Konsonantismus), träum
Traum, dsrtroums träumen, poum Baum, roum Kahm, soltm
Saum. Da sich die ou dieser Wörter vollständig mit denen
aus mlid. gedehntem und langem a vor Nasal decken , so
ist es erklärlich, dass ihre Deminutive analog diesen gebildet
werden: poiim Baum, penn Bäume, pumls Bäumlein, wie
ro'iims Rahmen räml>, soums Samen, sämls: rämla dünner
\
Digitized by Google
63
Rahm (zu röiim). Für die Umlaute zu diesen vgl. man:
göik»l» zwecklos sich beschäftigen (zu mhd. gouckeln und
nicht wie bei Loxer I, 1044 zu gogeln), r'öiy» räuchern; in
Tarrenz und westlich von Imst: rauchen (Tabak), utjglöiwlig
unglaublich, löiffig läufig, stöip» stäuben, d»rtöip» erzürnen
zu toup, u»nökk»t einäugig, entstand aus *einöuggent (ahd.
einoucki).
au haben : laugir» längnen, taug» taugen, august (junges
Lehnwort) August (Monat und Name); hauptsqy Haupt-
sache, haupmöii Hauptmann, (das einfache Haupt fehlt der
Ma.), tsauw»r » zaubern, raute» rauben, der Einfluss des Nhd.
auf die Gestaltung des ou zu au lässt sich heute beobachten,
da neben den oben genannten ou auch au gesprochen wird
bei aug Auge, glauw » Glauben, tauff» taufen, ürlaub Ur-
laub. (Urkdl. 1485 hopf, hobt, als Flur, von mhd. houbet).
Nur au und dies in lautgesetzlicher Entwicklung kommt
den Wörtern zu, die ihr ou (mhd.) aus germ. aw entwickelt
haben : frau Frau , au Au , hau» hauen, giiau genau, tau
Thau, saug» schauen; der Umlaut dazu ist ai, all» kleine
Au, frail » Fräulein, taijsl » leicht regnen (zu Thau), haij»l»
Tätschchen, zu hau » ; gai Gau, hai Heu, gehen auf altes
gauwj- mhd. göutee zurück. Von Telfs an östlich und vom
Vintschgau an spricht man für das ou der Imster Ma. (ahd.
ou) ä, a ; nur vor altem tv und teilweise vor g wird au
gesprochen. Inwieweit au vor g lautgesetzlich ist, kann
nur auf Grund von reichlichem Material aus den Maa. ent-
schieden werden. (Vgl. die Angaben bei Maister, a. a. 0.
S. 10. u. 16). Gewiss ist, dass der aus germ. amo, auw ent-
standene Diphthong ahd. oute eine andere Behandlung erfuhr,
als der aus germ. au entstandene. Dies lässt sich bereits
fürs 12. Jh. erschliessen; für den Fall, dass z. B. ahd. houwan
und koufön gleiches ou besassen, muss w vor dem 13. Jh.
den Diphthong in houwan so beeinflusst haben, dass er als
au erscheint gegenüber dem ou in koufön. Der Schwund
des w fällt bereits ins 12. Jh. (siehe beim Konsonantismus).
Wenn wir nun heute in der Ma. des Ötztales finden, dass
die ou der Imster Ma. als ö gesprochen werden, (vgl. hof,
lödan für Imster houf, loud», kyöffan, röy gegen kyouff»,
Digitized by Google
64
rouy) so wird man zugeben, dass ahd. ou einst zu 5 wurde,
von dem aber das ahd. 6 (germ. ou) verschieden war.
Dies haben wir für unsere Ma. anzusetzen. Die ahd. ou
wurden Monophthonge, nur so ist es begreiflich, dass die
Entwicklung des alten ü zu au (über *ou) die alten Diph-
thonge nicht berührte. Wo w folgte, behielt ou sein diph-
thongisches Element, gai Gau, hat Heu, geben die Erklärung
für kyröil Krauel, ihm liegt mhd. kreirel nicht krötiwel zu
Grunde (ahd. Jerewil, nicht krouioil). Vgl. § 36.
§ 54. Germ, eu und ew. Es erscheint im Ahd. obd.
als io und iu, Braune, ahd. Gr. § 47. — Ahd. io entspricht
ia, für iu zeigt sich ia, ui, ai. Auf ahd. io geht ia der
Imster Ma. zurück in : lud Lied, riad der häufige Ortsname
Ried, fast jedes Dorf hat sein Ried, Beiträge 18, 331, niata
Niete, nur» Niere, stiar Stier, tiar Tier, diarna Dirne, dCma
dienen, giassa F. Seitenarm des Innes, kynia Knie, liayt Licht,
siay hässlich (o-St.). Die starken Verba der 2. Klasse a, haben
ia lautgesetzlich im Ind. Plur. Präs, im Konj. Inf. Part.
piata bieten, siada sieden, giassa giessen, siassa schiessen,
Sliassa schliessen, gqiassa geniessen, fardriassa verdriessen,
spriassa spriessen, fliassa fliessen, niasa niesen, ferliara ver-
lieren, kfriara gefrieren, tsiaha ziehen, fliaha fliehen. Auf
ahd. iu geht ia der Ma. zurück in : liab lieb, diab Dieb, tiaf,
tief, riama Riemen, siay Scheltwort: gierischer Mensch;
kyliawa klieben, stiawa stieben, siaica schieben, triaff'a triefen,
Sliaffa schliefen , riaya riechen , rauchen , kxriaya kriechen,
liaga lügen, piaga biegen, fliaga fliegen, triaga trügen, ui ent-
spricht heute ahd. in im Präs. Sing. Ind. Imp. der ange-
führten starken Verba der 2. Kl.: i puit ich biete, du puigst
du biegst, ar darfruirt er erfriert, tsuiy ziehe, fluig fliege.
Hier konnte keine Brechung eintreten, da in der Folgesilbe
«, i stand oder kein Vokal (Imp.). Wo dem ahd. obd. iu
heute ia entspricht, ist die Brechung später durchgedrungen;
die labiale, gutturale Konsonanz hemmto die Entwicklung
zu io-, doch nur teilweise: Die Qualität des iu z. B. in piugu
muss eine andere gewesen sein, als die des iu in riumo,
piugent-, die Veränderung, welche iu vor Dentalen durch
Brechung erlitt, war grösser als die des iu vor Labialen
Digitized by Google
65
und Gutturalen. Vgl. Wilmanns, deutsche Gr. S. 167. Es
kann hier auf die im Grunde analoge Erscheinung beim
Umlaute des ahd. a verwiesen werden. Das Verbum zeigt
die Brechung des germ. eu klar: piugii mit reinem iu, piugan
mit afficiertem iu (m). Nach dieser meines Erachtens unan-
fechtbaren Aufstellung, die ich Wilmanns (a. a. ü.) entnehme,
können wir für die ahd. Zeit ein Paradigma mit Doppel-
formcn konstruieren. Lautlich entwickelt flektierte z. B.
diub : Nom. S. diub, G. (liebes, D. diqbe, A. diub. PI. N. dinha,
G. dhfJbo, Dat. diubun. Ausgleich konnte nun nach zwei
Seiten hin eintreten ; einerseits konnte der Diphthong iu
(mhd. ie) über alle Kasus ausgedehnt werden (Imst diub,
mild, diep), oder das ungebrochene iu herrschend werden
(Schöpf, tir. Id. S. 93, duib, doib , mhd. diup). So erklären
sich die Doppelformeil von mhd. tief , tiuf, liep , liup, Prät.
lief, Huf. Für Imst sind die vorauszusetzenden Doppel-
formen überall ausgeglichen worden, teils zu Gunsten des
ii{ (heute in), s.oben, teils des iu (heute ui) : ßitign Fliege,
gruipd Griebe, suir» Eiterbläschen (vgl. Scluneller b. Wb. 11
322), luiksn Leuchse, stuifmuntnr, -k/ind Stiefmutter, -kind,
tauig N. Zeug, tauig M. Zeuge (mhd. geziuge); ui hat das
isolierte Neutrum drui (mhd. driu) drei Uhr, huirn heuer
(ahd. hiuru). ui für iu erscheint in luits deutsch (diutisc),
Init (Plur. liuti), daitn deuten (ahd. dititen), natu» neun (uat)
aus dem Neutr. mhd. niuniu, gaid» geuden (* giudjan), tai/tn
leuchten ( liuhtjan ), fai/Jn Fichte (*fiuhtjön- Kluge, et. Wb. 5
s. v.). In diesen Beispielen liegt i-Uinlaut des iu vor, vgl.
Braune, ahd. Gr. § 49 und die dort verzeichneten Verweise.
Die Brechung trat nicht ein vor w (Wilmanns, a. a. 0. A. 1):
ruij» reuen (riutren), pluij» bläuen (bliuuen), k/uijn kauen
(kiutcen), pruijn brauen ( briuwen , häufiger ist heute praijn,
sicher durch nhd. Einfluss), k/rtuidf. Knäuel (mhd. kniutoel)-,
der Name zweier Hochalpen (Imster, Natnloser) truij» dürfte
auf ein ahd. *trimra zurückgehen, das mit ahd treu, got.
tritt, zu verbinden wäre. Der Umlaut des iu trat nicht ein
vor w: nui neu (ahd. nittwi), trui treu (ahd. triuwi), auch
nicht vor h, vgl. sui% scheu, in ihn scheuen (mhd. schiuhe,
schiuhen), ebenso nicht vor r: tuir teuer (ahd. tiuri). Die
Schatz, Die Mundart von lmt«t. 5
Digitized by Google
66
gleiche Aufstellung vor u\ r hat Brenner, PBB. 20, S. 84.
Demnach muss stuir Steuer ein jd-Stamm sein, da es ahd.
ein starkes Fern, ist und in hat, nicht *stiora wie man nach
don Gesetzen erwarten sollte. Den jä-Stamm *stiurja weist
Sievers, ebenda, 20, 81 A. 1, nach, altsüchs. heristiuria.
Die 2. 3. Sing, der angeführten starken Verba hat ui in
Analogie zur 1. Fers, (und zum Imp.); die lautlicho Ent-
wicklung müsste heute ai ergeben (Brenner, a. a. ().).
Als ui erscheinen die mhd. in folgender Wörter: fruit
Freund, puit (mhd. Hunt) Kluge, et. Wb. B Bounde, tuif\ (und
tat fl) Teufel, pfui pfui, hui Interjektion, fnir Feuer hat wohl
immer ui gehabt, ahd. vuir Braune, ahd. Gr. § 49 A. 3. ui
kann aus tu kaum anders als durch Metathese entstanden
sein. Jedenfalls ist kein Monophthong Vorstufe des ui ge-
wesen. Dieser ist nur für jene tu anzusetzen, welche heute
als ai auftreten, also umgelautet wurden, iu zu iü zu »I,
Braune, a. a. 0. § 49. — ui war im 15. Jh. bereits vor-
handen. Urkdl. 1485 puitet , 1500 genant der Nuipruch ,
truilich und ungevarlich, in truien (in Treue), gezuige (Zeuge).
1501 truilich , mit handt gelobten truien an aydesstat, gezuigen.
1504, 1506, 1507 (2) truien, zuign, truilich. Das sind deut-
liche Belege für das Leben des ui zur damaligen Zeit. Früher
und später wird immer ew, eu geschrieben, 1448 lewt, 1476
frewndes, 1477 peuntt (‘puit’), 1516 neuest (geniesst). iu muss
noch zur Zeit des Schwundes des w (12. Jh.) geherrscht
haben, da w nach i nicht wegfällt.. Nach diesen Aus-
führungen haben wir für das Ahd. (Obd.) drei Schattierungen
des iu anzusetzen: iu, iu, das mhd. als ie auftritt, und iu,
das monophthongisiert wird und zu ai sich entwickelt; Nagls
Bemerkung (Zs. f. österr. Volkskunde I, 59), ai = mhd.
iu sei nicht bairisch, entbehrt der Begründung. Wenn
Nagl im Euphorion II, 645 zur Stütze seiner Ansicht, ahd.
iu sei im Bair. einheitlich vertreten, nach Schöpf (Frommanns
Dtscli. Maa. 3) tirol. loit, doitsch anführt, ist er durch Schöpf
irre geführt; mhd. iu wird in Teilen Tirols als oi gesprochen,
wo es dem Diphthong entspricht, als gi , wo es auf das
umgelautete mhd. in zurückgeht; foir, toir, noi aber Igit,
tgiti wie kyrgits.
Digitized by Google
67
§ 55. German, geschlossenes 1 ) P. Es erscheint im Mhd.
als ie, in der Ma. als ia: tsiagl Ziegel, siar schier, miata das
Vieh auf den Alpen mit Salz, Mehl füttern (Schöpf, tirol.
Id. S. 437 f.), priaf Brief, spiag] Spiegel, kyi> Kien.
ia haben auch: iats jetzt, nta nie, dar iad (der) jeder,
s iattcöidar jedes.
§ 56. Mhd. uo, üe. Die Ma. bietet ua, ia, vor Nasalen
iß, ia : muatar Mutter, pruadar Bruder, tsua zu, huaf Huf,
Stual Stuhl, rua Ruhe, Spuala Spule, fnadar Fuder, tua tue,
truala wühlen, fuar Fuhre, suaya suchen, suoha Schuhe machen,
sua/tar Schuster (aus schuorhsutcere , *schuochtcere), fltiaya
fluchen, stuaffa Stufe, puayas buchenes ( buochin g), hua Huhn,
nuasla aus der Nase reden, näseln, geht auf idg. nüs- zurück
und beweist, dass die Ablautsstufe mit ü auch im Germanischen
vorkommt (Kluge, et. Wb.), massig russig; iewa üben, riawig
(ruaijig) ruhig, siapa Kopfschuppe (westgerm. *scöbjü-), triab
trübe, fiara führen, kyial kühl, kyiala kühl machen, vgl. kyual
(o-St.) von Speisen: nicht mehr heiss, abgekühlt. Vgl. das
Lied: »s riiigijalat , as snaiwalat , as g<ut a kyualar wint, es
regnet und schneit durcheinander, es geht ein kühler Wind.
kxuala kühl werden, wiata wüten, pliata bluten, riaßa rufen
(mhd. rüefen), miassa müssen, miad müde, mia Mühe, mialig
lästig (mhd. miielich), pria Brühe, miadar Mieder (mhd.
»nieder), prial kleine ruhige Wasserquelle, Brühl, (vgl. Kluge,
et. Wb. s. v.), totest wüst, gijiaga F. Genügen, riara rühren,
spiala spülen, triag trüge, sliag schlüge, hiala Hühnlein, wiar
Schutzmauer im Bachbett, auf altes wörja- weisend, wie
Schmeller, bair. Wb. II 972 unten, das Wort richtig zu wur-
(idg. war, Vollstufe dazu idg. *wflr-, germ. *M.'ör-) „wehren“
stellt, sias süss, hiata hüten. Der Übergang von üe zu ia
beruht auf demselben Vorgänge der Entrundung, der § 51
dargelegt ist. Die ersten urkdl. Belege von ie für üe sind
1588 ob berierter sacken, 1600 hieten, 1611 Fol. 4 behieten,
Fol. 6 Caspar Siessmagr, dagegen aber noch 1501 rüebigldich
(mhd. ruowiclich).
! ) Dafls das germ. e* kein geschlossenen (enges)
van Helten, PBB. 21, 43R f., zu begründen.
war, sucht.
Digitized by Google
68
R. VOKALISMUS DER NEBENTONIGEN SILBEN.
1. ENDSILBEN.
§ 57. Sämtliche auslautenden Vokale sind abgefallen.
Die vokalischen Endungen des Mhd. fohlen heute. Vgl.
pay mhd. buche, nayt mhd. nehte, klart mhd. hirte, kyds mhd.
kwse, iod schade, ong mhd. ouge, tswöig zuwege, qhcig immer,
(ulleuege), npi enge, lür leer (ahd. Idri), spat spät (mhd. spa-te),
trüb trübe ( trüebe ), pqas böse; die Adverbien: lotpj lange,
tswgr zwar, gguag genug (mhd. genuoge), fest fast (vaste),
sie) schon (schöne) ; die Verbalendungen: 1. 8. Präs. Sing.
Konj. staig (mhd. stige), 1. 8. l’rät. Konj. stig (mhd. stige),
2. Sing. Imp. der schwachen Verba; frQg (mhd. präge), die
Femin. abstracta auf Iiqay (ahd. Iw hi), grqas Grösse, leipj
Länge, prqat Breite, gmuü Gemeinde (mhd. gemeine) u, a.
bald heute (mhd. hiute), fröid Freude, röid Rede, kyais Ge-
häuse u. s. w.). Im Inlaut ist mhd. e unter gewissen Be-
dingungen ausgefallen: Immer in ursprünglich zweisilbigen
Wörtern, ausser wenn e zwischen zwei Verschlusslauten,
deren erster p, t, d, k ist, oder zwischen den Spiranten s,
s und s steht; in diesem Falle erscheint es als ». mqrkyt
Markt (mhd. market), mqkt Magd (mhd. maget), jqkl Jagd
(mhd. jaget), omt Amt (mhd. ambet), kyreps Krebs (mhd.
krebtf) ; das e von mhd. zec in den Zehnerzahlen: draisk 30,
(mhd. dri^ec), fuftsk 50 (mhd. fünf zec); in der Konjugation
staigst, staigt (mhd. stigest, stiget), tsuiyt (ndid. zinket), plost
(mhd. blüset), ropft (mhd. rupfet), nimt (nimet) , kfrqgt ( gevräget );
der Vokal des Superlativsuffixes mhd. -est, raiyst (riebest-),
le^kM (lengest-), dagegen: pint»st bindest, sqdat schadet,
paisssst beissest, aber paist beisst, waitnst weitest, pqasast,
bösest. Diese Erhaltung des e ist dem Bestreben der Sprache
Konsonantenhäufungen zu vermeiden zuzuschreiben. Vgl.
die Belege aus den Urkunden § 170 Anni., welche erkennen
lassen, dass diese Regelung jung ist. — Vgl. Flexionslehre
Mhd. -el ist zu l geworden; löff\ Löffel, pih\ Bühl (mhd.
bühel) ; mhd. -er erscheint immer als -»r: fqtsr Vater, tsqagor
Zeiger, fn»t*r» füttern u. s. w. ; dies kann nicht immer so
Digitized by Google
69
gewesen sein; die Entwicklung eines d in Verbindungen
nihd. -/er- -«er- ist nur möglich, wenn der Vokal ausge-
fallen ist. Vgl. sfadar schöner ( *schoenr -), [urkundl. 1611
Fol. 4, erinndercn (aus erinnren , heute dar binar,)) |, ferner
solitär Söller (mhd. solre) ; im einfachen Wortkörper ist die
zu erwartende Folge von Konsonant und r immer durch
getrennt. Schwund eines langen Vokales (Diphthongs)
weisen einige Zusammensetzungen auf: fqart] Vorteil, icolfj,
wohlfeil, sou fj sinfl so viel ; wahrscheinlich geht »qzpar auf
nachpr zurück. Ungewiss ist auch die Herkunft des a in
potpjart Baumgarten, huHjart Heinigarten, es kann das abge-
schwächte ii von garte sein oder auch sich aus f (pongft)
entwickelt haben.
Der Vokal der Schwachtonsilbe ist in der heutigen
Ma. a. Auslautendes -a geht zurück auf mhd. -en (nicht
anlautende Lenis » ist in der Ma. geschwunden): wi/ga Wagen
(mhd. wage»), fgda Faden (mhd. rndett), hrara Flur. Herren
(mhd. hören), fraua Flur. Frauen ( vrouwen ); in der Verbal-
ttexion endet die 1. 3. Präs. Plur. Ind. Konj., Prät. Plur.
Konj. auf -a (mhd. en), staiga Präs., stlga Prät., auch das
Part, (der starken Verba, z. B. kstiga gestiegen ; tsöiha 10
(mhd. zehen), öiwa eben (eben), trukx» trocken (trucken), niana
nirgends (mhd. nienen ); das -a in huira weist auf früheres
*hiuren mit adverbial ableitendem », Kluge, et. Wb -5 s. v.
'nun; auf mhd. in in den Zusammensetzungen mit -hin :
««dahinauf, qha hinab, tsuaha hinzu, oh ha hinan; auf mhd.
in: rupfa (mhd. rupf in), gulda Gulden (mhd. guldin); die
Deminutive lauten alle auf -la aus (mhd. elin): plattla Blätt-
lein, pissla (ein) bisschen, wiigala Wägelein. Östlich, von Silz
und Mieming an, ist heute silbisches l Deminutivsuffix in
zweisilbigen Wörtern: platt], pfaiff] Pfeifchen; bei mehr-
silbigen kommt la vor: fögala Vögelein, unigala u. a. Auf
in zurückzufUhren sind die -a der Fern, abstracta, da » ge-
schwunden ist (s. o.): waita Weite, swörtsa Schwärze. Die
Mehrzahl dieser Fern, hat die Bildung auf -a, im Gegensatz
zum Mhd., das die Bildungen auf i, mhd. -e, fast ausschliess-
lich hat (Paul mhd. Gr. § 126. 3).
Inlautendes -a- entspricht: Mhd. en: qardalig (mhd.
i
Digitized by Google
70
ordenliche), söigasa Sense (nihd. segense ) ; -ent der Part. Präs,
ist zu at geworden: löiwat lebend, louffat laufend; die 2. Plur.
Präs. Ind. Koxij., Prät. Konj. lautet 9t, auf ent zurückgehend:
sqgat sagt, öis gdwat ihr gäbet, öis saijat ihr seiet. Lange
gedeckte Vokale einer schwachtonig gewordenen Silbe sind
zu 9 geworden: hairat Heirat (mild. hirAt), gruömat Grummet
(gruonmät), mounat Monat (mänt'd), huamat Heimat; hqatsat
Hochzeit (hochzit), qrwat Arbeit, artcas Erbse (artceiz), kyrop-
kyat Krankheit, wqrhat Wahrheit, ommasa Ameise, ornpas
Amboss; die in in Stoffadjektiven: puayanar buchener, pu»x»s
buchenes (mhd. buochiner, buochini), wullanar wollener, trullas
wollenes, tiayanar, tia%as (mhd. tüechtner , tiiechinz ) , goldas
goldenes (u. gnldas), faiytas, jtiryds holts Fichten- Birken-
holz (mhd. viuhtinz , birchin%). Das Deminutivsuffix erscheint
heute teils als l» teils als ab ; la ist die organisch ent-
wickelte Form ; bei den starken Substantiven , z. B. mhd.
wegelin, steteün, wibelin trat Schwund des e ein: tcöigla,
stattb, waibl » ; bei den schwachen trat mhd. elin an das e
des Nominativs: gertelin (zu garte), züngelin (zu zunge)
öugelin (zu ouge), auch hier musste e schwinden. Vgl. payl»
(zu pqy Bach), pargb (zu parg Berg), kyiwpfl» (zu kynopf
Knopf), natb (zu nqt Nat), höftl» (zu höft Heft), dayla (zu
doy Dach), kyaktl» (zu kyqkb Kasten), palkyl» (zu pidkyJ
Balken), gräwb (zu grqwa Graben), tsapfl» (zu tsqpfa Zapfen),
sä mla (zu souma Samen), kattla (zu kqtta Schatten), prökyl»
(zu prokya Brocken), kyölbb (zu kyolwa Kolben), pföktl» (zu
pfosta Pfosten), tropft» (zu tropf» Tropfen), slttb (zu Mit »
Schlitten), rthtnb (zu riem» Riemen). Die heute auf Kon-
sonant auslautenden Feminine haben alle die Deminutiv-
bildung -b ; von denen, die heute auf Vokal ausgehen (-»),
haben viele -h, andere-^: prikl» (zu prukko Brücke), wish
(zu uns» Wiese), Itöisl» (zu horte» Hose), kyiryl» (zu kyiry»
Kirche), pltöml» (zu plrnm» Blume), pfaiffb (zu pfaiff 9 Pfeife),
salbt » (zu sqlw» Salbe), kqadta (zu soad» Scheide), tasl » (zu
taSsa Tasche), flasl» (zu flqss» Flasche) u. s. w. Nun ist aber
das Deminutiv gewiss nicht bei allen im Gebrauche gewesen,
die es heute haben. Neubildungen wurden nach dem Muster
der genannten hergestellt, an die Form des Substantivs trat
Digitized by Google !
71
-b; lautete dieses auf -3 aus, so hatte das Deminutiv die
Gestalt -dU. In dieser Gestalt war das Suffix in jenen
Wörtern organisch entwickelt, welche mhd. auf -en aus-
gehen; vgl. wdgah (zu mhd. wagen), pöisaü (zu mhd. besetn,
beiten ); ferner in den Wörtern auf -el z. B. mhd. vögeliin
heute föigtla ; die Geniinata U erforderte für die Silbe eil
einen stärkeren Ausatmungsdruck, wodurch ihr ein Neben-
ton gewahrt blieb, der den Vokal vor Schwund schützte.
VSffil» (zu löffl Löffel), pis&l» (zu puÜ Büschel, Blume),
itlweU (zu staw3 Stube), gas&la (zu goss,) Gasse), rinnal»
(zu rinn 3 Rinne), pWh (zu pW Birne), stuiignb (zu stotjtj3
Stange), tonnal » (zu tonn» Tanne), fuiytnb (zu fai/U Fichte),
trih»l» (zu trab 3 Truhe), sritgzl» (zu irngn Schrägen), pöigala
(zu poug» Bogen), kyragal» (zu kyrog» Kragen), k/arr»l9 (zu
kygrrd Karren), wdsab (zu wgs3 Rasen), haiffil» (zu hauff»
Haufen), stokyjb (zu stiiky» Stecken), fänab (zu föhne M.
Fahne), rikksb (zu rukk.3 (Berg-) Rücken). Die einsilbigen
auf l auslautenden Substantive haben -»13 ; tdl9l9 (zu tql Tal),
itibl» (zu stil Stiel), sqabb (zu sqal Seil), stalbb (zu st oll
Stall). Dass wir es hier mit dem sekundären Suffix -ab
zu tun haben, erweisen alem. Formen wie tqlb (tabb) (Vorarl-
berg), das aus mhd. telelin durch Synkope entstanden ist.
Auch bei zweisilbigen mit l im Stamnmuslaut tritt das er-
weiterte -ab an. inalUl » (zu snqlb Schnalle), kyölbb (zu
kyölh Kelle) , tsill»l9 (zu tsilb Zülle) , gralbb (zu grqlb
Koralle, Kügelein am Rosenkranz), fälbln (zu fglb Falle),
piilbb (zu polb Bollen), siiibb (zu soub Sohle), iabb (zu
iqb Schale) u. a.
§ 58. i erscheint in Nebensilben im Adjektivsuftix
('s (ahd. isc): swainis, schweinisch (geschwunden ist es in
tais unreinlich, „säuisch“), pairis bäurisch, pqaris bairisch,
hqarü, was zu den Herren („den gebildeten Ständen“) gehört,
herrisch, imStaris imsterisch, roignaris regnerisch u. a. m.
Das Suffix -ig kommt Substantiven und Adjektiven zu. kytnig
König, hounig Honig. Auf Guttural auslautende Stämme,
die als zweiter Teil eines Kompositums der Vokalschwächung
unterliegen, erscheinen heute als -ig: suntig Sonntag, mutig
Montag, örytig Dienstag (mhd. erchtac ) , mittig Mittw'och
Digitized by Google
72
(selten, liäufigor mitiro y), pfintstig Donnerstag (mild, pfinztac),
fraitig Freitag, somstig Samstag, fairtig Feiertag, icarytig
Werktag, hantsig Handschuh (dagegen -haustny Hausschuh),
Artig Schürze (mhd. ciirtuoch), snittlig Schnittlauch, kynouflig
Knoblauch, lailig Leintuch (mhd. Itnlachen, Machen), ptirlig
(inhd. bi Hin c), hampflig Hämpfling, gruacig, plötsig (Name
von Hoehalpen, im 17. Jh. noch gruebach, plötzach). Das
Adjektivsuffix mhd. -ec (ahd. -ag -ug) erscheint heute als
-ig gleich dem ahd. lg\ vgl. tsaitig (mhd. zitec) zeitig, artig
artig, tcqldig waldig, netsig einzig, wititmg winzig. kyröftig
kräftig, (ahd. kreftig), maytig mächtig (ahd. mahttg) u. a.
Mhd. -lieh ist durchwegs zu -lig geworden': frailig freilich,
tsaitlig zeitlich, giHlig gütlich. Die Urkunden des 15. und
16. Jhs. schreiben noch häufig -leich, das sich aus stark-
tonigem -liebe entwickelt hat. Das Feminin-Suffix *innja
tritt als in (inri) auf, das aus früherem -inne entstanden ist;
daneben erscheint n sekundär aus in geschwächt, pöitin
(pöitn) Botin, Kaiserin Häuserin, kyelhrp Kellnerin u. s. w.
2. VOKSILBBN.
Mhd. be- ge- ; be- zeigt sich als ps- vor p, w, m, t, d,
n, k, g, f; ge- als gf>- vor p, t, d, k, g, vor den andern
Konsonanten und vor Vokalen ist der Vokal abgefallen.
p.ipuua bebauen, p&wais Beweis, pnnörky» bemerken, pitrqyti
betrachten, pidetjkyi bedenken, pwuts» benutzen, p^kylqg»
beklagen, piggan begehren, p»folh» befohlen ; psitsi besitzen,
psaiss » (betrügen), phondl» behandeln, plogrp sich sehnen
(mhd. belangen), plaiwi bleiben, gepüit Gebet, gidogkye Ge-
danken, gitdimr Klopfen (mhd. getemer) ; aber kfund» ge-
funden, kft}r Gefahr, gtntkd gemeint, gnädig gnädig, ggomm»
genommen, ksiyt Geschichte, ksaid gescheit, glih» geliehen,
groß gerade, gwöir Gewehr, gwqrtit gewartet, kyqan (ky
aus gli) gehören, kyilf Gehilfe, kyolff '» geholfen. Mhd. Jur-
ist heute f»r. Für er, zer, ent hat die Ma. dir (geschwächt
aus ‘durch’): dirsami erscheinen, deraissi zerreissen, vgl.
dirp/ßn empfangen, begriissen (mhd. emphähen), dvrpfind»
empfinden. Eine andere Auffassung dieses dir vertritt Kauff-
mann, deutsche Gr.‘ 2 1895 S. 65.
Digitized by Google
73
§ 59. Die Schwächung der Vokale vorzüglich einsilbiger
Wörter in pro- und enklitischer Stellung betrifft zumeist
die Präpositionen und Pronomina: tsua zu (mhd. zuo) betont,
tsu, tsur zu der, tsun zu dem, tsu da zu den, ts zu, vor dem
Inf. (mhd. ze), darf ult da von, als Präp. fu von, für von der,
fun von dem, fu da von den; au auf, af, auf , afp, au ft}
auf dem, af di auf den, oh an, an an dem, a dar an der,
a di an den, in in, i dir in der (vgl. ai, ein alter Ablaut
mhd. in); pai bei, pan beim, par bei der; tirar , itvar über
u. s. w. mir wir, betont miar, qar, ir er; du, du du, l, t ich,
sl, si sie; »s es, hat keine starktonige Form mehr; es steht
immer proklitisch as oder enklitisch -s. Die Formen des
Artikels: dir der, di den, t die, s das, in (aus en) dem.
Proklitisch sind unter andern: ana ihnen, an ihr ( iren ), mar
mir, dir dir, mig mich, dig dich, sig sich, um einem u. a.
Die Erscheinung der Apokope und Synkope hat Wein-
hold, bair. Gr. § 14. 15 schon aus dem 13. Jh. belegt. Die
Imster Urkunden haben die auslautenden Vokale nicht mehr,
von den heute synkopierten inlautenden werden nur ver-
einzelte noch geschrieben.
C. KONSONANTISMUS.
1. DIE LABIALEN.
§ 60. Germ. p. Im Anlaut erscheint die Aff'rikata pf.
Die Hauptmasse der Wörter iffit anlautendem pf sind Lehn-
wörter. pfqat Hemd (mhd. pfeit), pfonna Pfanne, pfa/tig das
rechte Muss habend (zu mhd. pfehten, vgl. Kluge, et. Wb. 5
s. v. Pegel), pfüsi brodeln (zu mhd. pfiisen), pfar/a ab-
grenzen (mhd. pferchen), pfaiffa Pfeife, pfenta pfänden, pftp r
Pfarre, pfqrrar Pfarrer, pfluag Pflug, pftliiga pflegen, pfiauma
F. Flaumfeder (mhd. pflüme), pfrauma Pflaume (mhd. pflume
*pfrüme lat. prunum), farpfrtatna sich verpfründen, pfnlha
schwer atmen (vgl. mhd. pfnehen ). Zu beachten sind pttea
Teich, Bache auf Wiesen (wie in nhd. Pfütze liegt lat.
pvteus zu Grunde, das wegen der Aff'rikata ts wohl als
*pidtjus *buttjus entlehnt wurde) vgl. Schmeller bair. Wb. 2 1
Digitized by Google
74
418, und pöi/ Pech. Das lat. p dieser Wörter muss zur
Zeit der Entleimung anders (sicher nicht aspiriert) gesprochen
worden sein, als die anlautenden westgerm. p. Das t ( ttj ?)
und c haben an der Verschiebung Teil genommen. (Vgl.
Heusler, Al. Kons. v. Basel-St. S. 2 f. ; für das Ahd. Braune,
ahd. Gr. 2 § 133, 1). pf hat pflqst»r Pflaster, p haben press»
pressen, pdi Pein, port » Klosterpforte (s. o. § 45.). Zu pq/t
Pacht, pq/t» pachten, vgl. Kluge, et. Wb. 5
Im In- und Auslaut entspricht germ. p die Affrikata
in der Verbindung mp: tsimpforlig zimperlich, empfindsam,
glimpflig milde, zart (mlid. gelimp flieh), simpf» schimpfen,
schelten, Simpfl» spielen (von Kindern) hat die ursprüng-
liche Bedeutung „scherzen“ bewahrt; Stumpf Stumpf, Strumpf
(Strumpf), Stomp f» stampfen, Stern pfl Stössel, „Stempel“,
k/umpf Holzgefäss für den Wetzstein (mhd. kumpf), k/rompf
Krampf, tompf Dampf, tempf» dämpfen, sieden (westgerm.
dampf an), sumpf Sumpf, impf » impfen, saurompf»r Sauer-
ampfer; mpf haben auch die jungen Lehnwörter trumpf
Trumpf, gompfar Kampfer. In allen übrigen Fällen ist
germ. p durch die Spirans ff vertreten, die im Auslaut zur
llalbfortis wird (§ 17), wenn die vorausgehende Silbe lang
ist. Soff» schaffen, hoff» hoffen, gqff» gaffen, griff] Griffel,
k/lafff Klöppel (mhd. kleffel), ksliff '» geschliffen, pfiff» ge-
pfiffen, siffig gut zu trinken (mhd. *süffie zu ‘saufen 1 ), griff
Konj. Prät. 1. 3. ich, ergriffe, qff Affe, off offen, Sqff Schaff,
huff Hüfte (mhd. huf), Stoff sich abgestossen, verletzt fühlend
(zu stupfen'), Stoff, Name eines steilen Waldhanges bei Imst,
wohl zu mhd. stouf (vgl. PBB. 18, 223); hauff» Haufen,
sauff» saufen, k/ouff» kaufen, touff» taufen, louff» laufen,
graiff» greifen, rniff» Reif (mhd. rife), sqaff» Seife, Strqaf»
streifen (mhd. streifen), ri»ff» rufen (mhd. rüefen), slisff»
schliefen, Slöiffl » ein Band einfügen (zu mhd. sloufen), Sti»ff-
mn»t»r (Stuiff-) Stiefmutter, ti»ff» Tiefe, Stoff» schlafen, Saff»r
Schäfer, warf)'» werfen, Sörff» Schärfe, tarff» dürfen (germ.
purp- vgl. Kluge, et. Wb. 5 S. 81); rqaf Reif, ti»f tief, raif
reif, Sqf Schaf, k/aif fest, derb (mhd. Mf), Swquf Schweif,
trouf M. Traufe, hilf Hilfe, wurf Wurf, Sqrf scharf, dqrf
Dorf. Die Fortis ff ist von der Lenis f streng geschieden
Digitized by Google
(§ 17), die Schwächung zur Halbfortis im Auslaut nach
langer Silbe kommt nur dem Satzauslaut zu. Im Wort-
und Satzgefüge tritt immer das etymologische ff auf. (Einzelne
Fälle, in denen heute gorm. p Lenis / entspricht, siehe
unten § 80). iqf Schaf, Mffl» Schäflein, trouf Traufe, trouff-
ritin» Traufrinne, Dachrinne, in dqrff aiha ins Dorf hinein,
i hilf ich helfe, i hilft} ich helfe ihm u. s. w.
Die Geminata pp erscheint in der Ma. als Affrikata:
sitpf » stossend schieben (zu ‘schieben’, germ. senpp-), hupf »
hüpfen, snupf » schnupfen, rupf» grobes Tuch (mhd. rupfin),
ropf» rupfen, raufen (ahd. ropfön), ripfl Haken zum Heu-
rupfen, stupf» stechen, stossen (vgl. PBB. 18, 217), kynopf
Knopf, köpf» liefe (PBB. 12, r>18), impf M. Schnepfe, tsupf»
zupfen, tsipß Zipfel, tsepf Zehnkreuzerstück, wohl zum
vorigen (man vgl. dazu Kluge, et. Wb. 5 S. 276 Ort 3 ), gipß
Gipfel, k/ropf Kropf, tsqpf » Zapfen, tropf » Tropfen, slipf»
schlüpfen (zu schliefen’, mhd. schlüpfen), Uff» gleiten (mhd.
xchlipfen, zu ‘schleifen’), yripf» (mhd. gripfen) zwicken, kratzen,
zu ‘greifen’, öpß Apfel, söpf» schöpfen, sqpf»r Schöpfkanne.
tqpf»r tüchtig, stark gewachsen, sröpf» schröpfen, sripf»
schürfen, schinden, pfiff Pips, tupf» Tupfen, strupf» die
Milch sauber abmelken (zu mhd. ströufen), supf» schluck-
weise trinken, zu ‘saufen’, k/ipf» Stemmleiste am Wagen
(wohl zu kyaif mhd. kif), Hopf» F. Fussstapfe, kyopf Kopf,
lcyupf»r Kupfer; iloapfo (zu mhd. sleipfen), Halbwagen zum
Holzführen, kyrqpf» Krapfe (ahd. kräpfo, PBB. 7, 123), sitpf»
schürfen (mhd. schürpfeti ) , harpf» Harfe, harpf» klettern
Schöpf, tir. Id. 246, Schmeller, bair. Wb. 2 I 1165 (Etymo-
logie ?).
§ 61. Germ. b. Im Wortanlaut entspricht p, im Wort-
und Silbenauslaut h, im Silbenanlaut w ; wortanlautendes b
fehlt der Ma. Vgl. die Darlegung $ 14. pqy Bach, pihl
Bühl, pear Bär, pöss»r besser, pissig bissig, pqld bald, pai
bei, pint» Binde, binden, plits Blitz, plf) blau, privtj» bringen,
pröyy» brechen, prunts » brummen ; grfib 'Grab, li»b lieb, liöib
Halt, Stütze (*habja), pibm» beben (ahd. bibinön), gloubm»r
glaube mir, hqw» haben, glouw » glauben, li»w»r lieber, lw»r
über, iw»r»diw»r über und über (über den Haufen), hqw»r
Digitized by Google
76
Hafer (mhd. hoher), löiwara Leber, örb Erbe, örtra erben,
starira sterben, kyqlb Kalb, ky Ultra r Kälber, hqlwar halber
Kreuzer.
Die Verbindung mb erscheint als mp: lomp Lamm,
lempar Lämmer, kyomp Kamm, kyamp » Radfelge, kyamp}
Haarkamm, womp » Bauch (ahd. uiamba), kyrump krumm,
simpl Schimmel (ahd. scitnbal ), rttmpla rumpeln, stumpa
Stumpf, Stummel, timpar dumpf (mhd. timber), kylompara
Klammer (vgl. mhd. klampfer mit anderer Stufe des Labials),
kylumpa Klumpen, das Wort ist gut mundartlich, sicher
nicht dem Nhd. entlehnt, und zu anord. klumba zu stellen
(das nhd. ‘Klumpen ist ndd. Herkunft, Kluge, et. Wb. 5 s. v.).
Vgl. empar Eimer (Kluge s. v.) und tsüwar Zuber (Kluge
8. v.). Als mm zeigt sich altes mb in umm um (mhd. umbe).
tumm dumm, entspricht mhd. tum flect. tumm- (nicht tump );
tsimmara zimmern (mhd. zimberti, got. timrjan). Die p in
slornpa umherschlendern (Schmeller, b. Wb.- II 528), gump»
(mhd. gumpen, westg. mbb?), gimp\ Gimpel (Kluge, et. Wb.)
entziehen sich der genauen Beurteilung. Dass trompa,
trompla trampeln, dem Ndd. entlehnt ist (Kluge, et. Wb.)
scheint mir zweifelhaft ; vgl. mhd. trampeln und die Labial-
stufen in stumpf, stumpa, stumm.
Westgerm. bb. Es tritt als Fortis p auf: rip Rippe,
grip Gerippe, kyrippa Krippe, sipSqft Sippschaft (verächt-
lich), kylupp» Feuerzange, Kluppe, tuppa grosses Stück Holz
(zu mhd. lübeJ), kylöppa kleben (fact. klabjan -) trans. u.
intrs., spinnatoöppa Spinne (mhd. spinneweppe), ksrap Stein-
Schiefergeröll (zu mhd. schraf, *scrab), kyrtqp Knappe (Berg-),
‘Knabe’ fehlt, dafür pita Bube, rqp Rabe, rqppa zusammen-
raff'en (mit rgffa raufen (mhd. reffen), zu idg. rap- lat.
rapio), Iqp Laffe (mhd. lappe), soppa schoppen (zu schieben),
tqppa tappen, erwischen, tqppar plumper Fuss, lappig täppisch
(vgl. Kluge, et. Wb. 5 S. 372), snqppa schnappen (zu snqbl
Schnabel), i nappla schnitzeln zum vorigen (Heusler, Aleni.
Kons. S. 118) gtjqppa nicken (mhd. gnaben, gnappen), trqppla
Falle (ahd. trappa), kynipp] Knüttel, mit westgerm. Dehnung
zu mhd. knilbel; in mhd. knüpf el liegt urgerin. bb (zu pp,
hd. pf) vor. tiippl Schopf, Büschel, und tslwl mhd. schiibel,
Digitized by
Google;
77
kxnoppara feine Knollen der Gerberlohe, mit k%nippl, k/nopf
zum Stamm germ. knüb-, slqppara (mhd. slappern) vom
Wassertrinken des Hundes; die ursprüngliche Bedeutung
muss „herabhängen“, „baumeln“ gewesen sein. Zu diesem
Stamme auch Slapsuap Lederhausschuhe ohne Hinterteil
(Schmeller, b. Wb. 2 II 530). grqppte herumgreifen, krauen,
zu ‘graben, rippl» und ribla reiben (mhd. rippein). West-
germ. bb nach langer Silbe: Sirpa Scherbe (vgl. ahd. scirbi)
setzt ein westgerm. *scirbj- voraus, sqrpa scharren, kratzen
(wohl zum Stamm des vorigen, vgl. Scharben bei Schöpf, tir.
Id. S. 591), hölp Axtstiel ( * halb ja -), silparn Holzsplitter, zum
Stamm scel- in ‘Schale’ mit Labialsuffix, vgl. sölfa Obst-
schale (ahd. sceliva), Slarp» schlecken ( ar aus er) zu slarfl '»
schlürfen, Iqapa übrig lassen ( *laibjan -), Jcylqaper was kleben
bleibt, hinfällig (Ableitung zu *klaibjun- ahd. kleiben), stepa
Schuppe (seübja- mhd. schuope), traupa Traube (PBB. 12, 527),
gruipa Griebe, roupa Ortsname Roppen (§ 53), riap a Schutt-
Steinrinne, die Schreibung riiep Schöpf, tir. Id. S. 567, lässt
sich nicht rechtfertigen; beide lassen sich unter einer Wurzel
idg. rup- vereinen. Germ. Ablautstufen raub- reub-, vielleicht
auch rauf- (§53) ; aus raub-, westgerm. raubn-, entwickelte sich
roupa, aus reub-, westg. reubn-, wurde *riupa, riapa. Schwierig-
keiten bieten der Erklärung die p folgender Wörter: toup
erzürnt (mhd. toup) es bietet sich keine Flexionsform, welche
die Geminata (bb) hätte erzeugen können; vgl. < tertöipa, toup
machen, erzürnen, ( taubjan ); vielleicht ist die Fortis vom
Zeitwort übertragen worden, loup Laub (ahd. loub); vgl.
glöip Laubwald (Flurname) (*galaubja-), und ahd. louppa
Laube, stoup Staub, stöipa [staubjan) stäuben, aber stiawa
stieben, soup Schaub, Strohbund (mhd. schoub); war das
Wort ursprünglich ein «-Stamm (vgl. Schaupen bei Schmeller,
b. Wb. 2 II 436), so erklärt sich p einfach; vgl. Tropf (heute
stark) und Tropfen (schwach) u. a. m.
§ 62. Germ. /. Es ist als Lenis f erhalten. Anlaut;
frl viel, fuactei Fuder, foug j Vogel, fqast fett (mhd. reizet),
feal Fell, fqar vor, far- ver-, flr für u. s. w. Vereinzelt
erscheint pf an Stelle von anlautendem f : pflenna flennen,
pflarra breiter Schmutzfleck (mhd. vlerre), pflittara kichern
Digitized by Googl
78
(mhd. vlittern ), pflqttdra flattern. Es sind satzphonetische
Scheideformen, die in andern Gebieten grössere Verbreitung
haben; vgl. Kauffmann, Gesell, d. sehw. Ma. S. 183, Heusler,
Al. Kons. S. 92 f., Weinhold, bair. Gr. S. 132 f., Schöpf,
tir. Id. S. 494 ff. Inlaut: ouf» Ofen, srouf '» Schrofen, hqf»
Hafen, Topf, sif»r Schiefer, houfdiy achtsam (mhd. hoveltch),
tsiraifl Zweifel, k/öifar Käfer, tuifl Teufel, kauft» Schaufel,
ruf» Eiterkruste (Braune, ahd. Gr. 2 § 139, 5), gouft» hohle
Hand (mhd. youfe), güf\ kleine Felsenhöhle (zum vorigen),
raff» Dachbalken (ahd. rav jo), elf» eit, tswölf» zwölf (mhd.
elviu, tswülviu), knttfl» schnüffeln, knauf» schnauben, krau f»
Schraube, stöf\ Stange zum Stützen der Schlingpflanzen
(Fisolen), mhd. stivel Schmeller, b. Wb. II 736; PBB. 18,
224, tswlfl Zwiebel, tsifar allgemein vom Kleinvieh, (vgl.
ahd. zebar), unt.vf»r Ungeziefer, k/nouftig Knoblauch, hoi fl
Sauerteig (PBB. 12, 518; 14, 423), höifonun» Hebamme,
ppf9r9 gesprochenes nachäffen (von Kindern) Braune, ahd.
Gr. 2 § 139, 5, klurft» schlürfen, -Hif»r» Eis laufen, fordert
idg. p, kann also nicht zum Stamme germ. slfp „schleifen“
gestellt werden, in füg Weiberrock der alten Volkstracht,
(zu ahd. weibön, idg. Wurzel vip, Kluge, et. Wb. s. v. Wippe);
möglich ist auch beim vorigen ein Nebeneinander von idg.
slib und slip. k tqrfd dürrer Stamm (§ 45); die / in der Ver-
bindung ft sind erhalten: luft Luft, srift Schrift, kxrqft
Kraft, ksaftig geschäftig u. s. w. Im Auslaut ist / selten ;
es muss im Satzauslaut zur Halbfortis werden, zwischen
stimmhaften Lauten im Satzinnern muss die Lenis / er-
scheinen ; houf Hof, houfund- Hof und. Etymologisches ff
wird im Auslaut nach langer Silbe zur Halbfortis. Wenn
nun in griff Graf, in den inlautenden Formen ff erscheint
für etymol. /, kann die Ursache nur eine Neubildung der
inlautenden / nach dem Muster von etwa k/ouf Kauf und
k%ouff» kaufen, klqf und kläff» schlafen, sein. Auf derselben
Stufe wie griff stehen: pri»f Brief (vgl .f»rpri»ff» verbriefen,
prtffflig brieflich), ktaif steif, in den flektierten Formen mit
ff, ebenso kiff schief.
§ 53. Germ. w. Es ist im Wortanlaut vor Vokalen
erhalten: wqrm warm, toqs&r Wasser, wint Wind; die gerrn.
Digitized by Google
79
Anlautverbindung wl, trr erscheint als /, r wie schon im
Ahd. (Braune, ahd. Gr. § 106); über was» Wasen, Hasen
(dies fehlt der Ma.) vgl. Kluge, et. Wb. s. v. Germ, qu
tritt als kytc und ky auf: kywidrd ächzen (ahd. *quirren zu
queran), kywgl Qual, kywöil» quälen ; ohne w sind kyiiky keck
(ahd. quer), kyitto Quitte, kynnm» kommen (ahd. qneman),
kyead»r Köder (mhd. qnSrder ) ; kynat, Kot, geht auf kot zurück,
6 entstand aus wd (ahd. quät), in k/uttl » ist kyn wahrschein-
lich aus qui zu erklären (Kutteln) Kluge, e. W. S. 222. —
Lehnwörter sind kywQdsr viereckiges Gartenbeet (mhd. quäder
aus dom Latein.), kywit quitt, kywökysilw»r Quecksilber; über
den Schwund des w in hmsta Husten, si»s süss (aus hwost-
swbti-) vgl. Braune, ahd. Gr. § 107 A. 1. In den anlautonden
Verbindungen von Dentalen und w ist «c erhalten: sicqrts
schwarz, swöll» schwellen, kswind geschwind, tswoa zwei,
tsicölf zwölf, txuimq,) zwingen, tswary (zwerch-) quer; eine
Neubildung ist das w in gwunn» gönnen (ahd. ga-untwn
wohl über *gu-unnan zu gwunnd). Das heute gesprochene
w hat seine Stellung nur im Silbenanlaut, im Auslaut wird
es zu b, genau wie das dem germ. h ensprechende tc, b.
Inlautendes w ist erhalten in: fröiw 3 freuen (ahd.
frewen), ströiu# streuen (ahd. streiten), öib Mutterschaf (ahd.
Nom. om, Gen. ewi), spaiw 3 speien (ahd. sphvati), snaitv»
schneien (ahd. sniican), riswig (mhd. riiewic ) ruhig, mirig
ewig (mhd. etoic), aiw3 Eibe (mhd. hoe), löib Löwe (ahd.
lewo ) ; plijb (flekt. plqwar) blau, grob ( grfpoir ) grau und h)b
(Ifpwr) lau, haben das w aus den Formen, in welchen w
inlautend stand, in den Auslaut übernommen, in welchem
das w ahd. als Vokal auftritt (bldo, gräo ); hnrb herbe (ahd.
baratm), förtcs färben, garws gerben (ahd. ferwen, garawen),
arwos Erbse (mhd. erwei$), sartr » siechen (mhd. serwen),
harte»» Stoffadj. Neutr. ‘flachsenes’ ; dagegen das Substantiv
Iwr Flachs (vgl. Kluge, et. Wb. Haar 1 ); kyilb mild (von der
Witterung) mhd. gehilwe bewölkt, swqlm » Schwalbe, mit
sekundärem Übergang des Iw in Im, vgl. gtrölm Gewölbe
(zu mhd. weihen) ; weitere Beispiele für diesen Übergang
bietet Weinhold, bair. Gr. S. 143 f. Geschwunden ist w in
hau 3 hauen (ahd. houwan), pluijo bläuen (ahd. bliutcun),
Digitized by Google
80
ruij» reuen (alid. riuwati), kyuij» kauen (ahd. kinwan), pruiju
brauen (ahd. briuwan), nui neu (fickt. nuijer neuer, mit je
neue, neuen), trui treu (selten) ahd. triuwi, truij» Flurname
ahd. *triuira nach der Erklärung im § 54, hat Heu (mhd.
höuwe ahd. houwi), gai Gau. Landgegend (selten) ahd. gouivi,
slrga Stroh (ahd. struo zu stro), frga froh (ahd. frao zu
frd), m » Ruhe (mhd. ruowe), ruse, rueije ruhen, sgg See
(ahd. seo), kylea Klee (ahd. kUo), kynis Knie (ahd. kneo), ra
Ehe (ahd. Owa), smier» schmieren (mhd. smirwen). In ggal
gelb (ahd. geh), mgal Mehl (ahd. nwlo), ffil falb (ahd. falo),
mgr mürbe (ahd maro), wirkten die auslautenden Formen,
deren vokalisiertes w dem Schwunde unterlag, auf die
inlautenden. Durch g vertreten ist heute altes w in sauge
schauen (ahd. scouwan) ; vgl. Wilmanns deutsche Gramm.
S. 98, A., Weinhold, bair. Gr. S. 185, Pfaff, Paul-Braune,
Beitr. 15, 192, wo andere Beispiele dieser Art angeführt
werden, d für w liegt vor in kynuid$ ; es ist dies vereinzelt,
scheint aber alt zu sein: Maister, Vokalism. d. Ma. im Burg-
grafenamt S. 10 verzeichnet haudn hauen ( hotiwen ). h für
w zeigen Iqay M. Gerberlohe {% ist im Auslaut Vertreter
des inlautenden h, vgl. Adj. Iqaliig mit Lohe vermengt);
rqay roh, ungekocht, mhd. ro und (dial.) roch, rdher. Die
h in diesen Wörtern sind weit verbreitet; vgl. Schöpf, tir.
Id. S. 396, Schmeller, b. Wb. 2 I 1467, II 85. Nach Kluge
(e. W. s. v.) sind die Grundformen germ. lau- hraw-. Im
Ahd. findet sich manchmal für ursprüngliches w im Inlaute
h (Braune, ahd. Gr. § 110. 3). Fasst man die h in den
beiden Wörtern als sekundär entwickelte Übergangslaute,
so ist die Entstehung so zu denken: Germ, law-, hraw-
wurden im Ahd. auslautend zu lao, hrao, diese zu 10, ro; im
Inlaut ist die regelmässig entwickelte Form z. B. lawes,
ratrßr; die ö der auslautenden Formen wurden nun in den
Inlaut übertragen, 16 wes, rower ; für w trat h ein (vielleicht
schon lahes, rahir), löhes, röhSr, das später über alle Kasus
sich ausdehnte.
Vereinzelt sind Wandlungen des w, wie in mier wir
(in aus x, w bei enklitischer Stellung nach dem Verbum
sagen wir zu sage mir vgl. mhd. sage wir Paul, mhd. Gr.
Digitized by Google i
81
§ 155. 3), kyrämat Wachholder (mhd. kranemte; Kranebitten,
1 Stunde westl. von Innsbruck, heisst in der Ma. kyrämate),
wipp» Witwe (mhd. witwe), wippar Witwer (sec. gebildet),
iippär jemand, „etwor“ (mhd. ettcer), bppos etwas, öpp» etwa.
§ 64. Die erhaltenen inlautenden -w- (auslaut. - b )
stehen mit den aus germ. b entstandenen -w-, -b heute auf
derselben Stufe. Treten sie im Wort- und Satzgefüge vor
stimmlose Konsonanten, so werden sie zu p. Vgl. die
Flexionsformen: fröim freuen, i fröib ich freue, du fröpst
du freust, »r fröpt er freut, fröptig freue dich, kfröpt ge-
freut; plqb blau, » plqwar ein blauer, » plqps ein blaues;
höiw» heben, i höib ich hebe, du hopst du hebst, »r hupt er
hebt, höps hebe es, kyöpt schw. Part, gehoben ; groub grob,
» grouu»r ein grober, » groups ein grobes, dar griiipst der
gröbste. Schwund eines b zeigen einige Formen zu hqwa
haben: i honn ich habe, du hqst du hast, »r hqt er hat (mhd.
h&n, hdst, hdt); hommar haben wir, nur in dieser Stellung
(hän mir), i hat, hatSt, hat, hatt », hattet, hatte (Konj. Prät.
mhd. haete u. s. w.), Part, kyüt gehabt (ahd. gahebit ent-
sprechend, Braune ahd. Gr. § 368. 2. 4). Zu g'oiw a geben
lautet die 2. 3. Sing, gaist gibst, gait gibt (schon mhd. gist,
git). Manchmal tritt Angleichung des b (tc) an m ein im
Imp., gimm»r und glbmtr gib mir. Mhd. ab erscheint als q
überall in hochtoniger Stellung; nur in qpsqts Absatz des
Schuhes, ist b als p (vor s) erhalten, in schwachtonigor ist
b vorhanden, qb, qbm poum „ab dem Baume“ (vom Baume
herab). Es wird ebenso behandelt wie mhd. tif auf; in
hochtoniger Stellung als Adverb ist / verloren, in schwach-
toniger als Präposition ist / erhalten: austte aufstehen,
tu 9 au tue auf; auf ter ponky auf der Bank, afippoud » auf
dem Boden.
§ 65. Über die historische Entwicklung von germ. b
und w sei folgendes beigebracht. Die Belege, welche Wein-
hold, bair. Gr. S. 128 f. für die Schreibung von b für histo-
risches w und S. 140 von ip für germ. b bietet, erweisen,
dass die heute herrschende Vertretung des nachtonigen b
durch w (-5) bereits im 13. Jh. vorhanden war. Ihre Ver-
breitung über das ganze bairische Gebiet bezeugt Schmeller,
Schatz, Die Muudart von Imst. G
Digitized by Google
- 82 -
Maa. Bai. S. 82; aus den Imster Urkunden sei angeführt:
1455 ebig ( ewic ), 1473 arbis (mhd. arweig), 1509 albeg (mhd.
allewege immer). Es ist meines Erachtens nieht richtig, ans
der Vertretung des germ. b durch w den Schluss zu ziehen,
dass das obd. b ein stimmhafter Laut gewesen sei (Wilmanns,
deutsche Gr. S. 55). Vor dem Wandel zu w war b ein
stimmloser bilabialer Verschlusslaut schwächster Artikula-
tion und kürzester Dauer, wie ihn unsere Ma. heute im
Auslaut und vor m spricht: grqb Grab, grüb-l» Grüblein,
ib-rig übrig, höibnar hebe mir. Um von stimmlosem b zu
w zu gelangen, ist es nicht nötig, dass b zuerst stimmhaft
wird und dann erst die Verschlussbildung aufgegeben wird.
Vielmehr ist der Übergang so zu denken, dass die äusserst
schwache Artikulation der Verschlussbildung nicht mehr aus-
geführt und der Stimmton durch das so entstandene w hin-
durch beibehaltcn wurde; denn das wesentliche für einen
stimmlosen Laut dieser Artikulation, die Verschlussbildung,
fehlte; (z. B. graben zu grawen). Einen genau analogen
Vorgang zeigt die lebende Ma. bei der Aufgabe der ^-Arti-
kulation nach i (s. § 16 Anm.).
Das ahd. w war ein Halbvokal mit «-Artikulation der
Zunge (Braune, ahd. Gr. § 104); dem w der Imster Ma.
kommt nur die Lippenartikulation zu. Von einer Entwick-
lung des ahd. w zum Spiranten, wie Wilmanns,' a. a. 0.
S. 98 und Behaghel, Pauls Grdr. I S. 579, annehmen, kann
für das Bairische nicht die Rede sein. Die Schreibungen b
für w und w für b lassen keinen andern Schluss zu , als
dass für b dieselbe Aussprache herrschte wie für te, und
zwar die des tv des heutigen Bairischen. Wäre die ange-
führte Ansicht von der spirantischen Aussprache des b und
tc im 13. Jh. richtig, so müsste man unnehmen, dass einer-
seits b zum stimmhaften Spiranten, anderseits w vom Halb-
vokal zum Spiranten und beide in der weiteren Entwick-
lung zu unserm w geworden seien. Dafür, dass das ahd. b
(obd.) ein stimmloser Verschlusslaut war, spricht die Ver-
tretung des germ. mb durch mp. Wir haben keinen Grund
zur Annahme, dass mb durch die Lautverschiebung anders
entwickelt worden sei, als etwa Ib oder b zwischen Vokalen.
Digitized by Google
83
Die Entwicklung des stimmlosen b in mb zu p entspricht
der des anlautenden b zu p, welche über ein grosses Gebiet
verbreitet ist. (Schmeller, Maa. Bai. S. 81, Schöpf, tir. Id.
S. 24 f., v. Bahder, Grundlagen d. nhd. Lautsyst. S. 226 f.).
In wieweit die heutigen bairischen Maa. Lenis oder Fortis
im Anlaute sprechen, ob germ. wortanlautendes b überall
einheitlich vertreten ist, wie in der Imster Ma., bleibt des
Nähern zu untersuchen. In einigen romanischen Lehnwörtern
entspricht dem anlautenden b in der Ma. w : warb\ Bar-
bara, wqstl Sebastian (vgl. 1524 Bastion Schaz), weinsdik/t
Benedikt (vgl. Weinhold, bair. Gr. S. 140). Zur Zeit der
Entlehnung wurde also das einheimische b im Anlaut wohl
sicher als Fortis, zum mindesten als stimmloser Laut ge-
sprochen. Die Zusammensetzungen k/ruatvurg Schloss Kron-
burg, hörwrig Herberge, sqatvrig Name einer Hochalpe „See-
berg“, in denen das anlautende b des zweiten Bestandteiles
gleich den inlautenden b behandelt wurde, sprechen dafür,
dass die Differenzierungen der heute herrschenden Ent-
sprechungen des germ. b in unserer Ma. eine jüngere Ent-
wicklung sind und nicht in die früh ahd. Zeit zurückreichen
(also nicht durch die Lautverschiebung hervorgerufen wurden).
Da b schon im 13. Jh. als w erscheint und durchwegs er-
halten geblieben ist, muss der Schwund des inlautenden w
(gleich ahd. «-) bereits im 12. Jh. durchgeführt gewesen sein.
(Vgl. § 54). Über vereinzelten Schwund des b vgl. § 64.
Dazu noch pu» Sing. Bube, der Flur, hat w: pu»wo, Demin.
jriabh Büblein; das bairische Lechtal scheint den Schwund
eines auslautenden b in grösserem Umfange zu kennen, vgl.
wai Weib, gl gib; es ist offenbar ein später Vorgang.
§ 66. m. Es ist im An- und Inlaut erhalten: mu»t»r
Mutter, mu9ii9 meinen, movn» mahnen, nugß Magen, Mohn
(mhd. möge), rahn » prahlen (mhd. rimen Ileime machen).
houmar Hammer, swimmo schwimmen, Simm»r9 schimmern.
sttmm»r Sommer u. a. m. Die m im Auslaut sind aus den
inlautenden Formen übertragen (Braune, ahd. Gr. § 124):
stamm Stamm, tumin dumm (mhd. tum, tummes), loum lahm.
poiim Baum, husm (Heim) heim, lalm Leim. Den alten
Übergang des auslautenden m zu « zeigen heute noch:
6 *
Digitized by Google
84
hiülig heimlich (auslautende Lenis n schwand), türa Turm ;
es geht auf türm zurück, das aus turn, türm entstanden ist.
Vgl. dagegen: wurm Wurm, qrm Arm, dorm Darm, sinn
Schirm, hqlm Halm. In schwachtonigen Silben ist auslautendes
m geschwunden, wie alle n: pouda Boden (mhd. bodem), fQda
Faden (mhd. rudern), göda Schlafgemach (mhd. gadem), pöisa
Besen (mhd. besem) ; von diesem bewahrten das Demin.
pöismal» (neben pöisala) und das Verb pöisma mit dem Besen
rühren, das suffixale m.
2 . DIE DENTALEN.
§ 67. Germ. t. Es ist als t erhalten in den Ver-
bindungen tr : trnna trauen, troug Trog, ft: luft Luft, k/röftig
kräftig, st: sh'i stehen, miit Mist, lit: mq/tirq/tar Nacht-
wächter; im Inlaut zeigen sich einige germ. tr im Hd. als
ttr: pittar bitter, tsittara zittern, lattara locker angebracht
sein (gehört zu ahd. la% und geht auf westgerm. Intr- zurück).
Die Affrikata ts erscheint für germ. 1 im Anlaut vor Vokalen
und nach l, r, n: tsqrga Zarge, Rand, tsqrt zart, tsonna zäunen,
Gesichter schneiden, tsQude zappeln, tsühar Zähre (ahd. zahar),
tsaiha zeihen, tsöira zehren, tsöttl Zettel, tsiaha ziehen, tsil/a
Ziille, Kahn, tsirwa Zirbel (mhd. ziehen) ■, germ. tw ist heute
zu fstr geworden, ebenso auch germ. dir, Jnc: tswaif] Zweifel,
tsu'ölfa zwölf, tswik/a zwicken, tsicaig Zweig, tswissa zwischen,
tstroa zwei , tswtslt gabelförmig geteilt , tsicittar Zwitter,
tswiara Zwirn; tsirnr / zwerch, tswitjga zwingen, tswerg
Zwerg u. a.: holts Holz, filts Filz, wqltsa walzen, milts Milz,
mqlta Malz, maltsa weiche Speisen mit der Zunge zerdrücken
(Fact. *nialtjun- zu germ. (ags.) m eit an zergehen), Smqlts
Schmalz, polts Bolz, fqlts M. langes Bindseil, mit dem das
Bergheu auf die Schlitten gebunden wird (zu mhd. valze»)
stidtsa Stelze; Swqrts schwarz, wurtsa Wurzel, uurtaa Warze,
hurts Herz, k/urts kurz, surts M. Schürze, partsa refl. sich
auf die Zehen stellen (Scluneller, b. W. 1 284), slqrfsa Pflanzen-
strunk (aus dem Boden hervordringend) zu mhd. sterzen hervor-
stehen (vgl. Streitberg, urgerm. Gr. S. 1 39), miiirls Mürz, k/öirtsa
Kerze; gonts ganz, srontsSchranz.pflontaa Pflanze, »»«/«»Minze,
pfintatig Donnerstag (mhd. pfinztac); ts wiuitsk z w a n zig, sitvatsk 70
Digitized by Google
85
| (mhd. sibenzee), ndüsk 90, fizrtsk 40 ; nach diesen Formen
trat ts ein in fuftsk 50, wo aus vorahd. *fuftug t nicht zu
ts hätte werden können, da ft erhalten blieb; ebenso sind
die ts analogisch eingeführt in fuftaöih» 15, desgleichen
auch in draitsöih» 13, gegenüber draisk, das lautgesetzlich
entwickelt ist (mhd. drtzec aus westgerm. *pritug).
Nach Vokalen entspricht dem in- und auslautenden
germ. t der Spirant ss (- 3 ), der heute an derselben Stelle
artikuliert wird, wie s (aus ahd. s). Der Unterschied
zwischen beiden ist heute im allgemeinen der von Fortis
und Lenis. Über den Wandel des ahd. Spiranten z (zz) zu
ss vgl. Braune, ahd. Gr. § 168. 1, Paul mhd. Gr. § 29. Im
Auslaut wird dieser Spirant nach langem Vokal als Halb-
fortis gesprochen (analog wie bei ff und lih). Der Wechsel
zwischen der geschwächten Fortis im Auslaut und der vollen
im Inlaut eines und desselben Wortes ist regelmässig be-
wahrt. gqss» Gasse, fqss Fass, pissig bissig, tvisss wissen,
griss 9 gerissen, prennösslz Brennessel, pösszr besser, fsrgösss
vergessen, rqssls sich bei der Arbeit unmässig anstrengen
(mhd. rayßebi, zu rage), ksmisss geschmissen, kslossz ge-
schlossen, smss Konj. Prät. schösse (mhd. schule), nnsss F.
Nuss (die obd. Maa. setzen ein schwaches Fern. mhd. nupie
voraus, vgl. Schweiz. (Brienz) nussäti), wasssra wässern, gqas
Geiss, gqassar Geisshirt, mqas gerodete Waldfläche, mqussf
Meissei (beide zu mhd. weisen), hqass» heissen, grqas gross
Komp, grqassar, ruds Russ, massig russig, ruassl Kamin-
kehrer , puzs Busse, piassa büssen , miss » reissen , sms»
schiessen, 4 Urqas Schweiss, gruas Gruss u. a. m.
Germ. tt. Ihm entspricht Affrikata ts: switsa schwitzen,
hits Hitze, k/its N. Kitze, k/qtsz Katze, rqts Hatte (mhd.
ratze), k/rqtsa kratzen, mqts» F. durch einen Stoss erzeugte
Vertiefung im Holz, in der Mauer, ktüemöts Steinmetz (beide
gehören zur germ. Wurzel mat vgl. Kluge, e. W. Metze 1 ),
möts» M. kleines Getreidemass (mhd. metze) , wötso wetzen,
sötsa setzen, sitsa sitzen, nötsa netzen, nöts Netz, höts» hetzen,
öts3 ätzen, l(its schlecht, übel daran (mhd. letze), tratst» necken
(mhd. tretzen), steats » schwätzen, nutsa Nutzen, Suts» in die
Höhe werfen (zu ‘schiessen’ *scutt-), woatsa Weizen, hqatsa
Digitized by Google
86
heizen, iwatsf (neben pQass\) Sauerdorn (Schmeller, b. W. I
287) zu ‘beissen’, poatse beizen (zu ‘beissen’), spraits 9 refl.
sieh spreitzen, zum Stamme germ. spreut- ahd. spriuzen ;
eine Form sprüt- setzt das Subst. Spraus M. Stütze, voraus;
Snaits» schneuzen, sna'uts Schnauze, kylqats» F. gedörrte Birne,
zu mhd. Mot, auf westgerm. klautt- weisend (Schöpf, tir.
Id. S. 326), gats» zu essen geben ( *ga-dtjan ), gats N. Ein-
geweide, ursprüngl. das Gegessene.
§ 68. Gertn. d. Er erscheint als Fortis t an allen
Stellen des Wortes. Für den Anlaut vgl. man: tomm Damm,
tompf Dampf, tumm dumm, tutjk/j dunkel, tuvg» düngen,
teijgl» dengeln, tunst Dunst, tu ft Duft (selten), tift» eine
Flüssigkeit leicht durchsickern lassen (intrans.), trutt» »Drude“
mhd. trute, trqky ein im Verhältnis ungewöhnlich grosses
Tier (ahd. traccho, lat. draco),taiyl, hölzerne Brunnenröhre (mhd.
tiuchel), toul» überdecktes Rinnsal eines Gassenbaches, gehört
mit tu»l» kleines Loch im Boden, zu ‘Tal’ (idg. dhf- und dhU-),
tasig in gedrückter Stimmung (mhd. dwsec) ; nach Sehmeilers
Belegen, b. W. I 545 liegt hier westgerm. d- vor. Im In-
und Auslaut: föter Vater, gat»r Gatter, wqt» waten, pöite
beten, kyroute Kröte, sllt» Schlitten, prüit Brett, pout Bote,
wait weit, sait» Seite, sqat» Saite, rqat rot, hqater heiter,
giftig gütig, tötete wüten, rüste Hute, muster Mutter, fustsr
Futter, ptqtsr» Blatter, qter» Natter (mhd. nätere), spät spät,
gaitig geizig (mhd. gitec), prqt» braten, Igate löten, haut
Haut, niete Niete, nqat Not, gmust gemeint, kfölt gefällt,
tsöirt zehrt, »r Srait er schreit u. a.
Dem westgerm. dd entspricht Fortis t (Geminata tt ) ;
da bei der Silbendehnung in der Lautfolge kurzer Vokal +
einfachem t (= germ. d) vielfach die Kürze des Vokals
erhalten blieb und t gedehnt wurde, ist die sekundäre
Geminata mit der ursprünglichen (westgerm. dd) zusammen-
gefallen. tutts Zitze (mhd. tutte), kyutt» F. Herde, Menge (zu
mhd, kütte), sqtt» Schatten, trotte treten, pritte F. Brettchen
(*britja-), sitter locker, dünn (mhd. schitere jo-Adj.), pitt»
bitten, wötts wetten, wöttsr Wetter, wittere wittern, hüte
Hütte, kyuttl» Kuteln. Sicher einfaches t liegt den Parti-
zipien zu Grunde: ksotte gesotten, dsrsottsrst ausgemergelt,
Digitized by Google
87
erschlafft, ksnitt» geschnitten, gritta geritten, kstritt» ge-
stritten, glitt» gelitten; plqtt» Platte, glött» glätten, glqt glatt,
mqt matt, stqt Stadt, sqt satt, sättig » sättigen, sitt» Sitte,
mit mit, hqttl» Ziege (mhd. hatele), grill» die Beine ausein-
ander strecken (mild, griten) , k/nqttl» Kotballen in den
Haaren der Tiere (von Schöpf, tir. Id. S. 327 richtig zu
‘kneten’ gestellt), fötUr Vetter, platt » weibliches Hühnchen
(zu mhd. Mate-, weil der Kamm fehlt?).
sqrtd Scharte, hart Herde (ahd. herta), swqrt» Schwarte,
tsqrt zart, hört » härten, gart Gurt, wiart Wirt, hidrt Hirt,
dar fort der vierte, xcqrt» warten, gartnar Gärtner, wqart
Wort, gart Ort; hqlt» halten, sqltara Barnbaum (mhd. schultere),
Spiltar» Zaunstecken (mhd. spiltere), walt Welt, galt Geld,
gadult Geduld, gsdultig gedultig, salt» selten, swdifqltsr»
Schmetterling (umgebildet aus ahd. vtvaltra), gwqltig ge-
waltig, silt Schild; wint» winden, wintl» N. Windel, pint»
binden, nt herrscht in allen Ableitungen: pont Band, pentig»
bändigen, wnpentig unbändig; tont» schinden, sunt Schund,
slint» schlingen (mhd. slinden), sinnt Schlund, hints hinten,
rinta Kinde, plint blind, voint Wind, grint Kopf (mhd. grint),
hont, Hand, sorit Sand, ront Rand, gwont Gewand, gwant »
bekleiden, pfont Pfand, pfent» pfänden, ksuni gesund , M.
Gesundheit, hunt Hund, unt» unten, ent N. Ende, front Brand,
out» ahnden (ahd. antun), tsinta zünden, tsuntl Zündschwamm,
tsxxntar» F. Zwergkiefer (Schmeller, b. Wb. II 1134), grünt»
F. Riss in der Haut (mhd. s chrnnde), glent N. Feldname
„Gelände“ zu ‘Land’, hier kann z. B. westgerm. ddj vor-
liegen *ga-fandj-; doch ist im Ahd. wohl kaum ein Unter-
schied zwischen nt aus *nd und dem aus *ndd-', Stein t»
schwinden, swintl » schwindeln, ( kswitjkl » den Schwindel haben
refi. ; es hat nk für nt, die leichte Umbildung wurde durch
das anlautende k veranlasst), unt»r» nachäffen (ahd. antaren),
sent» schänden, farsantla herabsetzen, t in aut» Ente (ahd.
anut); in wintsr liegt germ. ntr vor. In der Partizipial-
endung des Präs, erscheint altes -nt- als t (-»t)\ raiss»t
reissend, » stiünatar ein stehender, slqffH» schlafende, löiwahr
lebender. Dieser grossen Zahl von Wörtern, in welchen
germ. nd zu nt verschoben ist, stehen einige gegenüber mit
Digitized by Google
88
Lenis d statt der zu erwartenden Fortis t: lond Land (ahd.
laut), haid heute (mini. Mute), pfund Pfund (ahd. pfunt),
wincte Winde, weinte wenden, aus-, ul-, nqatieendig aus-, ein-,
notwendig, ipvendig abwendig, innute Wunde, tvuudor Wunder,
fsrsweiute verschwenden, und und, psunder 'besonder’ in allen
Abteilungen. In jenen Fällen, in welchen d auf idg. t
zurückzuführen ist, konnte man an grammatischen Wechsel
denken, dass also neben den in den germ. Dialekten allein
überlieferten Formen mit nd solche mit np bestanden; die
Annahme einer Beeinflussung durchs Xhd. lässt sich schwer
erweisen. Sicher ist, dass diesem Wandel des ahd. nt zu
nd (soferne wir ahd. nt anzusetzen haben) kein Gesetz der
Ma. zu Grunde liegt. Das nd in hundart (ahd. hunt) beruht
auf fremdem Einflüsse; die Form hundert erscheint erst
seit dem 12. Jh. in der Litteratur (Braune, ahd. Gr. § 274).
Auffallend ist nd in allen Formen zu ahd. stuntan : Präs. Plur.
sternte , Konj. steml, steinte, Konj. Prät. Stand, Statute, Part. Prät.
kstomte, pstendig beständig, stond Stand, kstumter Geständer,
pstond Bestand, Pacht, stund Stunde, stund 9 eine Pause machen,
aussetzen; alle diese d statt des zu erwartenden t aus fremder
Beeinflussung zu erklären, ist bedenklich. Es liegt idg. t zu
Grunde; doch hat das Germ, nur nd, nie np. Stammbetonung
zeigt das analog wie standan gebildete got. fraihnan. (Vgl.
Braune, got. Gr. § 177. 3). Demzufolge könnte man denken,
dass das nd der Imster Ma. auf urgerm. *stanp- zurück-
gehe. (Kann die Verschiedenheit der Betonung, welche got.
hausjan, laisjan, nasjan einerseits, ahd. hören, leren, nerien
anderseits aufweisen, als Stütze für die Annahme, dass
germ. nebeneinander stanp- und stand- vorkam, geltend ge-
macht werden?), sind Sünde, sonil Schande, zeigen in den
Wendungen sint mit sod Sünde und Schade, » sont und 9 spot
eine Schande und ein Spott, dass ursprünglich Fortis nt
vorhanden war. Heute ist hier die Lenis nd herrschend.
§ 69. Germ./>. Ihm entspricht im spätem Ahd. d, in
der Ma. Lenis d. Wo t erscheint, liegt eine spätere Wand-
lung vor. dqx Dach, dq da, dq/t Docht, deijk/9 denken,
dqks Dachs, dik/ dick, dinimo Daumen, dirr dürr, dqm
Darm, digg Ding, dur/ durch, durst Durst, dilte Dachboden
Digitized by Google
89
(mhd. dile) , düst Dienst, diab Dieb, darf Dorf,
diar dir, gadult Geduld, padaita bedeuten, fardarwa vc
dritpja dringen, druky) drücken, drai drei, drössa d
drakslar Drechsler, draij a drehen, drqt Di'at, drökx
drumm Trumm; röida reden, k/aül » keimen (zu ahd.
cht di), laida leiden, load leid, maida meiden, raida drehen
(ahd. ridan), rtd Wegbiegung; hierher auch der Ortsname
Nassereit, der fälschlich mit t ( th ) geschrieben wird, nqs-
raid und nqssraid wird gesprochen, daher ist der Name als
Kompositum von nass und *rid zu erklären; die Betonung
des zweiten Bestandteiles erklärt, dass Lenis s für mhd. g
erscheint, hqada Heiderich (mhd. heule), ul du F. Weiden-
strang (zu mhd. wide), wqad Weide, tqad Tod, (Adj. tqat
tot), Sqada Scheide, pruadar Bruder, liadarlig liederlich, miad
müde, mqd Mahd, grqd gerade, stqdl Stadel, m&dla Mädchen
(Deminut. zu mhd. magst, ahd. magad), tvldar wieder; Widder,
söidiga schädigen, pqada beide, pouda Boden, fqda Faden,
luadar Luder, fuadar Fuder, ftqda Fladen (nach Kluge, e. W.
idg. plut, dazu flitta F. dünne Schnitte Speck idg. plt- germ.
*fludj-?); finda finden, lind lind, kswind geschwind, k/iitd
Kind, f ind Kind, tsornl Zahn (ahd. zand), ondar ander, frend
fremd, glandar Geländer, Inn da F. Karrendeichsel (mit n
Erweiterung zu germ. lap- (Laden) s. Kluge, e. Wb. Ge-
länder); nd zeigen auch die Lehnwörter sindla Schindel,
spenda spenden; wqld Wald, wild wild, suld Schuld (ahd.
seit Id Braune, ahd. Gr. § 103. 6), gold Gold, pqld bald, fqlda
und fqlta Falte (mit Bewahrung der Doppelform *faip,
*fald).
Germ, pp wurde im Hd. über dd zu tt: smitta Schmiede
(Stnida schmieden), Spotta spotten, Iqtta Latte (zu Iqda Laden),
k/lötta Klette, motta langsam ohne Flamme brennen, glimmen
(Schmeller, b. Wh. I 1693) zu moudar Moder; es setzt germ.
mopp- voraus — hei der Annahme eines westgerm. modd-
bleibt die Gemination unerklärt.
An m. Nhd. ‘Schotter’ hat in der Ma. sondir als Entsprechung;
demnach ist mir wahrscheinlicher, dass westgerm. scop- u. scoppr- neben-
einander bestanden, als dass ‘Schotter’ dieselbe Dentalstufe (germ. d) hat
wie ‘schütten’.
Digitized by Google
90
/
Zusammen gehören auch: tsodara Fleischfaser und alid.
zata (tap- u. tad-) (Schmeller, b. Wb. II 1085, 1166), tsoutl
M. ungeordnetes Haar, weist auf germ. tod-, mhd. zotte auf
auf germ. topp; (Kluge, e. Wb. „Zote“).
Die Fälle, in denen einem westgerm. p in der Ma.
Fortis t entspricht, sind: Anlautend: taiti deutsch, tait»
deuten (dagegen d in padaita), tausat tausend, tarff» dürfen,
tir/ll/dll» Siebkelle (mhd. Adj. dürkel ), toudar» donnern, toasa
tosen (mhd. dosen), tiiqk/a dünken, treastala Drossel (Kluge,
e. W. s. v.), triass a Drüse, traupa M. Traube, t als Artikel
des Fern. Sing. Nom. Acc., des Flur. Nom. Acc. „die“ ar
u ill, t qruat er will die Arbeit, a t ouga an die Augen,
t qlta die Alten; die Erklärung, dass die Fortis t, welche
im Satzanlaut und nach stimmlosen Konsonanten gesprochen
wird, die etymologische Lenis d verdrängt hat, (Behaghel,
Pauls Grdr. I 589 o.), befriedigt am meisten; dazu stimmt,
dass in der Ma. alle Fremdwörter mit anlautendem d mit
Fortis t erscheinen: tüsa Dose, tukqta Dukaten, topplt doppelt,
lutsat Dutzend, tüdlsqk % Dudelsack, taura dauern [dura re),
tetsemmar Dezember, takyret Dekret, tifadiara dividieren,
tok/tar Doktor, toll Ton (mhd. don ) , tat tum Datum, tek/u,
tek/a Deka, telik/at delikat, tesartir Deserteur, tikxtiara
diktieren, tiskant Diskant, ttipens Dispens, ti&kariara dis-
kurieren, tetta detto u. a.; fremde Wörter werden immer als
einzelne aufgenommen und nicht im Gefüge des Satzes,
ihnen kann also nur Fortis t zukommen. Unklar sind mir
die t in pilt Bild (mhd. bilde); /-Dehnung (westgerm. *bilipju-)
ist in nebentoniger Silbe wohl ausgeschlossen, ebenso auch
grammatischer Wechsel (es ist nach Kluge, et. Wb. bi-lip-
/«-); sait seit (ahd. std), aber saidar seitdem (mhd. *sider ) ;
alid. sld ist germ. ein K-Stamm, bei denen suffixale Betonung
Regel ist (Kluge, Nominale Stammbildungslehre § 182);
doch ist germ. *sid nicht belegt, fort, furt fort (ahd. rord),
faltarar Feldhüter zu Marktzeiten, eine Bildung aus dein
Plur., mhd. *veldercere. Germ, rp ist mit Schwund des r zu
d geworden, wo es nach der Wirkung der Auslautgesetze
inlautend blieb: fqudara fordern, fqadar vorder, fqadar
nach vorne liegend (Komparativbildung), ßdara fördern,
Digitized by Google
91
fertig machen (mlid. viirdem), kyeadsr Köder (mlid. quSrder),
mqadir» zerfetzen (mlid. *inördern, miirdern), mqdsr Marder,
nqadsr nördlich, nqadorsaits Schattenseite, nqadrig auf der
Schattenseite (an einem Nordabhange) gelegen. Nur mlid.
werden erscheint in allen Formen mit Schwund des d und
Bewahrung des r; wqara werden, icftr würde, gieqara ge-
worden. (S. Kauffinann, Gesell, d. scliwäb. Ma. S. 182, A. 2).
Germ, rp ist heute im Auslaut rt: wqart Wert, fanoqart»
verwerten (spätere Ableitung), qart Erde, analog < yrtig
erdig, hrart Herd, furt fort (abd. vord). Dass diese Ent-
wicklungjung ist, liegt auf der Hand; vgl. ahd. herta Herde,
hart, und i'rda Erde, mW ; sie kann erst nach der Dehnung
eingetreten sein. Alter ist der Schwund des r im inlautenden
rd; Belege bei Weinhold, bair. Gr. S. 168. In den Imster
Urkunden: 1468 er f odern, 1473 erfodertt, 1476 vodrung,
oordrung — (Vgl . ' eardiipft 'Erdapfel', Kartoffel).
§ 70. Germ. s. Es ist in der Umgebung von Vokalen
erhalten: soh so, sigg» singen, sqlts Salz, suntt» Sonn e, söih»
sehen, sai sein, löisa lesen, miss Wiese, nqs» Nase, rfasoh
leicht rösten, zu 'Rost’, germ. Wurz. *raus-; *rus liegt vor
in rouslig mit Sommersprossen bedeckt, rilsote Plur. Masern
(also „Flecke“), vgl. mlid. rosel, rosem; aisig eisig, aiso Eisen,
plqsa blasen, pqas böse, gh]s Glas, gräsla Gräslein, muss
Mus; hs erscheint als ks: wqks» wachsen, söks sechs. Erhalten
ist s auch nach l, n: hqls Hals, fölss Felsen, gons Gans.
Altes ss haben: ross Ross, kyröss M. Kresse, pusss küssen
(Schmellor, b. Wb. I 295), gwiss» Gewissen, tsusslo nach-
lässig gekleidetes, unordentliches Weib (Schöpf, tir. Id. 835,
Bchmeller, b. Wb. II 1157), misslig misslich, gqussls Geisel,
Peitsche, der nhd. Schreibung ‘Geissel’ liegt ss zu Grunde;
ss ist westgerm. Dehnung durch tr, *gaisioala- nach Kluge,
o. Wb. s. v., trissss Drüse (germ. Jtrösjn-).
Ahd. sk wurde zu s: sabm scheinen, susy Schuh, sqlo
Schale, säms schämen, teass» waschen, misss mischen, pussf,
Büschel, Blume, ments Mensch, pairis bäurisch; s wurde zu
s in den alten Verbindungen st, sp an allen Stellen des
Wortes: stun Stein, stoll» Stollen, rnöuSlsr Meister, ist ist,
wqust meist, gaiSt gibst (mlid. gist), reynsst rechnest, spqni
Digitized by Google
92
sparen, sprentp sprengen, hqSpl Haspel, wösps Wes| \ rqäpl »
raspeln, tswospa Zwetsche; sl, sm, an, sw sind im Wortanlaut
zu sl, sm, sii, sw geworden: slo/t schlecht, slqga schlagen,
kslalna refl. sich beeilen (zu schleunig’), Smaissa schmeissen,
smql schmal, stiuar Schnur, snall schnell, snatifa schnauben,
swqrts schwarz, Swöirs schwören, swär schwer, kswind ge-
schwind. Inlautend erscheint sl als sl nur in omsl » Amsel.
Der Übergang war hier durch die Stellung des sl im Silben-
anlaut hervorgerufen: qmsl» aus ain-sl ? (ahd. amsaUi). Vgl.
hqsla Haselnuss, -strauch, möismar Mesner, lousn » horchen
(zu mhd. losen). Altes rs wurde zu rs: Qr§ Arsch, mqarsar
Mörser, k/lrsnsr Kürschner, fqarSns Ferse (ahd. versana),
pisrS * unmässig arbeiten (mhd. birsen), pnr§ Bursch, fers
„Vers“, Spruch-, Sinngedicht, hintarsig rückwärts, hinter
sich, %w»räig darüber, über sich, flräig vorwärts ( viir sich ) ;
diese drei sind frühe Zusammenfügungen zu einem Wort.
Wo s in Flexionsfoi men vor t zu stehen kommt, oder als
Endung des Adj. Neutr. an r antritt, bleibt es als s: löisa,
lesen, ar löist er liest, glöist (schw. Part.), ondars anderes,
dagegen: ondars, ondarst anders; psundars besonders, uaitars
weiters, s sau war s ein sauberes. Da diese Scheidung genau
durchgeführt ist, muss der Übergang des s in s in den an-
geführten Fällen schon frühe eingetreten sein, jedenfalls
vor der Synkope der Flexionsvokale. (Vgl. Kaulfmann,
Gesch. d. schwäb. Ma. S. 194 A. 2). Ahd. Spirans z wurde
zu s in löst letzte, mhd. lezte, teste, grqaSt grösste, pöSt
beste. Die Synkope des Mittelvokals muss frühe schon
eingetreten sein; vgl. fqast fett (mhd. veigft). Auch r% ist
einmal zu rs geworden in hiars Hirsch (ahd. hiruz, mhd. hirf).
§ 71. tS. Es ist eine junge Lautverbindung. Im An-
laut der Wörter mag ts durch satzphonetische Scheide-
formen gewonnen sein (auslautend t und anlautend s). fslirj,
tkippl Schopf, Büschel (mhd. schiibel), tsopf Schopf, tsa~up\
Schopf, Kamm der Vögel, tsüdare sprudeln. (Wrz. skup--,
Schmeller, b. W. II 490), tieppsr» klappern (Schmeller,
b. Wb. II 354) Isfikl» schief drein schauen , schielen (zu
mhd. schiec schief). In tsivkah geht ts wahrscheinlich auf
gs (ks) zurück ; es gehört zu singen’ (Heusler, der alem. Kons.
Digitized by Google
93
v. Basel-St. S. 65). tsark » beim Gehen mit. den Füssen den
Boden streifen (vgl. ’schergken’ bei Schmeller, b. Wb. II 467).
Für den Inlaut ist es schwer eine sichere Erklärung des
ts zu geben ; für einige Wörter bat die von Winteler, l’BB.
14 , 455 ff. dargelogte Deutung grosse Wahrscheinlichkeit.
Anspruch auf allgemeine Gültigkeit kann die dort gegebene
Kegel nicht erheben.
Anm. Ich muss mich begnügen, dio Fälle, welcho die Imster
Mn. bietet, anzuführen: rätst rutschen (l’BB. 14, 443. 461 aus ruckezen)
mlid. rutschen, gratis mit gespreizten Beinen gehon (Beitr. 14, 461),
fatss Windel, Wickelbnnd (nach Woinhold, bair. Gr. 8. 163 aus lat.
/tischt, s. Kauffmann, a. a. 0. S. 183), kjpiatis zerdrücken (B. 14, 492.
463), frülil» schwätzen (zu ‘fragen’ B. 14, 465), p/Oiti» M. Aste der
Nadelholzbäume (s. Schöpf, tir. Id. 8 591), ritfc Gassenbach (nach
Schöpf, 8. 559 zu ital rnscello), M. grobe Hausschuhe aus Tuch,
Filz; grosser Schmutz- Blutfleck. (Schöpf, a. a. 0. 490, Beitr. 18, 310);
glati N. Schmutzlache, Nässe auf Wegen bcs. von geschmolzenem Schnee,
(nach Wintelers Kegel zu takjp, Lache?), miti' Ohrfeige (Schöpf 804),
glati* einen Baum durch Abschälen eines Stücke» Rinde kennzeichnen
(Schweiz. Idiot. I 1235 verzeichnet Jliits in der gleichen Bedeutung),
fnti'i mit der Hand flach aufschlagen (Beitr. 14, 462), pfiti> zischen,
sausen, rätst schwätzen (mhd. retschen, Kauffmann, a. a. 0. S 194 o),
plüts j F. grosses Pflanzenblatt (ders. ebda ), tutssls von Kindern, sich
anschmiegen um zu schlafen (naoli Wintelers Regel zu ducken?), tnatii
Kotfladen (qa aus ö, «/? verwandt mit schwäb. dotst Kauffmann,
a. a. O. 8. 194), nouts M. 8chopf, dichte Baumkrone, nqati M. Haus-
käppchen (der Geistlichen), plutfo F. durch Vorscbiehcn der Lippen
verzerrtes Gesicht, p^uts männliches Schwein (8chöpf, tir. Id. 39).
§ 72. r. Das abd. r war Zungen -r; in der Ma. herrscht
jetzt das Zäpfchen -r. Es ist überall erhalten: rigtj Bing,
raitrt> reiben, rQd Bad, pqard bohren, riw rühren, hqrt hart,
sirps Scherbe, prenn» brennen, frqa froh, traurig traurig,
sraij» schreien, graut Grund, k/ru»g Krug, vuiar Maier, tsarr»
zerren, vqrr Narr, k/qrr » Karren, clirr dürr. Alte Fortis
rr ist zur Lenis geworden in i»r irr, tar» irren, ksitr Ge-
schirr. (Über den Schwund des r bei inlautendem rd vgl.
§ 69). Schon in abd. Zeit zurück reicht der Abfall des
auslautcnden r (Bebaghel, Grdr. I 581 § 75) in dq, trott
(mhd. da ; trott ist spätere Entwicklung aus *teö), » mra aus
am e früher (ahd. er), qak/üdt» Fl. „Frühkare“, Bergspitze
nordwestl. v. Imst (in den Karten zu ‘Oder Karlekopf um-
Digitized by Google
94
gedeutet), m Ce mehr (das ahd. Adv. mir, Braune, ahd. Gr.
§ 268. 1, musste sich zu me (mlid.) entwickeln; fi> ist aus
späterer progressiver Nasalierung zu erklären). Vereinzelt
ist bqa her (ahd. hera). Der Diphthong weist auf späten
Schwund des r (mhd. er zu qar). Heute wird vor l jedes r
im Worte und beim Zusammentreffen im Satze als d ge-
sprochen: kyßdl Kerl (mhd. kerl), öidle Erle, piedlig Heu-
haufe (mhd. birlinc), sqdlqy Scharlach, swadlig schwerlich,
tiedle Tierlein, kyßdl Karl, wqadlouft wer lauft, sksiedlaihe
das Geschirr leihen u. a. Die Erklärung ergibt sich daraus,
dass alle r einstens als Zungen-r gesprochen wurden. Beim
allmählichen Verdrängen desselben durch das Zäpfchen-r be-
hielt man die bei rl zur Verwendung kommende Artikula-
tion der Vorderzunge bei. Die Aussprache rl ist für den,
der nur die Artikulationsbasis der Imster Ma. sich ange-
wöhnt hat, mit einer gewissen Anstrengung verbunden. Aus
der ursprünglich alveolaren Bildung des r sind auch einige
d zu erklären, die sich als „Übergangslaute“ zwischen nr
und Ir gebildet und erhalten haben.
Einen parallelen Vorgang kennt heute die Ma. bei der
Artikulation von nl (§ 23): solder Söller (mhd. solre ), pöldere
poltern (mhd. bölren), bildere stark widerhallen (zu hohl,
mhd. *hiilren), kyoldere lärmen, schreien (zu mhd. kolre),
derSöldere (eine verbale »--Ableitung zu ‘schälen’) aus den
Fugen schütteln, sich durch einen Fall, Schlag das Fleisch
losschälen, mander Männer, tonder Donner, dind dünn ; hier
ist das d aus den Formen mit r im Suffix zu erklären
(z. B. Gen. Fern, dünre, Komp, dünres , dünre). Die Adj. fai
fein, griä grün, s& schön, kylwe klein, praß braun, rut rein
(nicht rein mundartlich, es sollte nie lauten, mhd. rein, vgl.
rint swqsser itver nai sttih, isses wichr nie, rinnt das Wasser
über 9 Steine, ist es wieder rein) haben neben den regel-
mässigen Komparativbildungen f inner, gr firner, 5&uer, kylueuer,
(kylCntor), pr (Einer, nuner, Formen mit d statt n. fätder
grteder, Sieder, kylu'eder, (kylieder), präider , (rfftder) ; dies
weist auf einstige Doppelformen. Wo r auf n folgte, ent-
wickelte sich ein d.
§ 73. n. n ist im Wort- und Silbenanlaut erhalten.
Digitized by Google
— ftr> —
In starktoniger Silbe nach kurzem Vokal ist n Fortis, weil
jeder kurze betonte Vokal unter scharfgeschnittenem Accent
gesprochen wird. Geschwunden ist Lenis n nach langem
Vokal und im ln- und Auslaut schwachtoniger Silben. Als
Silbenträger (#) kommt n nur als Vertreter des Pron. der
з. Pers. ‘ihm, ihn’ vor: ar kqt$s er hat ihm’s, ar hqty er hat
ihn, ferner als Abschwächung des Fern. Suffixes mhd. -inne:
pairn und pairin Bäuerin, haisarq, haisarin Häuserin, und
als Dat. Acc. des Artikels nach Präpositionen: mihi mit dem,
hintirQ hinter dem, den. Der Schwund des n nach langem
Vokal ist dem Bair. zum grossen Teil eigen. (Weinhold,
bair. Gr. S. 172 f.). Den lautgesetzlichen Schwund des nicht
anlautenden n in nebentoniger Silbe weist nur das Oberinn-
tal und das bairische Lechtal auf; die Grenzorte nach
Osten sind Roppen und Nassreid (2 Stdn. östlich von Imst).
Gemeinsam ist diese Erscheinung dem genannten Gebiete
mit dem angrenzenden Alemannischen (Vorarlberg) und Schwä-
bischen (Reutte, Ausserfern). Ein Charakteristikum dieser
Mundarten kann sie nicht genannt werden, da z. B. die Maa.
des Kantons Bern die auslautenden n ohne Nasalierung des
voraufgehenden Vokals bewahrt haben (Schild, Brienzer
Ma. I. an der betr. Stelle). n(js» Nase, noum a Name, ni/t nichts,
nenn 3 neun (flect.) mhd. niuniu, nenn» nennen, nunna Nonne,
pont Band, tsond Zahn, prunn» Brunnen, sunna Sonne, tonn a
Tanne, pfonn a Pfanne, kenn» Henne, hohnig Honig, hantig
bitter (ahd. hantag), gwohna gewöhnen intrans., gwema trans.
и. intrs., reyria rechnen, tefsna Plur. Wiesen, ical Wein, sät
sein, Ma schon, fruit Freund, du mu'aät, ar muat du meinst,
er meint, i tnüb ich meine, dar u'a der eine (mhd. der ein),
t nena die einen (andern). Alle mhd. auslautenden -en sind
heute -9: mtiäna meinen, tqlta die Alten.
Im Satzgefüge waren die auslautenden n schwachtoniger
Silben seiner Zeit berechtigt; vor Vokalen wurden sie als
Anlaut zur Folgesilbe gezogen, also z. B. mhd. die alten
und die jungen wurde zu tqlt» nuut das n von alten
bildete den Anlaut des und (alte »und), das von jungen fiel
ab. Aus solchen Silbentrennungen im Satze stammt, der
Gebrauch, dass heute zwischen -» und einen folgenden Vokal
Digitized by Google
96
n geschoben wird; dabei bleibt es gleichgültig, ob -9 auf
mild, -en oder -tu zurückgeht: » nqlte ntjrt eine alte Art
(mhd. ein altiu art). So erhielten im Satzgefüge vokalisch
anlautende Wörter nach -» ein n. Aus der Verallgemeine-
rung der satzinlautenden Formen mit «-Anlaut erklären
sich: nql» Ahle, nein» Grossvater (mhd. ene), näl a Grossmuttei-
(Deminutiv zu ahd. uno), nann» Dem. nannel» Anna, nqssh
Assel ; umgekehrt wurde nach dem Muster von etwa t qd»r»
und a nqd»r» die Ader, eine Ader, aus der Fügung a nqt»r»
mit stammhaft anlautendem « ein t Qt»r» entnommen (eine
Natter, die Natter); qt»r» ist allein geltend. Doppelformen
hat Nest: nöst und öst. Dass die heute allein gebrauchte
Negation it nicht, Fortsetzung des mhd. iht ist, wie Wein-
hold, S. 171 Anm. annimmt, ist fraglich, da wir keine
Anhaltspunkte dafür haben, dass mhd. iht im Behauptungs-
satze ohne en (ne) als verneinende Partikel gebraucht wurde.
Das n schwand hier in derselben Weise, wie in qt»r», öH.
ni/t nichts, hält sein n fest.
Vereinzelt ist der Schwund des n in rouft Itanft (vgl.
sompft sanft, f»mumpft Vernunft, k/impftig künftig), ebenso
in irhsl» winseln, auch die Fortis ss bleibt hier unklar.
Weite Verbreitung hat der Schwund des inlautenden n vor
Spiranten im Alemannischen, s. Staub in Frommanns deutsch.
Maa. 7, 18 ff. Auch im Bairischen ist inlautend n vor
Konsonanten vielfach geschwunden; doch ist hier noch die
Nasalierung vorhanden, Weinhold bair. Gr. § 166 b.
Im Wortkörper wird jeder dem m, «, i] vorangehende
Vokal mit geöffnetem Nasenzugange gesprochen. Als Zeit
für den Eintritt der Nasalierung bestimmt Kauffmann, a. a. 0.
S. 165, fürs Alemannisch-Schwäbische das 12. .Th. ; wie die
Behandlung der nicht anlautenden Lenis n zeigt., steht Imst
auf derselben Stufe mit dieser Dialektgruppe. In den Ur-
kunden finden sich nur spärliche Schreibungen, welche auf
Nasalierung sehliessen lassen: 1467 one ohne (mhd. One)
(1448, 50 ane), 1472 an ohne, von da an immer, nur 1493
an, 1472 getan getan, 1451 wontag (ob mundartlich? heute
nultig *mcmtag). Im Pfarrarchiv: 1452 gethon, 1466 an, 1497
mit nomen. Dass die Nasalierung schon früh eingetreten
Digitized by Google^
97
ist, lässt sicli aus der verschiedenen Behandlung der Vokale
vor Nasalen schliessen. (Vgl. Vokalismus). Progressiv ist
die Nasalierung in snuuts M. „Schnauze“ Schnurrbart, no'u
noch, snouka Schnake, mw mehr (mhd. we), m> nie, ntiasla
näseln (*mioslen). Unklar ist sie in kya'uts Kauz, tsaupl
Schopf. Kamm (zu mhd. schoup), houka Haken. Isolierte
Wandlungen des n in m liegen vor in möismar Mesner,
perttsjj Pinsel, pimmassa Binse (mhd. bineg); Sievers, Phon. 4
8 699.
8 74. /. Es ist überall erhalten: laiha leihen, lomp
Lamm, Iqatara Leiter, laut laut, half» helfen, halb halb,
wild wild, hqls Hals, \>qlg Balg, mily Milch, wolk/a Wolke.
kylqr klar, pftöiga pflegen, fing Flug, Slqaha Schlehe, glqt
glatt, wolla Wolle, Still still, wqul Mehl, tqala teilen, plh\
Bühl, fougj, Vogel, sqtt] Sattel, Stqdl Stadel. Fortis II kann
nur nach starktonigem kurzem Vokal stehen; etymologisches
II ist nach schwachtonigein Vokale vereinfacht: alna allein,
filaiyt vielleicht, lüffah Lötteichen (mhd. leffelltn). Vereinzelt,
ist ii für l in kynuidl Knäuel (mhd. kliuwel). Die Konj.
Prät. von sölfa, wolla sollen, wollen, haben immer tt für It:
i sott, wött ich sollte, wollte, mar sötta, wötta wir sollten,
wollten (Heusler, a. a. 0. S. 114). Selten ist pqll für pqld
bald, gall für galt (mhd. gelte) gelt.
3. DIB GUTTURALEN.
g 75. Germ. k. Ihm entspricht im Anlaut vor Vokalen
und vor l, r, n (w) die Aff'rikata ky ; ebenso in der Gemi-
nation, gern), kk: kyqlb Kalb, kyqSta Kasten, kyqrwoyy a Char-
woche, kyenna kennen, kyöigl Kegel, kyind Kind, kyopf Kopf,
kyoid Kohle, N. kyoufja kaufen, kyumpf Holzgefäss für den
Wetzstein (mhd. kumpf), kyail Keil, kyits N. Kitz, kyöifar
Käfer, kyüs Käse, kyössl Kessel, kyittl Kittel, kylqa Klee,
kylemma klemmen, kyliawa klieben, kylokya klopfen (ahd.
clilocchön), kylua klein, kylufff Klöppel (mhd. kleffei), kyluky
Riss (mhd. kluc), kylqaStar Kloster, kylöppa kleben, kylqftar
Klafter, kyluag klug, fein, kyliipja klingen, Klinge, kylaupa
klauben, kylötta Klette, kyneyt Knecht, kyiiouda Knöchel,
kyitqp knapp, Knappe, kyiiia Knie, kynoyya Knochen, kynopf
Schatz. Die Mundart von Imst. 7
Digitized by Google
98
Knopf, kynilla prügeln (mhd. knüllen), kyrnft Kraft, kyripp»
Krippe, kyrump krumm, kyrouta Kröte, kyrotjky krank,
hyraij 9 krähen, kyrumat Wachholder (mhd. kranewite), kyreps
Krebs, kyrQbla kriechen, krabbeln, kyruig Krug, kyrqts » kratzen,
kyraks» Traggestell (mhd. krehse), kyröil Krauel, Spat (ahd.
*chrewil mit dem Vokal des ersten Umlautes, der des zweiten
liegt vor in kyrala kratzen), kyrisy» kriechen, kywiara ächzen
(""ahd. quivren), kyöky keck, kyitta Quitte, kyuökySilwar Queck-
silber (vgl. § 63).
Fremdwörter mit anlautendem ky (zum Teil schon früh
entlehnt) : kyar&ta Kirsche (mhd. kerse), kyirwas Kürbis,
kyqtcas Kohl (aus lat. cuput), kyontsl» Kanzel, kyqpp a Kappe,
kyqppd» N. Kapelle, kyqrra Karren, kylQr klar, kyqrta Karte,
kyeim Stubenkamin (ahd. chemi), kyanü Kamin, Rauchfang,
kyanäl Kanal, kyaputs a Kaputze, kyapitt} Kapitel, kyqplou
Kaplan, kyarukytar Charakter, kyandima Kanone, kyamill »
Kamille, kytmarqt Kamerad, kyapitäl Kapital, kyapul kaput,
kyasarm» Kaserne , kyamot bequem , kyalendar Kalender,
kyadaStar Kataster, kyunta Konto, kyüfar Koffer, kyatoUiü
katholisch, kyädar Cadre, kyamed a „Komödie“, lärmende
Unterhaltung, kylaus Nikolaus, kylausa Klause u. a. m.
Anlautende Tenuis k fehlt der Ma. als etymologischer
Laut. Beachtenswert ist gitsala kitzeln (gitsl, güts | Kitzel).
Die Grundform der germ. Wurzel muss tig- gewesen sein,
die mit urgerm. Dehnung englisch als tickte erscheint ; unsere
Mundart hat tsekya mit den Fingern stossen, um zu necken,
(vgl. alem. zirkle Kluge, e. Wb. „Kitzel“). Durch Ver-
tauschung der Konsonanten der urgerm. Form tig- entstand
git-, das mit westgerm. /-Gemination [gittl) sich zu dem
gltsal 3 der Ma. entwickelte. Die von Kluge, a. a. 0. auf-
gestellte germ. Grundform kit, kut kann nach Ausweis der
Imster Ma. nur sekundär sein. Das Verhältnis von gitsala
zu „kitzeln“ ist genau dasselbe wie das von ‘Geiss’ zu ‘Kitz’
(Kluge, e. Wb. „Ziege“), grqaib M. Schustermesser (Lexer,
mhd. Hwb. I 1042, Schmeller, b. W. I 1349), gtjikke knicken,
knausern (vgl. engl, knife und to knicke). Wie sich in
beiden giq und engl, kn verhält, ist nicht klar ; sollte gern.
ga-hni- zu Grunde liegen? Vgl. Kluge, a. a. 0. kneipen.
Digitized by Google
99
glokk* F. Glocke, ist Lehnwort. In gompjsr Kampfer, golfar
N. Koller, gimmsrl* Gurke (ital. cucummero), gütS» Kutsche,
grqlla Koralle, graul* Kreide, entspricht das anlautende g
einem k der fremden Sprache, das in dem entlehnten Worte
sicher unaspiriert gesprochen wurde und mit dem allein
herrschenden ^-Anlaut zusammenfiel.
Im In- und Auslaut entspricht gern), k nach Vokalen
und l, r die Spirans Fortis y: kyOyy) kochen, mqyy* machen,
8QX Sache, Stöyy* stechen, siyy9r sicher, rqyy* Rachen, rqyyh
schnarchen, röcheln, wqy wach, iroyy» Woche, $oyy»r Stroh-
lmufen (zu 'Schock’), siy/Jd Sichel, tlqy flach, kstmayyig schmack-
haft, schmeichelnd, Ableitung zu mhd. gesmach, Imst, klmoy
Geschmack, payyl * Bächlein, Iny Loch, töyyßt Dechant (lat.
decanus), proyy» gebrochen, kStriyy* gestrichen, ploy Block,
pqyy* backen, tsöy Zecke, laiy Leiche, glaiy gleich, tcaiy»
weichen, Slaiy * schleichen, taiyj Brunnenröhre (mhd. tiuchel),
prauy» brauchen, plqay bleich, tcqay weich, ri»yd riechen,
rouy» rauchen, si*y Geizhals, Nimmersatt, Iqay» (von den
Gelenken, Augen) den Dienst versagen, tsqay* Zeichen,
qny»ld N. Eichel , Spqay* Speiche , Spnayl Speichel , prqy»
brachen, das Feld umbrechen, tsi»y» Zieche, Decke, Smaiyl »
schmeicheln, pu*y» Buche, flioy* fluchen, farStauy * refl. sich
(Hand, Fnss) verrenken (PBB. 18, 221), Stauy» Nonnen-
schleier (mhd. stürhe), su»y* suchen u. a. Germ, rk ist als
ry, lk als ly vertreten: piry» Birke, Snaryl» schnarchen,
wiry * wirken, tcury * wirken, wary Werk, Werg, mqry Marke,
mary * kennzeichnen , abgrenzen, Mqry stark, lary* Lerche
(aus mhd. lerrhe, rk nach ags. lawerce), qry » Flussmauer
(Lexer, mhd. Hwb. I 92), kyqly Kalk, mily Milch, maly*
melken, wqly* walken. In kyiry » Kirche, lary M. Lärche, tswily
Zwilch, kyöly Kelch, ist der Mittelvokal etymologisch be-
rechtigt gewesen; diese y aus k sind zwischen Vokalen ent-
wickelt. ln tirylkyöll » Sicbkelle, muss tiryl auf eine germ.
Form ptirkil- zurückgeführt werden, das k (aus urgerm. gn)
entspricht dem in got. Jtairkö Loch; ‘durch’ gehört zum
selben Stamme. Wäre ry in tiryl auf germ. rh zurück-
zuführen, so müsste man annehmen, dass h durch l geminiert
worden sei. Aber Synkope des i in *purhil- ist ausge-
7 *
Digitized by Google
100
schlossen, da dieses * Umlaut bewirkte. Den Übergang von
rh zu rk, den Wilmanns, deutsche Gramm. § 92, aufstellt,
vermag ich aus der Imster Ma. nicht zu bestätigen. Wie
die angeführten Beispiele von ry, l y zeigen, haben wir in
den Iky, rky von polky» Balken, Fenster, teolky» Wolke,
gwilky Gewölke (rnlid. gewülke), m'örky» merken, Ikk, rkk zu
suchen (westgerm. balkn-, wolkn-, gawulkj-, murkj-); ky in
folky Volk, kann nicht mundartlich entwickelt sein (ahd.
folh), mqrkyt Markt, ist ein Lehnwort.
Germ, nk ist heute ijky: poijky Bank, Üorßcy schlank,
kyrotjky krank, doijky 3 danken, stroijky» schwanken, sirjkyB
sinken, setjkyl Senkblei, detjky» Denken, weqky» wanken
machen, Stitjky» stinken, trhjky» trinken, frogky frank, Sigky»
Schenkel, äeqky» schenken, kylnijkyl » mit dem Glocken-
schwengel anschlagen, muss mit mild, klenkeu auf germ.
klank zurückgeführt werden, äreijky» schränken, tutjky» dünken,
ttnjkyl dunkel, witjky } Winkel, ßijky Fink, liitjky» hinken,
gletjkyig gelenkig.
Germ, und westgerm. kk. Die Geminata kk zeigt sich
als ky: truky » trocken, lukyo Lücke zu 'Loch’ ( *lukkja -), die
bei Kluge, e. Wb. „Lücke“ erhobenen Bedenken gegen die
Zusammenstellung von ‘Loch’ und ‘Lücke’ sind nicht stich-
hältig; Schweiz, lugg ist eben vom Stamme lug (locker) ab-
geleitet und hat dieselbe Bedeutung wie ahd. luccha, das,
wie es scheint, dem Alemannischen verloren gieng. puky»
bücken (zu ‘biegen’, urgerm. bugu- zu bukk-), tsuky» zucken, zu
‘ziehen’, dukys ducken; Zusammenhang mit ‘tauchen’ ist mir
wegen des anlautenden d nicht wahrscheinlich ; es wäre der
einzige Fall in unserer Ma., dass anlautend t zu d ge-
worden. Sriky» M. Schrecken (mhd. schricken), tuky M. Tücke
(PBB. 18, 220), poky Bock, loky» locken, Locke, döky» decken,
diky dick, sikyor» sickern (gut mundartlich), toöky» wecken,
dröky Dreck, Spöky Speck, tsweky Zweck, tswikys zwicken,
rökyd recken, ätöky » stecken, Stecken, kyöky keck, floky
Fleck, floky» Bodendiele (Ableitung zu ‘dach’ *ßakkja-), pikyl
Pickel, u'ikyld wickeln, daritiky » ersticken, ätikyj steil (Kluge,
Nom. Stammbldgl. § 188), ruky» rücken (zu mhd. rogel, Imst.
rougl locker, also urgerm. *rugn- zu *rukkj ), Smukynl» sich
Digitized by Google
101
ansclimiegen (Paul PBB. 7, 133 A. 2 zu ‘schmiegen’), okypr
Acker, trqky grosses Tier (westgerm. w-Gem., ahd. traccho),
kyrikyp brechen, schadliaft machen (zu ‘krachen 1 ), hakx]
Hautausschlag an den Händen zu ‘Hechel’, vgl. Heusler, der
alem. Konson. v. Basel-St. S. 69, nqkypl nackt, hoky» sitzen,
verschieden davon ist hukyprl» X. kleiner Heuhaufe, es ge-
hört zu ‘hoch* (germ. *liauh-, *haug -, *huyn-), trikyp Wicke,
plik blicken, Stuky Stück, luky N. Deckel (mhd. lue, Ab-
leitung zu belucken), tsiiJ lukx » zudecken, Spekyp mit dem
Finger fortschnellen, mit Spöihs verjagen, zusammenhängend
und auf idg. spik- weisend (lat. spiculum?), germ. spegn-
und speh-, lekx » lecken, Hekyn schlecken, plekx » blecken,
hqk/» hacken, wqkytr wacker, ätoky Stock, ätriky Strick,
Strökx » strecken, kStokyii» von Flüssigkeiten , dick werden
(PBB. 18, 223), Smökyp schmecken, filukyp schlucken, $ikyp
schicken, rokx Kock, prokyp Brocken, pflücken (zu ‘brechen’),
pqkyp packen, tokyp M. hölzerner Auslass an einem Weiher,
zu mhd. tocken versenken (zu ‘tauchen’), sokfl Socken, sqky
Sack, sökxh Säckel, kxlokx * klopfen, ttekyp necken, gl'ökx N.
Hofnamo bei Obtarrenz; ein /o-Neutr. zu ‘Lache’, *ga-
lakjct- „der Hof bei den Lachen“, lak/p Lache, kxJökyp intrans.
ausreichen (mhd. klecken). Nach langem Vokal haben wir
ky nur in Iqakyl» anlocken, zu mhd. leichen, westgerm. *laikkj-,
teakyiid Holzgefässe ins Wasser tauchen, um sie wasserdicht
zu machen; es lässt sich am leichtesten zu ‘Teich’ stellen.
( *daikkj -); der Flurname plgakpengl bei Obtarrenz ist 1477
urkdl. als Plaeck-Anger verzeichnet, man vergleiche dazu
die Verweise im § 52.
Die Vertretung des germanischen k durch ky im An-
laut, nach n und in der Gemination erstreckt sich über das
ganze bairisch -österreichische Westtirol (Oberinntal und
Etschtal). Die Ostgrenzen vermag ich derzeit nicht an-
zugeben. Dass wir hier eine Stufe der lid. Lautverschie-
bung vorliegen haben, ist ohne weiteres klar. Die zahl-
reichen Fremdwörter mit anlautendem ky beweisen , dass
die Ma. die Affrikata seit den frühesten Zeiten besessen
hat. Gegenüber den Angaben bei Behaghel, Pauls Grdr. I 591,
welcher die Attrikata nur einem beschränkten Teile des
Digitized by Google
102
Alemannischen zuschreibt, muss das Vorhandensein der Affri-
kata auf bairischem Boden nachdrücklich betont werden.
Vgl. Jellinek, Zs. f. d. A. 36, 77 ff. Wilmanns, deutsche
Gramm. S. 29, hat seine Darstellung der Verbreitung von
A^nach Behaghel gemacht, 'obwohl er den genannten Aufsatz
Jellineks kannte (vgl. Deutsche Gr. S. 57 § 70).
Als g erscheint germ. k heute in dem nebentonigen
-ig, das der Ableitung mhd. -Liehe entspricht: frailig freilich,
hauslig häuslich, sparsam, iiMig schonend ( *schdnlich ) ; ferner
in den enklitisch gebrauchten mig, dig, sig mich, dich, sich,
in hochtoniger Stellung ist hier ch geschwunden, ml, di (*f);
weiters in k/nouflig Knoblauch, ünittlig Schnittlauch, lailig
Leintuch (mhd. linlachen), rätig Rettich. In den Urkunden
und selbst noch in den Ratsprotokollen des 17. Jhs. wird das
etymologische / immer als ch geschrieben und von g (Suffix
mhd. ec) getrennt gehalten. Die Ma. des Otztals hat die
alten / >'i nebentonigen Silben bewahrt. Der Übergang zu
g ist also sehr jung und wohl durch Angleichung an das
Suffix ig (ahd. ig, ag, ug) bewerkstelligt worden. An phone-
tischen Ursprung kann kaum gedacht werden. Für die An-
nahme, dass rein analogischer Übergang des Suffixes -ich
zu ig vorliegt, spricht der Umstand, dass diese neuen g
durchaus fest sind (im Gegensatz zu schweizerischen Maa.,
vgl. Heusler, a. a. 0. S. 58). Im Stanzertal ist neben-
toniges g im Auslaut geschwunden; Imst: frailig freilich,
rätig Rettich, * Stanzertal : fraili, räti aber auch: tsaiti,
zeitig , Iqssmi lass mich, für tsaitig, Iqssmig der ‘Imster’ Ma.
A n ra. Die Namen der Hochalpen ‘Grubig, Plötzig, Plattig’, nord-
weatl. (5 Stdn.) von Imst (gruMcig, plötsig, plqttig ) werden im 17. Jh.
als Gruebach, PlBtzaeh, Vlattach geschrieben; es liegt da» Suffix ahd.
-all vor, Kluge, Nom. Stammbldl. § 67, 202. Ihr -y (gleich germ. y) ist
in derselben Weise behandelt worden wie das nobentonige y aus
germ. k.
§ 76. Germ. g. Die regelmässige Entsprechung ist g:
gcard gerne, galt Geld, gift Gift, guet Gut, goß Gast, glouw »
Glauben, glonts Glanz, glqs Glas, gliky Glück, grqas gross,
graiffe greifen, grünt Grund, grqt Grat, gqu»g genug, gmul)
Gemeinde (ahd. gimeini), grQd gerade, grqast gereist, trog»
Digitized by Google
103
tragen, fluigs Fliege, U»<ß lügen, parg Berg, folg» folgen,
troug Trog, slgg Schlag, kylqg Klage, stöig Steg, tcöig Weg,
tswaig Zweig, tsüg Zug.
Schwund des g oder vielmehr Vokalisierung (vgl. die
zutreffende Darstellung bei Heusler a. a. 0., S. 67 u. f.)
zeigen: mqastar Meister, troad Getreide, wie qa aus agi
zeigt, sehr alte Zusarnmenziehungen ; später sind: tröist,
tröit trägst, trägt, söist, söit sagst, sagt, löist, löit legst, legt,
ksöit gesagt, glöit gelegt, selten jiiist , jöit, gjöit neben jqkst,
jqkt , gjqkt jagst, jagt, gejagt, luist, lait liegst, liegt (mild.
Hst, Itt), madla Mädchen (Dem. zu ahd. magad *magadelln)
mit dem Vokal des spätem Umlauts.
Statt des zu erwartenden g im Auslaut haben folgende
Wörter ky'. » wüky weg! (mhd. etiwec), purkymqd Bergmahd,
park/mqastsr Bergmeister (Aufseher über die Alpen), park %-
nytsr Bergrichter (des einstigen Bergbaus), (pqarkywqarys-
k/opf wird im Westen von Inist eine Spitze genannt „Berg-
werkskopf“), dagegen parg Berg, loijkywailig langweilig,
leiik/lig länglich, loqkywfd die hintere Stange am Wagen
(vgl. Frominanns D. Maa. 3, 299) qrkyuou Argwohn. Es
sind isolierte Formen (ivbig Weg, parg Berg, loipj lang, qrg
arg); ihre Affrikata kann kaum anders erklärt werden, als
dass einst in einer frühem Sprachperiode die auslautenden
g nicht als einfache Verschlusslenes gesprochen wurden.
(Vgl. Jellinek, PBB. 15, 268 ff, Braune ahd. Gr. § 149, 5,
Jellinek, Zs. f. d. A. 36. 77 ff). Eine Media affrikata, welche
Jellinek annimmt, scheint mir phonetisch nicht möglich,
da bair. g sicher stimmlos war. Sollte bairisch auslautendes
g als Media aspirata gesprochen worden sein? Der Wandel
zur Affrikata würde sich dann auf eine Stufe stellen mit
dem von anlautendem gh zu k/ : wo im Wortanlaut die
synkopierte Partikel ge, g mit h zusammentrifft, wird Affri-
kata ky gesprochen: kyilb (mhd. gehilwe bewölkt) mild (vom
Wetter), kyaij» umwerfen (mhd. gehlen), kyqar» gehören,
kyqlts behalten (gehalten), kyais Gehäuse. Dagegen könnte
man nicht einwenden, dass die Vorsilbe ge bei Schwund
des Vokals zur Fortis k geworden sei (wie tatsächlich in
schweizerischen Mundarten, Heusler, a. a. 0. S. 3 A. 1),
Digitized by Google
104
dass also diese anlautenden ky aus kh entstanden seien.
Unsere Ma. (das Bairische überhaupt?) hat für die Vorsilbe
ge überall, wo der Vokal geschwunden ist, Lenis <j, na-
türlich vor Stimmhaften. Dass ky für auslautend y nur in
so wenigen Wörtern erhalten ist, erklärt sich, wenn man
bedenkt, dass die obigen Wörter und Zusammensetzungen
isoliert sind; den übrigen Wörtern standen Formen zur
Seite, in welchen g den Anlaut der Flexionssilbe bildete.
(Also etwa N. S. ztvik y, G. ewiges, Imp. Sgl. Irak/, Plur.
traget). Die Ausgleichung geschah überall zu Gunsten des g.
In den Urkunden finden sich die Doppelkomposita der Adj.
-iglich häufig mit gk, ck, ckh geschrieben, 1450 münnigklich,
1435 g iftiy bleichen, 1477 ewicklich. Ferner junckfratv, jungk-
frair, jtmckhfrau im 15. Jh. — Die ersten Batsprotokolle
(von 1611 an) schreiben gerne hinwögkh , perkhrichter, perckh-
maister.
mqry N. Mark, lautet im Ahd. marg. Mhd. ist in bair.
Denkmälern eine Form march belegt (Lexer, mhd. Hwb.).
Vielleicht ist ry hier auf folgende Weise zu erklären. Das
Nebeneinander von marg, marges erscheint im Bairischen
als marky, marges. Nun kann ganz wohl eine Ausgleichung
in der Weise erfolgt sein, dass das auslautende ky in den
Inlaut drang : markyes ; das so entstandene marky, markyes
stellte sich bezüglich der inlautenden Form rky mit G. starches
(d. h. sturkyes, vgl. Braune, ahd. Gr. § 144, 5) auf eine Linie.
Dem starches mit inlautendem rky stand auslautend rh, stark
aus starah zur Seite. Wie starkyes zu stark bildete sich
markyes zu marh ; mury wurde allein geltend. Es ist eine
gewundene Erklärung, wie ich zugebe, aber unmöglich ist
diese Umbildung nicht. Eine Stütze dafür kann das Lehn-
wort pstsiry Bezirk, bieten. Es ist in ahd. Zeit nach der
Lautverschiebung entlehnt (ei zu tat) ; re muss als rkh ge-
sprochen worden sein nicht als rk ohne Hauch, kh trat in
unserer Ma., welche keine (reine) Tenuis Aspirata kannte,
mit ky zusammen. Wie starches zu stark bildete man zirkyes,
zirky (zirkhes, zirkh) zu tsirkyes, tsiry um.
Westgerm. gg. Die Entsprechung ist Fortis k (Genii-
nata kl)-, mukk<> Mücke, rukks Kücken, tsruk zurück, prnkk »
S
Digitized by Google
105
Brücke, luk locker (nilid. lücke), öle N. Ecke, Ökk» eggen,
Egge, * rokk» Weck, löbh Holz aufschichten, fikk» sich die
Haut wundreiben (zu ‘fegen’), gijak Genick, das lautliche
Verhältnis zu ahd. ttacrh ist nicht klar, pfpakks dickes,
schwer atmendes Weih (zu pfnlh» schwer atmen, Schmeller,
b. Wb. I 451), pukkj, Buckel (westgerm. gg, Kauffmann,
a. a. O. S. 197, setzt fälschlich urgertn. gg also germ. kk
an, es gehört zu püg) biegen vgl. puky»), tsikkl» aus dem
Ziehbrunnen ( tsikklprunn ») Wasser schöpfen (zu ‘ziehen’ *zng-),
stukkU schlürfend trinken, zu saugen’, Hak kl Eisenspitze am
Bergstock (PBB. 18, 224), lakk] nachlässiger Kerl, möglicher
Weise zu löb lau (Kauffmann, a. a. 0. S. 197), gicqkkh
wackeln, tcqkks Bachstein, Wagge (Kluge, e. Wb. 5 393)
tsqkkl» Troddel, Quaste (zu zagel), snök M. Schnecke, rokk»
lioggen, pokk» Backen, eine Form mit ky, ahd. baccho ent-
sprechend, fehlt, pqkk 3 setzt Haggo- voraus, also westgerm.
*bagn-, es ist mit mlid. buog Schenkel, zu verbinden, dessen
idg. Form bhügh- ist. Die Schwundstufe dazu, bhagh-, ent-
wickelte sich im Germ, zu bag-; idg. bhügh- verhält sich zu
bhagh- wie mägh- zu m»gh- (Streitberg, urgerm. Gramm.
S. 44). sprekkl » sprenkeln (Kluge, e. W. s. v.), grqkka dürre
Zweige (vgl. Schöpf, tir. Id. S. 205, 207) Schweiz, grageln,
rigöre PBB. 14, 461, ßokk» flackern (zu ahd . ßagarön), tsökkH
scheckig (ein Lehnwort? Kluge, e. Wb.), fsrmvkkl » ver-
heimlichen, weist mit fsrma'ukl» dass, auf eine germ. Form
*müg, die als Nebenform zu muk zu betrachten ist (Kluge,
e. Wb. unter „meucheln“), gukk » gucken (bei Kauffmann
fälschlich mit germ. kk angeführt a. a. 0.), nqaks beugen
(hnaigjan), goukls herumfuchteln, gaukeln, hm kl heikel (auf
westgerm. gg iin Gegensatz zu Schweiz, heikyel Kluge, e. W.
s. v., weisend) , stiouk 9 Schnake (bei Kauffmann, a. a. O.
fälschlich als mit westgerm. kk), houlc » Haken, tm&k» Zacken
mit sekundärer Nasalierung (vgl. Kluge, e. Wb. „Zweig“),
tsükls schielen, zu mbd. schier, tsigksls nach Brand riechen,
zu ‘sengen’, stoß:» F. Staijkdr M. Stange, Pfahl (zu ‘Stange’),
rorßes zerren (mhd. ranken), rnijkl» sich balgen, ranker un-
artige Kinder, po>jk»r dass, zu mhd. bangen stossen, tsoiße»
zanken, zerren („zanken“ ?), slaßl Schlingel, sletjkls schlenkern,
Digitized by Google
— 106 —
pugk» stossen, schlagen, punk»r » klopfen, lärmen, pigk] durch
Stoss, Schlag entstandene Geschwulst (alle drei zu mhd.
bunge), fletjk» Fetzen, Zipfel (Heusler, a. a. 0. S. 67), link
link, teijk link, glatjkh baumeln (zu 'lang’), ilitjk» Schling-
pflanze, in irk mürbe (;'o-Adj. zu mhd. murc), tsark» mit den
Schuhen den Boden streifen (vgl. ahd. scurgan bei Scluneller,
b. Wb. II 467), slqrkd geht auf dorken zurück, Oberinntal
slqarki schlechte Schuhe, zu schlurken bei Schmeller, b.
Wb. II 533.
S 77. Germ. y. Es ist regelmässig erhalten und zwar
als h im Wort- und Silbenanlaut, als y vor stimmlosen Kon-
sonanten und im Auslaut. Nur in den anlautenden Ver-
bindungen hl, lir, hte, hn ist h geschwunden wie schon im
Ahd. (loiijf.) laufen, riipj Hing, wqgr wer, nqpf Napf), komm»
Schenkel (ahd. humma), haus Haus, höiw» heben, hqr Haar,
ItiiaU heilen, halffd helfen, hint» hinten, holts Holz, söih»
sehen, öih»r Ähre (ahd. ehir), tsäh»r Zähre, früh» Truhe,
plqh» Blähe, fix \'ieh, filiis viehisch, icaih» weihen, laih »
leihen, saih» seihen, tslh» geziehen, t$i*h» ziehen, flizh» fliehen,
itiih-i scheuen, suiy scheu, pihl Bühl, stähl Stahl, pailtl Beil
(mhd. hihel) lenk» als Ortsname „Lehen“, silh» schielen (mhd.
schUhen), p»folhd befohlen (mhd. bevolhen), fqrhi Föhre (ahd.
voraha), u <1/ stolz, a wähsr ein stolzer (germ. weh-), dazu
sicher wiiy üppig wachsend (mhd. *wüehe germ. *wöhi-, aus
idg. wök, wak ?), tsüy zähe, gäy jäh, si»y unschön, fury Furche
(ahd. furiih). Dem organischen Wechsel von auslautendem y
mit inlautendem h steht und stand eine Vertretung mit
auslautendem / (in langer Silbe) und inlautendem y (gleich
germ. Ä-) gegenüber. Die auslautenden y sind heute in beiden
Fällen dieselben (Halbfortis). Daraus ergibt sich die Er-
klärung, dass einige Wörter, deren auslautendes y gleich
germ. k ist, heute in den inlautenden Formen li aufweisen.
putiy, pauhig Bauch, bauchig, </a pauhausnaid» den Bauch
aufschneiden, püiy Pech, ftrpöih » mit Pech verkleben, plöiy
Blech, plöih»rn»r blechener, inily Milch, inilhig milchig, aber
maly) melken, kyqly Kalk, kyolhig kalkig, ksmQy Geschmack
(Geruch), Dem. k&nuihb feiner Duft; so auch in allen, in
welchen kurzer Vokal vor auslautender Fortis y (aus k
Digitized by Google
107
s. § 80) gedehnt wurde. Umgekehrt ist auslautend y * n
den Inlaut gedrungen in tmar y, a tswarya hont eine quere
Hand (seltener a tswarh»). Vielfach ist im Bairischen in-
lautendes h durch y vertreten, z. B. im Zillertal; wie weit
der Wechsel von -y und -h-, wie ihn die Imster Ma. auf-
weist, nach Osten reicht, bleibt noch festzustellen. West-
germ. Dehnung des h liegt vor in Iqyya lachen, kyti»ya
Schlittenkufe (PBB. 12, 524), tsöyy» zechen, kaum in Qy
Ache, Qy»tql Achental (got . a/iru); eher ist hier Verdrängung
des inlautenden -h- durch das -y des Auslauts anzunehmen.
Altes h: s wurde zu kn: drakslar Drechsler, toqksa wachsen,
wqks Wachs, wiksa wichsen, oks Ochse, fuks Fuchs, daiksh
Deichsel, piksa Büchse, luiksg M. Leuchse, aks Achse, söks
6, haksd Fuss (mhd. hehse), höiradaks eine eigene Umformung
des mhd. egedehse; frühe Synkope zeigt nahst Sup. der nächste
in der Folge, aber nähyst, nähmst der nächste, hökstns höchstens,
ist auffallend, da Ö durch qa vertreten sein sollte, siks
siehst, neben styst. Schwund des li liegt vor in gäliga plötz-
lich einmal, mhd. gcehdlchen , tvairouy Weihrauch (mhd.
wilirouch), trdinayt Weihnacht (mhd. uihenehte), tselno, tsei
zehn, neben tsöilnw, tsöiha (hier ist der Schwund des h nicht
identisch mit dem in ahd. zen vorliegenden; zen hätte zu tsü
werden müssen). Die drei ersteren standen nicht mehr im
Zusammenhang mit gtehe, uth - ; hl, hr, hn wurden wie im Ahd.
im Wortanlaut zu l, r, n. Die untrennbare Verbalpartikel dar
ist aus schwachtonigem durch entstanden (= nhd. er-, zer-,
ent) § 58. Schwachtonigkeit ist auch Ursache des Schwundes
in it nicht, nou noch ; ebenso ist der Schwund des h (y)
gleich germ. k zu beurteilen in ou auch (mhd. ouch), glai
Adv. gleich (mhd. gelich). Vgl. nqrrst närrisch (mhd. narreht),
rqatlayt neben rqatalat rötlich, mtsayt einzeln.
§ 78. Germ. ng. Es ist zu ijtj geworden : shpja singen,
hegt ja hängen, \sloijija Schlange, tswoijij Zwapg, riijq Bing,
sprutjtj Sprung, hiniyar Hunger. Altes gn erscheint als tjtj,
also mit Artikulationsausgleichung in: aijya Baumnadeln
(mhd. agene ), oyy.incas Agnes, motjtj Magnus; Vgl. noch
potjijsrt Baumgarten, huatjart Heimgarten. In diesen wurde
das auslautende w des ersten Kompositionsteiles zuerst nach
Digitized by Google
108
dem Gesetze zu n, dann vor g zu n, poumgarto zu poungarte
zu poyyart — Urkdl. 1455 pongartii.
§ 79. Germ. j. Es ist anlautend erhalten: jQr Jahr,
j ii g jung, jügH Jugend, jo'umar Jammer, j Amara jammern,
j'}g.i jagen, jnyj Jagd, jütska jauchzen, jäh Dem. zu dem
seltenen jou kleiner Fleck Acker (Kluge e. W. S. 178),
jötta jäten. Über den Schwund des j in o'umar (ahd. dtnar)
Gier, Sucht und ethtjlb (mhd. enhalp ) vgl. Sievers PBB. 18,
407 f., Streitberg urg. Gr. S. 60, Hoffmann-Krayer, Kuhns
Zeitschrift 34, 144 ff. Über die heute zwischen Vokalen
stehenden inlautenden j vgl. § 10. Darnach stehen neben
den Formen mit j solche ohne j. j muss stehen nach den
Diphthongen, deren zweiter Bestandteil » ist, also nach ai,
ui. saija seien, ruija reuen. Hier ist eine Aussprache saia,
ruh ausgeschlossen. Als g ist j erhalten in tilga Ottilie
(tifjt j, gilg» Lilie (mhd. gilgtt ), sorg Scherge (ahd. scerio),
loücerga Latwerge (mhd. latwerje).
Anm. Auf j geht das /.• in mötzka zurück (mhd. metzjen). Wie
die k in Uftska (mhd. lefse) Lippe, saiftsk ) seufzen, dtlyUka ächzen, jütska
jauchzen, zu erklären sind, steht dahin. (Tgl. Winteler, PBB. 14, 455 f.).
plintska ist aus blinkazzen blinzen, entstanden, eine ähnliche Metathese
mag vorliegen in suttks (Beitr. 14, 461), grutek ) vom Knarren der Schuhe
(B. 14. 461) (grügla murren) grugatzen ? stqtska stottern, q geht auf o
zurück, vielleicht stakatzen, stak zu ‘stecken’ u. a.
Auf Erhaltung des j weisen die s in pläsa F. Schale
der Hülsenfrüchte (Erbse, Bohne. Fisole) *bläsja zu 'blasen’,
roiSa Reuse, *rfisja (Kluge e. Wb.), sj wurde zu sk (sg)
dieses zu 5?') Im Gegensatz zum Nhd. und vielen deutschen
Maa. ist der Diphthong mhd. ie als ia erhalten in: an tader ein
jeder, dar iad jeder, iets jetzt (mhd. ieze). Für Georg ist
im allgemeinen jörg im Gebrauch; vgl. honserg Hansjörg.
Das lateinische 'Ingenuin’ erscheint als jennawal und gennarla\
geschrieben wird es als Schreibname ‘Jennewein’ und Genne-
wein’.
') niafo F. Schimpfwort für 'Geeicht, Antlitz’, kann in dieser Weise
als germ. nösj- F. erklärt werden ; idg. nae-, vgl. § 56, also gleich ‘Nase*.
Digitized by Google
109
D. ÄNDERUNGEN IN DER QUANTITÄT.
1. DEHNUNG KURZER VOKALE.
Vor stimmlosen Konsonsanten.
§ 80. Kurzer Vokal in offener Silbe wurde gedehnt.
Silbenauslautend waren kurze Vokale vor den intervoka-
lischen Lenes b, d, <j, f, s, h. grpu® Graben, löitca leben,
plitcs geblieben, ouwa oben, hqfd Hafen, höifomim Hebamme,
riifa Eiterkruste (ahd. hrufa), houfslig schonend, achtsam
(mhd. hovelich), sqd& schaden, röid;> reden, löidiy ledig, kiids
geschieden, poud» Boden, posa Base, tvgsa Rasen, wisa Wiese,
löm lesen, hous » Hose, trqga tragen, jqgv jagen, s'gga sagen,
migfi Magen, ltg» liegen, tätig» gestiegen, wöig» wegen,
kfioug » geflogen, poug» Bogen, truha Truhe, söih» sehen,
öihar Ähre, tsahar Zähre, tsouh » gezogen, kfiouha geflohen.
Vor auslautender Lenis ist ebenfalls durchwegs die
Dehnung eingetreten. -5 tqb Stab, oub ob, iüb Schub, trlb
Trieb, slb Sieb, houf Hof, rqd Bad, glqs Glas, groß Gras,
inons Moos, ti\g Tag, slqg Schlag, teöig Weg, Stöig Steg.
troug Trog, püg Bug, tsüg Zug.
Vor den Fortes p (westg. bb), t (wg. dd), k ( gg ), ff
(wg. p), 88 (zz aus t), / (aus k) ist im Inlaut die Kürze
immer erhalten geblieben, ebenso vor ky, pf, ft, st, ht,
i: rnppa Baben, wött» wetten, ninkk» Mücke, hoff» hoffen,
öss» essen, mqyy» machen, Iqyya lachen, döky» decken, gipß
Gipfel, kyröftig, kräftig, rqit» rasten, trqyt» trachten, tvisS»
wischen. Das Gleiche gilt für die Formen, in welchen
diese Konsonanten auslautend sind.
Doch bilden hier eine Beihe von Wörtern mit kurzem
Vokal und auslautender Spirans Fortis (ahd.) eine Aus-
nahme, indem in ihnen der kurze Vokal gedehnt wurde,
der auslautende Spirant zur Halbfortis geschwächt erscheint,
die im Satzinlaut vor Vokalen als Lenis auftritt. grif
Griff, illf Schliff, pfif Pfiff, stuf Schluff, Söif Schiff (mhd.
schef), pts Biss, ksTs (mhd. geschiz) lat. nuces, rls Biss, süs
Schuss, slüs Schluss, fordrüs Verdruss, gr/ns Genuss, kslous
Schloss, ksous Geschoss, Sprössling, gwls gewiss, (mhd. ge-
Digitized by Google
— 110 -
tris), döis das, irfis als satzauslautende Frage, was? im
Innern oft nocli trqss zumal vor Konsonanten, stiy, Stich,
prii /, Bruch, grüy, Geruch, kimiqy Geschmack, Geruch (mhd.
(j ie$mach), pöiy Pech, plöiy Blech, striy Strich, sliy Schlich,
Sprüy Spruch, kyouy Koch, löiy Lech, aber lötyj, pöy Bach
in *tarl&pQx Starkenbach, Weiler 2 Stn. westl. von Imst,
pqlm9piiy Flurname bei Imst, Palmenbach, sonst immer
poy mit Kürze.
Aus der Tatsache, dass Wörter von der Form kurzer
Vokal + inlautender Spirans Fortis nie Dehnung haben, er-
gibt sich von selbst, dass die Dehnung eines kurzen Vokals
vor auslautender Spirans Fortis nicht durch die inlautenden
Formen verursacht sein kann, wie man allenfalls für aus-
lautende Lenis annehmen könnte und für die Schriftsprache
auch anzunehmen hat (Wilmanns, deutsche Gramm. § 245).
In der Imster Ma. haben sich die gedehnten Formen über
Sing, und Plur. verallgemeinert. Der Wechsel von kurzem
und langem Vokal innerhalb der Flexion desselben Wortes
kommt nicht mehr vor. Mit dieser Dehnung vor aus-
lautender Spirans Fortis steht unsere Ma. nicht vereinzelt
da; das Alemannische kennt sie (vgl. Heusler a. a. 0. 22 A.)
und im Bairischen ist sie ltegel. Hier haben alle Wörter
mit kurzem Vokale und (im Mhd.) auslautender stimmloser
Konsonanz die Dehnung erfahren (Weinhold, bair. Gr. §§ 7.
36, 48, 51, 55, 61 u. ö.). Dass die Dehnung heute nicht
überall durchgedrungen ist, erklärt sich durch den Einfluss
der inlautenden Formen, denen gesetzlich die Kürze zu-
kommt. Vielfach hat das Bair. noch das Nebeneinander
von gedehnten, ursprünglich auslautenden und kurzen, ur-
sprünglich inlautenden Formen bewahrt (Schmeller Maa.
Bai. S. 160, § 691).
Aus dieser Tatsache geht deutlich hervor, dass seiner-
zeit kurzer Vokal mit auslautender Konsonanz (Fortis) anders
gesprochen wurde als mit inlautender Konsonanz. Für den
letzteren Fall, wenn Fortis Konsonanz auf den kurzen Vokal
folgte, ist es sicher, dass der kurze Vokal den stark ge-
schnittenen Silbenaccent hatte. Man vgl. z. B. nur die
Entwicklung des germ. einfachen inlautenden p, t, k zur
Digitized by Google
111
Geminata Jf, zz, //. Die Vorstufe für die Dehnung der
auslautenden Form kann nur eine Aussprache des Vokals
unter schwach geschnittenem Accente gewesen sein. Wörter
mit kurzem Vokale und auslautender Lenis können nur
unter schwach geschnittenem Accente gesprochen worden
sein; wäre der Vokal scharf geschnitten gewesen, so hätte
nach dem Silbenaccentgesetze (Sievers Phon. S. 206) die
Lenis zur Fortis werden müssen. Das mhd. Auslautgesetz
kann nicht durch das Silbenaccentgesetz erklärt werden,
weil die Schreibung p, t, c für h, d, y ebenso nach langem Vo-
kale und l, r, m, n, (y) auftritt wie nach kurzem. Ich sehe
für die Erklärung dieser Dehnung keine andere Möglichkeit,
als dass die auslautenden Formen den schwach geschnittenen
Vokal hatten, die inlautenden den starkgeschnittenen.
So war z. B. von yrlf Vorstufe der Dehnung gr\f mit
schwach geschnittenem Vokale, im Inlaut war er stark
geschnitten; griffe ; fürs Bairische im Ganzen vgl. z. B.
köbf Plur. kepf (Schmeller a. a. 0.) aus köpf, PI. köpfe.
Dass dieses Gesetz, Dehnung des Vokals einsilbiger Wörter,
nur im Satzauslaut (vor Pause) eingetreten ist, leuchtet
ein; denn die inlautenden Formen des Wortes sind konform
der Inlautstellung im Satzgefüge (vgl. dazu die Dehnung
im Schwäbischen, Kauffmann, a. a. 0. § 127 ff.).
Dehnung vor t gleich einfachem d: pöit» beten, pöitl»
betteln, g»pöit Gebet, pröit Brett, uQte waten, kylqt» Klaue,
(mhd. klate), kylatld klettern (zum vorigen), kyrovtd Kröte,
fgpir Vater, güt»r Gatter, stöitig widerspenstig (mhd. stetic),
sllt3 Schlitten, pout Bote, plt Zuwarten (mhd. bife), töit ‘Göth’,
tout» Patin (mhd. tote), ksout geschnittenes Heu, das gebrüht
wird (zu ‘sieden’ *gisot). Dass das t in den inlautenden
Formen zur Zeit der Dehnung und früher Anlaut der schwach-
tonigen Silbe war, kann nicht bezweifelt werden, also ahd.
be-tön , kro-ta, va-ter-, demnach hatte der Stammvokal
schwachgeschnittenen Accent, die Dehnung vor t ist also
identisch mit der vor den inlautenden Lenes : Kurzer Vokal
in offener Silbe wird gedehnt. Dass die Wörter mit aus-
lautendem t die Dehnung aus dem Inlaut überkommen haben,
ergibt sich aus den zahlreichon Beispielen, in denen aus-
Digitized by Google
112
lautende Kürze in den Inlaut übertragen wurde, got Gott,
mit mit, srit Schritt, trit Tritt, snit Schnitt, .tut M. ein-
maliges Sieden, glqt. glatt, plqt Blatt, sqt satt, stqt Stadt,
Daraus erhellt auch, dass die Ma. vor auslautender
Verschlussfortis den Vokal nicht dehnte; in einer
solchen Silbe wurde also der (oben für alle einsilbigen
Wörter angesetzte) schwachgeschnittene Accent durch den
starkgeschnittenen ersetzt und zwar gesetzmässig, wie sowohl
die Überzahl der Beispiele mit auslautender Fortis t und
aller mit auslautender Affrikata erweisen; anzusetzendes
str)ky erscheint in der Imster Ma. als striky, im grössten
Teile des Bairischen aber als strik; ebenso Inist: mit, srit,
spit.t, kyopf mit Kürze, östlich mit Länge, mit, srit, spits,
k/oitpf. Wie sich die Erhaltung der Kürze in Snitt» (ahd.
snita) Schnitte, sitt» (mhd. site) Sitte, erklären lässt, steht
dahin. Letzteres kann unter schriftsprachlichem Einflüsse
stehen, denn für das nhd. Sitte ist meist prauy verwendet.
Das erstere ist ein schw. Fern.; möglich, dass die Flexions-
endung des einen oder anderen Kasus seinerzeit so beschaffen
war, dass ein n auf t folgte, wodurch dieses in den Silben-
auslaut zu stehen kam. Die Erhaltung der Kürze in fött»r
Vetter, kyöttn» Kette, kyuttl» Kuteln, hqttl» Ziege (mhd. hatte),
spqttl» kleine Schaufel des Malers (mhd. spatle) ferner in
gritt», glitt», kst ritt», ksnitt», ksott» geritten, gelitten, ge-
stritten, geschnitten, gesotten, muss in der Weise erklärt
werden, dass neben Formen, in welchen t die Folgesilbe
anlautete, solche bei welchen eine Silbentrennung t-r, t-n,
t-l getroffen wurde, Bestand hatten. Diese verdrängten die
andern, denen Dehnung hätte zukommen müssen. Für pitt»
(schw.) bitten, muss ahd. bitten gefordert werden, trött»
treten (nur schw r .) hat ein ahd. Fakt, tretten ; demnach sind
wohl auch für jött» jäten, kyn'ött» kneten (beide schw.), Fakti-
tive Ursache der tt. Vor ts gleich westgerm. tt hat Dehnung:
leyrits Kritz, gits»l » kitzeln, smiits Schmutz, kylouts» Klotz,
pits» Pfütze ; aus den Gesetzen der Ma. lässt sie sich nicht
erklären; sie müssen die Dehnung fremdem Einflüsse ver-
danken. smarouts» schmarotzen, ist ein Lehnwort (Kluge,
e. Wb. S. 329). Unklar ist die lautliche Entwicklung von
\
Digitized by Google
113
spijts Spatz, stftlss Stutzen, kürzen (PBB. 14, 465), touts»
Kreisel, Klotz, kleiner Mensch (zu mild, takten H), kyratsk »
Traggestell (auf dem Rücken getragen) zu mhd. kr eite,
smöits»b schmunzeln, zu mhd. »motzen (vgl. Kluge, e. Wb.
schmunzeln).
Vor stimmhaften Lauten.
§ 81. Vor den inlautenden Fortes ll, mm, nn (yy) ist
die Kürze des Vokals durehgehends erhalten: falls fallen,
tcölb wollen, tsilh Zülle, dilb Dachboden (mhd. dille), salb
Schelle, qlh alle, stemm s stemmen, stoimms schwimmen,
grimmo Bauchgrimmen, voonno Wanne, tinns Stirne (mhd.
tinne), henns Henne, sinnig sinnig. Auch wo im Auslaut
etymologische Fortis stand, ist die Kürze erhalten : fqll, Fall
stqll Stall, hall hell, inall schnell, foll voll, Stamm Stamm,
tumm dumm, sinn Sinn, i k/onn ich kann. Dehnung zeigen
tnou Mann (ahd. man, mannes), Flur, mandsr, Dem. mandb,
fqal Fell; es hat qa auch im Inlaut: Flur, fqalsr. In beiden
muss die Dehnung von den einsilbigen Formen ausgegangen
sein, für die schwach geschnittener Accent im Satzauslaute
anzusetzen ist: man, fil. Vgl. k/rditm Krampf (mhd. kram
Gen. ltrammes) und kyremmig einen leichten Krampf habend.
Vor den inlautenden Lenes l, m, n ist die Dehnung regelmässig:
tsöh zahlen, stqah stehlen, söils schälen , tsils zielen , nnqls
mahlen, höib höhlen; nuums Name, sums schämen, itrimo
Strich, Narbe (mhd. strime), prelms Bremse (mhd. breme)
maum mahnen, plns Bühne, kslns geschienen, tneino mit
einem Gespann arbeiten. Ebenso ist vor auslautender Lenis
Dehnung: tql Tal, dis pst ql Diebstahl, Stil Stiel, tsil Ziel, houl
hohl, movl weich geschlagen (zu mhd. müllen), tso'um zahm,
lo'um lahm, tsf Zinn, Al hin, sü Sohn, mou, fqal, kyroüm zeigen,
dass im Auslaut Dehnung ohne Einfluss der inlautenden
Formen erfolgen konnte ; die umgekehrte Erscheinung, dass
kurzer Vokal mit auslautender Lenis heute als Kürze und
Fortis auftritt, zeigen die Parallelformen: ou an, und onn
an, letztere als Präpos. in betonter Stellung onn dbr an dir,
onn sig an sich, foii und fonn von, dsrfo'u davon, fonn dar
von dir. Vgl. i pinn ich binn (mhd. bin ahd. bim) ; die
Schatz, Die Mundart von Imst, 8
Digitized by Google
114
Vorsilbe un- ist immer kurz starktonig; uugqars ungerne,
unsinnig unsinnig, ntnpQr unpaarig, drurnm Trumm (mhd.
drum), troll (rnlid. wol), ja, auf eine verneinende Frage,
wolfl wohlfeil, gegen wouldfSnsr Wohldiener, Schmeichler.
In den. folgenden ist die Kürze des Vokals vor Lenis bewahrt;
sie verdanken sie den inlautenden Formen, in welchen l, m,
n im Silbenauslaut war. pöllsr Böller (mhd. boler), kyoldsrs
lärmen (zu mhd. kolre), pöldsrs poltern (mhd. bollern), soldsr
Söller (mhd. solre), hildsrs hohl widerhallen r-Ableitung zu
‘hohl’), tondsrs donnern, tsimmsrs zimmern (got. timrjan),
kyommsrs Kammer, nummsrs Nummer, samls sammeln, gromls
Flachs brechen (Schmeller, b. Wb. I 995), himm ] Himmel,
Um ml Schimmel, summ»r Sommer, simmsr Schimmer. Vgl.
die Durchführung der Dehnung in: wo'uml» wimmeln (Wrzl.
wim, uam), find» die reifen männl. Hanfstengel schneiden,
Schmeller, b. Wb. I 718 femeln , drelm\ Hebebaum (mhd.
dremel), wlmsr Narbe, Fleck (mhd. trimer), hottmsr Hammer,
hämsrs hämmern. In allen konnten Doppelformen, solche
mit aus- und solche mit anlautendem l, m, n bestehen.
Kurzer Vokal mit silbenauslautender Lenis l, nt, n, wurde
wohl nur im Satzauslaute gedehnt, im Inlaut blieb die Kürze ;
so erklären sich unsere Verhältnisse am einfachsten, n ent ms
nehmen, kyemms kommen, haben in allen Formen die Kürze:
nimm, kyimm, gyomms genommen, kyemms gekommen; in
der Umgebung von Imst ist im Präsens dieser beiden Verba
(in den «-Formen) die Dehnung durchgeführt: Ind. und Inf.
Plur. neims, kyelms Part, nermst, kyelmst, aber in Imst nemmst,
kyemmst; das Part. Prät. zu kyemms lautet in den benach-
barten Maa. kyeims wie das Präsens.
§ 82. Vor Lenis r ist Dehnung eingetreten: ffyrs fahren,
xcöirs wehren, kyöirs kehren (fegen), türs (aus turen) Turm,
hqars Horn, hisrs Hirn. Im Silbenauslaut: min- mir, disr
dir, pisdlig Heuhaufe (mhd. birlinc), trqar wer, dqar der,
qar er, hqa her, fqar vor, iqar Tor (die Entwicklung des
gedehnten Vokals vor r ist nach den einzelnen Vokalen ver-
schieden, s. Vokalismus). Vor r + Konsonant und vor rr ist
die Dehnung je nach den Vokalen eine verschiedene. Mhd.
irr, ir mit dental. Kons, wurde zu isr gedehnt: isr irr, i»rs
Digitized by Google
115
irren, ksiir Geschirr, wiart Wirt, hi»rt Hirt, first First,
hi»rs Hirsch. Folgt auf ir labiale oder gutturale Konsonanz,
so bleibt die Kürze erhalten: gipirg Gebirge, kyiryi Kirche,
tsirkj Zirkel, sirpa Scherbe, wirf ich werfe, wirf, stirb ich
sterbe, stirb. Die Maa. westlich von Imst haben hier vor
lab. und gutt. Konsonanz die Dehnung (§ 43). Mhd. er
mit dent. Lenis wurde zu qa gedehnt: qart Erde, wqart Wert,
hqart Herd, fqarsni Ferse. Kürze blieb erhalten vor rr, r
mit dent. Fortis, mit lab. gutt. Kons.; vgl. die Beispiele
§ 40. Auch hier dehnen die Ortschaften im Westen alle
'er zu qar. Mhd. or mit Dental wurde gedehnt, or mit Lab.
Gutt. blieb kurz (§ 45). Vereinzelt sind qrt Art, Qrtig artig,
tsQrt zart, fqrt Fahrt (vgl. dagegen förtig fertig), Qrs, k/öirtss
Kerze, müirts März, kf'öirt N. Fahrzeug, gepart Geburt. Die
Behandlung kurzer Vokale vor r beruht auf dem früher ge-
sprochenen Zungen-r. Mir ist es sehr schwer ein alveolares
r zu bilden — die Beurteilung der Dehnungen vor r
kann aber nur dann richtig geschehen, wenn man sich
über die Artikulation des Zungen-r völlig klar ist.
2. KÜRZUNG LANGER VOKALE.
§ 83. Die Fälle sind zu vereinzelt, als dass daraus
eine Regel gezogen werden könnte, drakslsr Drechsler (zu
ahd. drähsil), dir nahst der nächste, kyropfs Krapfe (ahd.
chräpfo), nqyyi nachher, nach (mhd. nächhin, nachher — hier
mag die Schwachtonigkeit im Satze mitgewirkt haben),
nqxpir Nachbar (mhd. näehbtir), strqss Strasse, Iqssa lassen
mit allen Ableitungen: glass Benehmen, sich gehen lassen
[f gelte ge), Qblqss u. s. w. Die Konj. Prät. der starken Verba
der 4. 5. Klasse , die im Präsens Kürze bewahrt haben,
zeigen a (mhd. ce) : pray bräche, stax stäche, namm nähme,
ass ässe, frans frässe, firgass vergässe, sass sässe, kyamm
käme. Vergleicht man nominale Ableitungen wie CLssig gut
essbar (te^ec), kfrass schlechtes Essen ( gevrce^e ), prQx 9 brachen,
sprqx Sprache, so wird man zur Annahme geführt, dass hier
analogische Durchführung des kurzen Stammvokals durch
alle Ablautformen vorliegt. Eine Kürzung liegt auch vor
in dem harryotl Ruf: Herrgott (nach Ausweis des Vokals
8 *
Digitized by Google
116
früh gekürzt, er zu er zu ar), lar/9 Lerche, verlangt älteres
lerche (ahd. lerahhu).
§ 84. Kürzung gedehnter Vokale und ursprünglicher
Längen zeigt sich in der Flexion des Verbums mit inlauten-
der Lenis l>, g, wenn sich ein stimmloser Kons, anschliesst:
löiw» leben, löpst lebst, löpt lebt, grqtrd graben, grqpst gräbst,
grqpt gräbt, fröiu'9 freuen, fröpt freut, kfröpt gefreut (§ 64),
k/lqgd klagen, k/lqkst- klagst, k/lqkt klagt, geklagt, jrqg»
fragen (mhd. trügen), frqkst fragst, frqkt fragt. Die ou von
loum loben, glouu-9 glauben (mhd. loben, gelouben) sind heute
dieselben, »r lopt er lobt, ebenso » r glopt glaubt. Zu günc>
geben, Konj. Prät. i gab, aber i gaptor ich gäbe dir, du gapist
du gäbest. Da diese Kürzung vor stimmloser Flexionsendung
ebenso alte Längen wie gedehnte Vokale trifft, kann sie
erst sekundär entstanden sein, veranlasst durch die mehr-
fache Fortiskonsonanz, so dass also die Tendenz nach Ent-
lastung überlanger Silben (Paul, PBB. 9, 122) der Ma. nur
in beschränktem Masse zukommt. Im selbständigen Worte
fehlt diese Kürzung fast völlig, vgl. k/lqftir, Klafter, dq/t
Docht, li9/t Licht. Doch pqpst Papst (mhd. bähest ); auch
propst Propst (mhd. brobest), k/reps Krebs (mhd. krebez),
opst Obst (mhd. obez), werden spätere Kürzungen sein (krebez
zu krebes zu krcps zu k/reps).
Digitized by Google
F L E X 1 0 N S L E H R E.
Digilized by Google
I. DAS SUBSTANTIV.
DIE KASUS DER MUNDART.
§ 85. Von den vier Kasus des Mhd. (Nom. Gen. Dat.
Acc.) ist der Mundart der Gen. in freier syntaktischer Ver-
wendung verloren gegangen. Nur im Sing, kann zu persön-
lichen Substantiven — solchen, unter welchen der Sprechende
eine bestimmte Person versteht — ein Gen. gebildet werden.
Es kann aber auch in diesem Falle ebenso, wie es bei den
unpersönlichen Substantiven immer geschieht, die syntaktisch
gleichwertige Umschreibung mit ‘von’ (/«) mit dem Dat. an-
gewendet werden , die ja auch den Gen. verdrängt hat.
Diese Sonderbildung des Gen. geschieht auf -s oder -a, ent-
sprechend den Gen.-Endungen des Mhd. -es, -en. Die Bildung
auf -s wird gebraucht bei Wörtern mit sehwachtoniger
Nebensilbe, die auf -a bei solchen, deren letzte Silbe stark-
oder nebentonig ist, oder auf -s endigt; es sind meist ein-
silbige. Beide Bildungen haben sich über alle drei Ge-
schlechter des Substantivs ausgedehnt. Beispiele: Männ-
liche; auf -s: s Iqarars des Lehrers, s fqtars des Vaters,
s jakkas des Jakob (jakka ) , s tni/jrfs des Michael
$ g(p\s des Gabi (Familienname); auf -a: s pök/3 des Bäckers
(mhd. hecke), s grqffa des Grafen, s hannas » des Hans ( hannas ),
s wiarta des Wirtes, s smlda des Schmiedes. Boi den letzten
beiden kann auch die Bildung auf -s gebraucht werden, ihrer
ursprünglichen Deklination entsprechend: s wiarts, s srnids
mhd. des urirtes, des smides. Sehr selten ist die Verwendung
des -s bei «-Stämmen: s griffe. Weibliche: s muatars der
Digitized by Google
120
Mutter; liier ist auch der Artikel vom Mask. übernommen,
seltener ist dsr mustsrs mit dem weiblichen Artikel. s pqsas
der Base, s grqats der Margaretha (grqat). Sächliche,
s waiux ) des Weibes, s nanmlss des Ännehens (tiamtsl»):
s waiblts des Weibleins, s wisrlhs des Wirtleins u. a. Diese
Öen. können nur attributiv verwendet werden; sie stehen
dabei immer vor dem Substantiv.
Die Tatsache, dass Feminine einen Gen. auf -s bilden
können, sowie männliche vokalische Stämme einen auf -<*
und umgekehrt «-Stämme einen auf -s, zeigt, dass diese
Sonderbildung den Boden historischer Entwicklung ver-
lassen hat. Sie ist auf eine bestimmte Wortgruppe be-
schränkt und es wird nur vom Wohllaute bestimmt, ob der
Gen. nach der vokalischen Deklination auf -s oder nach der
der «-Stämme auf -» gebildet wird. Beispiele der Um-
schreibung mit ‘von’ (/«) : fun Iraror, fun fqtsr, fun pök%,
fun uisrt ; für mustor, für pQss, fun wuib, fun nannsl», fun
wisrtl» u. a.
§ 86. Reste des Genetivs sind erhalten in adverbialen
Wendungen: stqks des Tages, im Tage, sjqrs des Jahres, im
Jahre; in ts qwrts des Abends, am Abend, ist das - s des
Artikels durch die Präposition ts (mhd. se) vertreten, wohl
weil zu einer Zeit das -s des Artikels bei Sächlichen über-
haupt nicht mehr als Gen. gefühlt wurde; bei stqks, sjqrs
hat der Wohllaut das s erhalten; ts morgsts des Morgens,
morgens, ist nach ts qw»ts gebildet, man würde ts tnqrgss
erwarten; ts nq%ts nachts; nq/Js ist ein alter Gen., ahd. des
nahtes Braune, ahd. Gramm. 2 § 241, 2.
§ 87. Der Gen. Plur. ist völlig geschwunden. Dativ
und Accusativ werden in beiden Zahlen syntaktisch und
durch den Artikel von einander getrennt gehalten. Die
Flexionsendungen jedoch, welche noch im Mhd. und im Nhd.
die Grundlage der Deklination bilden, sind der Mundart
als Kennzeichen einzelner Kasus verloren gegangen. Es
kann zu einem Nom. kein Dat. Acc. derselben Zahl durch
Anfügung einer Suffixendung gebildet werden. Der Singular
hat nur eine Form für alle Kasus ebenso der Plural. Diese
Verhältnisse sind teils durch die Auslautgesetze der Mund-
Digitized by Google
121
art, teils durch analogische Bildung herbeigeführt worden.
Im folgenden wird ihre Entwicklung jedesmal bei der Be-
handlung der einzelnen Klassen dargestellt werden.
Ä. MÄNNLICHE SUBSTANTIVE.
Die o- und »'-Stämme.
§ 88. Die Flexionsendungen der o- und »'-Stämme sind
im Mhd. gleich: tag, tages, tage, tag; tage, tage, tagen, tage,
gast, gastes, gaste, gast; geste, geste, gesten, geste. In der
Mundart sind alle Endungen dieser Stämme verloren ge-
gangen. Alle kurzen auslautenden Vokale sind abgefallen,
durch dieses für die Flexion wichtige Gesetz wurden der
Dat. Sing., der Nom. Acc. Plur., dem Nom. Acc. Sing, gleich.
Die Endung -en des Dat. Plur. sollte regelmässig entwickelt
-» lauten; tatsächlich ist sie erhalten in den festen Wen-
dungen: * d»n qlt » tfygd in den alten Tagen, fu sinn a von
Sinnen. Sonst ist sie überall geschwunden und der Dat.
Plur. hat analogisch die Form der übrigen Kasus. Es heisst
also: i drai tQg in drei Tagen, d» lait den Leuten, pai ds
göst bei den Gästen, auf d» parg auf den Bergen, mit d»
fids mit den Füssen.
§ 89. Der Umlaut im Plural, welcher bei den »'-Stämmen
im Alid. soweit er möglich war eingetreten ist, blieb auch
nachdem sich das » der Endsilben zu -e entwickelt hatte.
Dadurch wurde im Mhd. eine Zweiteilung der »'-Stämme
herbeigeführt. Die eine Gruppe hatte im Singular und
Plural denselben Stammvokal, bei den umlautfähigen war im
Plural der umgelautete. Schon frühe muss der Umlaut bei
diesen als charakteristische Eigenschaft des Plurals empfunden
worden sein; denn schon im Mhd. nehmen o-Stämme analog
den »'-Stämmen im Plural den Umlaut an, vgl. Paul, mhd.
Gramm.'* § 119, 2. In der Mundart sind heute so ziemlich
alle o-Stämme zu den »'-Stämmen übergetreten, d. h. sie
bilden ihren Plural durch den Umlaut des Stammvokals,
jene natürlich, deren Stammvokal umgelautet werden konnte.
Durch den Verlust der Flexionsvokale konnte diese Plural-
Digitized by Google
122
bildung nur gefördert werden, weil sich in ihr der Sprache
ein Mittel bot die beiden Zahlen von einander zu scheiden.
Im folgenden sind die starken Maskulina, welche
ihren Plural durch Umlaut bilden, zusammengestellt. Die
Anordnung ist zur besseren Übersicht nach Vokalen ge-
macht.
§ 90. Dem w entspricht i als Umlauts% - okal, mhd.
« zu ü: tnly Plur. tslg Zug. fliig, fltg Flug, püg, pig Bug,
trüg, trxg Trug, f uks, pks Fuchs, tuky, tiky Tücke (mhd.
tue), ruky, riky Iiuck, sink/, sliky Schluck, grüy, grty Geruch,
spriiy, sprXy Spruch, prüy, prly Bruch, güs, gls Guss, slüs,
slts Schluss, farslüs, farslls Verschluss, fardrüs, fardris Ver-
druss, fluss, fliss Fluss, wurm, teinn Wurm, sturm, stirm
Sturm, surts, iirts Schurz, wurf, wirf Wurf, lupf, lipf das
Emporheben (zu lupf» mhd. lupfen), hupf, hipf das Empor-
springen, zu hupf» hüpfen, süb, slb Schub, sprunn, Sprint}
Sprung, truifky, trirfky Trunk, punt, pint Bund, grünt, griiit
Grund, slunt, slint Schlund, wunts, wints Wunsch, tunst, tinst
Dunst, runit, rittst das Fliessen, das Rinnsal (mhd. runst),
trumpf, trimpf Trumpf, stumpf, stimpf Strumpf, also die
gleiche Bedeutung wie Strumpf, strimpf Strumpf, sumpf,
simpf Sumpf, kyumpf, kyimpf hölzernes Wetzsteingefäss,
mhd. kumpf. Mit Ausnahme einiger auf u mit Nasal sind
diese Wörter mit u Angehörige der i- Klasse, schon aus
lautlichen Gründen, hunt Hund, hat im Plural gewöhnlich
hunt seltener hint; sils Schuss, hat meist siis.
§ 91. Zu u» ist i» Umlaut, mhd. uo zu üe: hu»t, hiat
Hut, fu»8, fi»s Fuss (ursprünglich konsonantisch), gru»s, grias
Gruss, pß mg, pfliay Pflug, kyruay, kyriag Krug, ßu»y, ßi»y
Fluch, pltidst, plia&t Blüte, Knospe mhd. bluost, fu»g, fi»g
„Fug“ in „mit Fug“, umfuag, umfi»g Unfug, Stual, Stial Stuhl;
nur &u»y hat immer Su»y Schuh.
§ 92. Dem au entspricht ui, mhd. ü zu tu : pauy, paiy
Bauch, prauy, praiy Brauch, slauy, slaiy Schlauch, raus, rais
Rausch, (aus, tais Tausch, Straus, Strais Strauss, gaul, gail
Gaul.
§ 93. q hat zwei Umlautvokale wie mhd. a, welchem
es entspricht. Der eine ist ö, gedehnt öi (mhd., ahd. e):
Digitized by Google
123
goßt, göst Gast, qst, öst Ast, sqky, söky Sack, sqts, söts Satz
(der gesprochene), Slqg, Slöig Schlag, Hieb. In allen übrigen
Wörtern dieser Klassen mit q in der Stammsilbe ist heute
«, gedehnt a der Umlautvokal des Plural; es liegt liier laut-
liche Entwicklung vor und Analogiebildung. Den i-Stämmen,
deren Stammvokal im Plural im Ahd. nicht zu e wurde (d,
o und umlauthindernde Konsonanz) schlossen sich die o-
Stämme, welche ihren Plural analog bildeten, an und dieser
starken Gruppe folgten wiederum »-Stämme, welche im Ahd.
im Plural e hatten. Die in der Mundart lebendige Plural-
bildung ist die von q zu a, während q zu ö erstarrt ist.
Anders ist es vor Nasalen: hier entspricht heute durchwegs
e im Plural, auch bei ursprünglichen o-Stämmen. Klar ist,
dass diese Verhältnisse erst infolge späterer, ausgleichender
Entwicklung entstanden sind, pqy, pay Bach, pqlg, palg Balg,
trqld, wald Wald, nopf, napf Napf, qrs, drs, slqg, släg Holz-
schlag, vgl. oben $löig, der verschiedenen Bedeutung ent-
sprechen verschiedene Pluralformen, Släg ist analogisch ; sqts
sats Satz, Einsatz, Sprung, vgl. oben söts; hqss, hass Hass,
fqll, fall Fall, stojl, Stall Stall, holl, hall Hall, Widerhall, snqll,
Snall Platzgeräusch, mhd. snal, pfql, pfdl Pfahl, sql, säl Saal,
wql, udl kleines Bachbett, hqlm, haltn Halm, hqls, hals Hals,
dqrm, darm Darm, pqrt, part Bart, fqnn, farm Farnkraut,
swqrm, swarm Schwarm, mqrkyt, markyt Markt, pqst, past
Bast, glqls, gluts Glatze, mask. Bildung wie spits Spitze, plqts,
plats Platz, stqb, stäb Stab, pqky, paky Pack, Bündel, liQg, hdg
Hag, dqks, daks Dachs; grqt, grüt Grat eines Berges und
Gräte des Fisches, drqt, drat Draht, rqt, rät Bat, Slqf, Släf
Schlaf, Schläfe, dilyt, däyt Docht, mhd. ahd. ditht, tqg, täg
Tag, als Zeitmass aber Plur. tög vgl. gioU täg gute Tage,
tsirqa t</g zwei Tage; qblqss und qlqss: Qblass, Qlass Ablass,
Abkehrvorrichtung an einem Bache, auslqss, — lass , Auslass,
ein Stück Wald, das nicht abgeholzt werden darf, im 17.
Jh. ‘Premstair Ort, an dem das Vieh vor den Bremsen Schutz
im Gehölz fand, allqss, — lass Einlass. Stomm, Stemm Stamm,
tomm, temm Damm, Swomm, Swemm, Schwamm, tsond, tsend
Zahn, ahd. zand,Stond,Stend Stand, prout, prent Brand, kyronts,
kyrents Kranz, Suonts, Sweuts Schwanz, Slonts, Slents das
Digitized by Google
124
Herumsehlendern, zu mhd. slenzen, Sronts, Srents Schranz,
tonts, tents Tanz, kyrompf, k/rempf Krampf, tompf, tempf
Dampf, hompf, hempf Hanf, goijij, ge>}>] Gang, kylotpi, kylerpq
Klang, trogky, trenky Trank, rauft, reift Ranft, Rand.
§ 94. o lautet zu ö um, gedehntes oh zu öi, mhd. o
zu (sekundärem) ö: poky, pöky Bock, roky, röky Rock, Stoky,
Stöky Stock, tSopf, tsöpf Schopf, kyopf, kyöpf Kopf, kyropf,
kyröpf Kropf, kynopf, kynöpf Knopf, tropf, tropf Tropf, wolf,
wölf Wolf, fros, fröS Frosch, pros, pröS Brocke, troug, tröig
Trog, häuf, höif Hof, kyouy, kyöiy Koch.
§ 95. om wird zu öi, mhd. ou zu öu: kyouf, kyöif
Kauf, tronf, tröif Traufe (ahd. trouf), Soup, Söip Schaub,
Strohbündel, poiüm, peim Baum, söhnt, selm Saum, troum, trelm
Traum, rouy, röiy Rauch, stoup, Stöip Staub.
§ 96. qa lautet zu qa um, mhd. 6 zu oe: tqad, tqad Tod,
trqaSt, trqaSt Trost, rqaSt, reaSt Rost, flqciy, flqay Floh, Stqas,
Stqas Stoss, tqas tqas Tosen. Dieser organisch entwickelte
Umlaut von qa zu qa hat auf jene qa gewirkt, welche mhd.
ei entsprechen: rqaf, rqaf Reif, Swqaf, Swqaf Schweif, Strqaf,
strqaf Streif, srqa, srqa Schrei, kyrqas, kyrqas Kreis, swqas,
streas Sclnveiss, trqad, trqad Getreideernte, mhd. der treid,
strqay, strqay und strqay Streich, tqal, tqal und tqal Teil,
Iqast, Iqast und IqaSt Leisten; ferner noch süom, stiem Schaum,
mhd. schein), hum, liinn Lehm, mhd. leim.
§ 97. Die umlautfähigen Maskulina auf bilden den
Plural regelmässig durch Umlaut: nqgl Nagel, ist das ein-
zige dieser Gruppe, dessen q zu öi umlautet, und beweist
dadurch den frühen Übertritt dieses konson. Stammes zu
den «-Stämmen; ahd. negili, Braune, ahd. Gramm. § 216, 1,
§ 27, 4. sqttl, sattl Sattel, hosp ], hasp] Haspel, Sncibl, Sn all
Schnabel, tötlf tädl Tadel, Stadl, Stadl Stadel, irq/lf tradl Wade,
Stahl, Stahl Stahl; morpjl Mangel und ortgl Angel, haben meqgl,
engl vgl. oben § 93, hondl aber hat handl Handel, fougl,
föigl Vogel, mottdl, möid\ Form, Modell (mhd. model), giifl, giß
Höhlung in Felsen vgl. § 62, pitkkl, pikkl Buckel, fqart\, fqart\
Vorteil, selbst mqass] Meissei, bildet niqassl . Nie tritt der
Umlaut ein bei säg} Sauglarntn, pfull Pudel, humml Hummel,
Plur. säg], püdl, humml. ln öpß Apfel, ist die umgelautete
Digitized by Google
125
Form auch in den Singular gedrungen. Ahd. aphul Plural
ephili; nach dem Plural ist ein Singular *apliil gebildet
worden, dem öpfj, entspricht ( *aphil wurde zu ephil), Plur.
öpfl. Uuffl Staffel, Stufe, kylaff] Klöpfel mhd. kleffel, haben
im Singular einen umgelauteten Vokal ; aus dem ahd. Plural
*sla/fali, klaff all, in welchem a bereits vom i der Schlusssilbe
affieiert gewesen sein muss, konnte späteres steffel kleffel
mit dem offenen Umlauts-e bervorgehen und den Singular
beeinflussen. Die Plurale lauten heute Staff], kylaff],
§ 98. Auch die Substantive auf -er haben im Plural
Umlaut: summar, simmar Sommer, kyummar, k/immer Kummer,
tsüirar, tsiwar Zuber, Souwar, Söiwar Schober, qkyar, akyar
Acker, ho'umar, heims r Hammer, ouinar, elmar Verlangen,
Begierde ahd. Amar, jdümar, jelmar Jammer, otpjar, eipjar
Anger; die Analogiebildung hat also überall die historisch
berechtigten Lautformen beeinträchtigt, tsähsr Plural tsähar
Zähre, hat im Singular Umlaut wie die im vorigen § ge-
nannten Staffl, kylaff], Nur rniayar Wucher, bildet den
Plural ohne Umlaut: wuayar,
§ 99. Die Wörter auf -a (mhd. -en, o-Stämme) lauten
alle um: wiiga, w&ga Wagen, fffia, fada Faden, hqfa, hdfa
Hafen, pouila, pöida Boden, oiifa, öifa Ofen, türa, tira Turm
(setzt turen aus mhd. turn voraus), tsqara, tsqara Zorn, dqara
hat zwei Plurale mit verschiedener Bedeutung: dqara Sehliess-
dorn einer Kette, dqara Dornen spinae’; auch ein Singular
dqara ‘spina’ ist häufig gebraucht. Es ist möglich, dass
der Singular dqara schon sehr alt ist. Im Ahd. flektiert
der ursprüngliche «-Stamm dorn nach der o-Deklination,
Braune, ahd. Gramm- § 229, 1 ; es kann nun sehr wohl
sein, dass im Ahd. auch ein Plural nach den «-Stämmen
gebildet wurde, dass dann dorni den Singular beeinflusste.
§ 100. Jene Wörter, deren Stammvokal nicht umlaut-
fähig ist, bieten keine Besonderheiten. Sie haben im Plural
dieselbe Form wie im Singular. Zu den Vokalen, die nicht
umgelautet werden können, gehört auch das « der Ma.
Einige Beispiele mögen die hiehergehörigen Gruppen ver-
anschaulichen: Striky Plur. Striky, Strick, Srit Sing, und
Digitized by Google
126
Plur. Schritt, Mb Trieb; kyneyt Knecht, herpSt Herbst, wöig
Weg; trial Unterlippe (mhd. Iriel), wiart Wirt, diab Dieb;
Staig Steig, kyail Keil, Strait Streit; parg Berg, tnarS Marsch;
fintjzr Finger, widar Widder; griff] Griffel, paih] Beil, Sliss]
Schlüssel, Stempf] Stössel (mlid. stempfel); söiga Segen, röig a
Regen; k/hiig König, piodlig (piarl-) Heubündel (§ 43),
j adlig einjähriges Stück Vieh, hampflig Hänfling, hantSig
Handschuh, saidlig ( sairl -) Säuerling, laippts Lenz (mhd.
lengez),
§ 101. Mehrere Substantive bilden den Plural durch
die Endung -ar, mit der auch Umlaut des Stammvokals
verbunden ist. Ausgegangen ist diese Bildung von den
Sächlichen, bei denen sie die regelmässige ist, und in das
Maskulinum durch solche Wörter gedrungen, die männlichen
und sächlichen Geschlechtes waren, gart Plur. gartor Ort
(heute noch in. und s ), Silt, Siltar Schild, grint, grintsr Kopf
(mhd. grint), iQab, Iqawar und Iqab Laib. Regel ist diese
Pluralbildung bei jenen einsilbigen Mask. geworden, welche
im Mhd. auf Lenis « endigten. Das n ist geschwunden,
der vorhergehende Vokal nasaliert: mou, mandar Mann,
tsa'u, tsäir Zaun, kStrdu, kStrair wälsebtirol. castraun ital.
castrone, su, str Sohn, lua, libr Lohn; immer ohne Umlaut
sind Stüo, Stiihr Stein, rtü, riiär Rain; man kann darin den
Beweis erblicken, dass die Endung -er sich bei diesen
Wörtern frühe schon festgesetzt hat, zu einer Zeit als mhd.
ei in der Mundart noch nicht zu dem umlautfähigen ga (tia)
sich entwickelt hatte. Schon Oswald von Wolkenstein hat
steinei \ Auch das aus dem Nhd. in die Mundart gedrungene
faräi Verein, hat im Plur. fardir wie Sdi Schein, Sdir.
mounat (m. und s.) Monat, Plur. mounatar und mounat, an
dieses scheinen sich angeschlossen zu haben: §wat Abend,
üwat und üwatar, sQlat Salat, sdlatar, Spagat, Spagat, Spagat
und Spdgatar. Häufig bilden einen Plural auf -ar die Namen
der Wochentage: suntig Sonntag, suntig und suntigar , analog
die übrigen auf -ig : mätig , er/tig, pfinstig, fraitig, somstig,
Montag, Dienstag, Donnerstag (mhd. p/imtag), Freitag,
Samstag.
Digitized by Google j
127
Die «-Stämme.
§ 102. Die männlichen «-Stämme haben sich im
Singular zu zwei Gruppen entwickelt. Die eine zeigt die
Form des Nom. über den Dat. und Acc. ausgedehnt; mhd.
bote erscheint als pout und dies ist die Form des Singulars,
der Plural lautet pout 3, entsprechend mhd. boten. Die zweite
Gruppe hat im Nom. die Form des Dat. Acc., der ganze
Singular lautet auf -3 aus ebenso der Plural: slifa Plur.
sllta Schlitten.
§ 103. Zur ersten Gruppo gehören alle Substantive,
welche Lebewesen bezeichnen: kynqp Plur. kynqppd Knappe,
sits, sits 3 Schütze, pöky, p'ökya Bäcker (mhd. becke), hqar,
hqar* Herr, prints, prints» Prinz, ksöll, ksöli* Geselle, kyilf,
kyilff 3 Gehilfe, sorg, sorg* Scherge, örb, örud Erbe, grqf
grqffj Graf, tauig, tsuig* (tsaig, tsaig*, mhd. ziuge und geziuge
voraussetzend; die Urkunden haben immer des sind {sein)
gezuigen, gezeugen) Zeuge, pirg , pirga Bürge, nqrr, nqrra,
Narr, frqts, frqts* Fratz (übles Kind), pu*, vgl. § 65, pu3w3
Bube, f'ottor, fött3r3 Vetter; first, jirst* Fürst, ments, mentss
Mensch. Nur schwach sind in der Mundart: rls, riso Biese,
(ahd. riso und risi), paur, paar» Bauer. Dieser Klasse der
schwachen Substantive haben sich alle Fremdwörter an-
geschlossen : sqldqt, Soldqt* Soldat, sendarm, sendarm* Gens-
darm, affskyOd, affakyßt* Advokat, kyontsliSt, kyontslist » Kanz-
list, rekyrut, rekyrutt* Kekrut, kyumadant, kyumidant* Kom-
mandant u. a. m. Völkernamen: pqar, pqar* Baier, stvqb,
suqu’3 Schwabe, sqks, sqksa Sachse, swöid, suöid* Schwede,
prais, praiso Preusse, umlti, tcalts* Wälsche, frantsous, fran-
tsousa Franzose, tirk, lirks Türke, kyrqioqt , kyrqwqtt* Kroat,
poul, poul* Pole, jüd, jüd» u. a. Familiennamen mit be-
tonter letzter Silbe: wöirts, wöirts* VVörz, renn, renn 3 Renn.
Mhd. Christen, beiden haben sich diesen angeschlossen: kyrist,
kyrist * , hqad, hqad* und haid, haid*. Tiernamen: hqs, b qso
Hase, pqar, pqar* Bär, oks, oks* Ochse, rqts, rqts* Ratte (mhd.
ratze M.), rqp, rqpp* Rabe, löib, löiico Löwe, qff, qff* Affe,
firjky , firjky* Fink, spqfs, äpQts» Spatz, stur, stilra Staar,
Digilized by Google
128
snepf, snepf» Schnepfe, hosrijk y, kairöky» Heuschrecke, gair,
gair» Geier (mhd. st. und schw.), hi»rs, hi»rs» Hirsch.
§ 104. Zur zweiten Gruppe gehören alle unpersönlichen
schwachen Stämme. Singular und Plural lauten gleich-
förmig auf -9 aus. Einige Beispiele : Mit » Plur. Mit* Schlitten,
rföma Riemen, stoky» Stecken, sirp» Scherbe (westgerm.
*skirbj- voraussetzend, § 61), Mylex 9 Schenkel, raiff» Reifen
(mhd. rtfe pruina) ; gort» Garten, aber pmpprt Baumgarten,
Jn&qert Heimgarten, Plur. peipprt, hßrydrt.
Anm. Zu erwähnen sind einige unpersönliche Wörter, die im
Singular die apokopierte Form des Nom. haben : mou Mond (mhd.
mänc), mqa Mai selten mqaij» (mhd. mein), miiirts März (mhd. merze).
Plurnle duzu kommen nie vor. Mhd. » merze hat im Singular selten
Smarte» neben smarte , im Plural Smarte»', psqltn, psqlm» Psalm, steht
unter fremdem Einflüsse.
§ 105. Mehrere der hiehergeliörigen Wörter bilden
ihren Plural heute durch Umlaut des Stammvokals in An-
lehnung an die o- und «-Stämme : Srqg» Plural Mag» Schrägen,
kyrqg» Plur. kyräg » Kragen, mt}g», mag » Magen, Sqd», säd»
Schaden (die ursprüngliche Form des Nom. ist erhalten in
»s ist sqd es ist schade), Iqd», lad» Laden, pqr», pär» Barn
(ahd. parno), tvqs», träs» Rasen, grQw », graut» Graben, pqkk»,
pakk » Backen, kyqst », k/usta Kasten, pqts», patsa Knollen
aus Kot, Teig, kyqrr», kyarr» Karren, pqlk x », palk x » Balken,
Fenster, gqlg», galg » Galgen, pqll», pall » Ballen (aber Plural
snqapqll» Schneeballen), fotin», f ein» Fahne (nur mask.), dro'um»
Plur. dräm » und drelm» Dachbalken (mhd. st. und schw.),
ttöttm» Plur. nelm» und näm» Name, soum», selrn» und säin»
Samen; räum» Rahmen und gadoyk y» Gedanken (mhd. gedanc
und gedanke ) haben nie Umlaut. Schwache Mask. mit kurzem
o im Stamme lauten nie um: proky» Plur. proky» Brocken,
kyno/y'» Knochen, kyohe» Kolben, stoll » Stollen, kynoll»
Knollen, soky» Socken, pfost» Pfosten, tropf» Tropfen, zu
tsopf» Zopf (Schmeller bair. Wörterb. 2 II. 1145) ist eine
häufige Nebenform tsopf Plur. tsopf. Gedehntes mhd. o
lautet um in: poug», pöig » Bogen, srouf», Sröif» Schrofen,
nicht aber in: kynoud» Knöchel, u in prunn», prinn» Brunnen,
au in knuff», kaff» Haufen ; dagegen: puts» Plur. puls» Butzen,
tupf» Tupfen, stiits» Stutzen, nuts» Nutzen (heute nur schwach,
Digitized by Google
129
mhd. st. und schw.), gauma Gaumen, duurm Daumen. Der
Umlaut zeigt sich also nur bei <? vollständig durchgeführt,
bei andern Vokalen ist er vereinzelt. Aus der Tatsache,
dass das einzige schwache Mask., welches in den Imster
Urkunden des 15. Jahrh. vorkommt, mhd. schade, durchwegs
die Formen Sing. Nom. schad, Gen. Dat. Acc. Schaden, Plur.
schaden aufweist, ergibt sich, dass der Umlaut an und für
sich schon als Charakteristikum des Plurals gefasst wurde
und dass nicht erst eine Ausgleichung des Singulars statt-
gefunden hat, bevor der Umlaut eintrat; es war demnach
nicht die direkte Analogie zu etwa mhd. wagen, faden als
Singular-Formen wirksam; der Plural zeigt sich hier unab-
hängig von der Singularflexion.
§ 106. Mit abweichender Entwicklung sind zu ver-
zeichnen: ngb\ Plur. nab | Nabel, ermj Plur. erm} Ärmel,
u»sigl Einsiedel (ahd. nabulo, ertnilo, einsidilo). Sie haben
sich der grossen Gruppe der starken Mask. auf -J ange-
schlossen. Die Mundart kennt keinen männlichen «-Stamm
mit einer solchen /-Ableitung, welcher der schwachen Flexion
erhalten geblieben wäre und auf -h auslauten würde, gattr
Gatter (ahd. gataro) hat im Plur. neben gätsr seltener gätsrs
als Rest der ursprünglichen Deklination ; kyöifar Käfer, hat
immer kyöifdr.
Die jo-Stämme.
§ 107. Einfache /o-Stämme sind selten. Sie haben
sich teils der o-, teils der «-Deklination angeschlossen. Ihre
ursprüngliche Flexion muss früh verloren gegangen sein,
sonst wäre der Übergang in die «-Klasse nicht zu erklären
(vgl. Paul, mhd. Gramm. § 121. 1); denn ihr Plural war dem
der o- und /-Stämme gleich und die lautgesetzliche Ent-
wicklung ihrer Deklination hätte zu einem Zusammenfall
mit diesen Stämmen geführt. Nur kyßs Käse, und hötp
Axtstiel (mhd. bereits help), erscheinen heute wie die starken
Stämme, Plural kyßs, hölp. rtikks Rücken, hat im Plural
rukks und rikkä. wökka Weck; wgatsa Weizen, Plur. auch
weßts»\ diese drei sind schwach geworden, higrf Hirt, Plural
hiarta flektiert heute wie die persönlichen schwachen Stämme.
Schntz, Die Mundart von Imst. 9
Digitized by Google
130
§ 103. Die 70 - Stämme auf ahd. -äri haben sich regel-
recht entwickelt und lauten im Singular und Plural auf -ar
aus; im Plural tritt nie der Umlaut ein. Vgl. Singular und
Plural Iqardr Lehrer, mtyhvqytar Nachtwächter, trqgur Träger,
mqdar Mäher (Bildung zu mqd Mahd), su»/t»r Schuster,
raitar Reiter, qrmtav Arbeiter, fiarar Führer u. a.
Anm. An dieser Stelle sind eine Gruppe von Substantiven auf
-if zu nennen. Sie sind von Zeitwörtern abgeleitet, ihre Grundbedeutung
ist die einmalige, rasche Tätigkeit; es sind demnach Nomina actionis.
Ihrer Flexion nach decken sie sich mit den soeben genannten ./o-Stämmen
auf -3i\ Vgl. ritsar ein einmaliges, rusches Ritzen, stqastur ein unver-
muteter, rascher Stoss, kylokytr zu kylokya klopten, fqnr das rusche
darüber hin Fnhrcn mit der Hand, das Durch/. ucken zu Jota. plintskyr zu
plintak» blinzen, plitsar zu plilta blitzen, ruttter zu rottte schütteln, sittter
zu sittl» schütteln, Iqyypr das schrille Auflachen zu Iqyy» lachen, wusstet-
zu wtsste winseln, driitr zu dri Sa drehen, Hupfer zu Hupfe stossen, palter
zu palte bellen, oiiytskar zu oiiyiska ächzen, tsukyar zu tsukya zucken, •
prilter zu prilte brüllen, ih uky.tr zu ilrukyj drücken, huaSltr zu liuasta
Husten, kyurrar zu kyurr.t knurren, äpritxar zu Sprits 3 spritzen, Slipfer
zu ilipfe schlüpfen, trissar zu tr/ssa wischen, kyrqyyar zu kyrqyya krachen;
die Beispiele lassen sich häufen. Man vgl. aus dem Nhd. Seufzer,
Jauchzer. Bei Schmoller sind solche nur spärlich belegt (bair. Wörtorb. 2
II. 231, 708}.
t? 109. Reste anderer Stämme. Die wenigen wo-
Stänime sind mit den o-Stämmen zusammengefallen, snqu
Schnee, kylqa Klee, wra Weil, ptnt Plur. pati und pai Bau,
sqa See; sqtte ist schwach geworden und lautet im Plural um:
satto Schatten.
Die langsilbigen «-Stämme sind bereits im Ahd. (Braune,
ahd. Gramm . 2 § 229) zu den o- und /-Stämmen übergetreten.
Von den kurzsilbigen kommen nur noch sig Sieg, und frid
Friede, vor; frlda verrät nhd. Einfluss, hu Sohn, ist' (bereits
behandelt (§ 101). sitta ist heute weiblich. Die drei
Verwandtschaftsnamen prvadar Bruder, swqgar Schwager,
ftVar Vater, bilden den Plural durch Umlaut: prbdar , swagar ,
fütar: daneben auch, wohl in Anlehnung an fötlar (§ 103), ein
fätara.
Anm. Die urkundlichen Belege für die Deklination des starken
Mask. zeigen folgende Verhältnisse: Der Gen. Sing, hat immer s (brie/s,
kaufs, pharrers, Ilttebers, inauyels }; der Dativ ist ohne Bildung, nur
Digitized by Google
131
1471 an sant Veitz tage Im Plur. sind der Nom. Gen. Acc. immer
ohne Endung, der I>at. hat ohne Ausnahme -en. Von umlautfähigen
sind belegt: Acc 1468 Ogker , agker, müngl , 1524 bSch, sienrft, Dat. 1471
Nfiizn, 1524 margtstiigen, das in einem Zusatz von späterer Hand
morlchtsfagen geschrieben ist. Der Dat. Plur. ist also noch nicht den
übrigen Kasus angeglichen worden; dass dies auch in der Ala. zu dieser
Zeit noch nicht der Fall war, wird durch die Tatsache wahrscheinlich
gemacht, dass das vordere Otztal den Dat. Plur. heute noch auf n bildet:
laitri Leuten, haisani Häusern, kyidn Kühen. Die übrigen Kasus haben
den Kndungsvokal verloren. Der Umlaut im Plural erscheint ebenfalls
über die o-Stämme ausgedehnt; das Nebeneinander von ägker und agker
1468, margtstdgen und morkhtslagen 1524 ist bloss durch den Schreib-
gebraucli veranlasst, die a sind ebenso als Umlautsvokale (jj 37) auf-
zufussen wie die a.
Das schwache Alask. zeigt den Nom. durchwegs ohne Endung,
den Gen. Dat. Acc. dagegen immer auf en, n gebildet. Vgl. z. B. Nom.
1448 Gerhah , her, Hanns , 1450 scharf; Gen. Herren , fürsten , perchtolden ,
Hannsen , Micheln , Matheisen , Jörgen ; Dat. hannsen , namen , garten ,
Jacoben , Acc. prunnen , scharfen u. s. w. Da der einzige Nom. der un-
persönlichen schwachen Alask., den die Urkunden bieten, die Apokope
des mhd. e zeigt, 1450 scharf, lind andrerseits alle persönlichen schwachen
Mask. den Nom. apokopiert haben (1448 graue zu Tyrvl , 1450 graffe zu
Tyrol sind starre Wendungen), den Gen. Dat. .Acc. aber auf en bilden,
so muss man schliessen, dass die heute geltende Trennung zwischen
persönlichen und unpersönlichen »-Stämmen damals noch nicht vor-
handen war; die Katsprotokolle des 17. Jahrh. aber weisen sie auf;
es kommt dort kein apokopierter Nom. von unpersönlichen Alask. vor,
wohl aber apokopierte Dat. Acc. von persönlichen. Der Plur. hat in
allen Kasus en ; die beiden einzigen belegten umlautfähigen sind 1450
schaden Gen. Acc., 1451 prunnen Nom. Gen. Acc.; soweit daraus, dass
kein umlautfähiges mit a vorkommt, welches nicht den Umlaut hätte,
Schlüsse gezogen werden können, zeigt sich, dass der Plural analog zu
den starken Alask. Umlaut annehmen konnte, auch ohne dass die Kasus
des Sing, ausgeglichen waren, prunnen ist ohne Umlaut; die betreffende
Urkunde schreibt für, würden , bezeichnet also das umgelauteto n.
B. WEIBLICHE SUBSTANTIVE.
Die a- und ,/ä-Stämme.
§ 110. Der Singular geht im Mhd. in allen vier Kasus
auf -e aus; die Mundart hat diese Endung in lautlicher Ent-
wicklung verloren. Demnach bleibt es der Beobachtung
entzogen, oh und inwieweit in der Mundart die im Ahd.
9*
Digitized by Google
132
ohne Endling erscheinende Form des Nom. (Braune, alid.
Gramm.- § 207. 2) vorhanden gewesen ist. Der Singular
mhd. gäbe erscheint als gqb Gabe. Der Plural hat in allen
Kasus die Endung -», welche auf -en zurückgeht; diese
kommt, im Mhd. nur dem Gen. Dat. Plural zu. Sie hat sich
über den Nom. Acc. ausgedehnt, gewiss unter Einfluss der
schwachen Feminina, die im Plural im Mhd. -en haben.
Dieselbe Entwicklung wie gqb : gqw» haben folgende «-
Stämme: gnqd, gnqd» Gnade, hart, hart» Herde, tsql, tsQl »
Zahl, kywql, kywql » Qual, rar, qar 9 Ehre, Iqar, Iqar» Lehre.
sqal, seal » Seele, qa, qaij» (vgl. § 5) Ehe, qart, qart » Erde,
hu»t, hu»t» Hut, das Hüten, fu»r, fu»r » Fuhre, pit, pitt» Bitte,
spais, Spais» Speise, fröid, frönt» Freude, sond, sond» Schande,
ml, sld » Scheidung, das Absondern, rqas, rqas» Reise, pu»s,
puoss» Busse, grenis, grentsu Grenze, pov, poum Bahn, pin,
pattvi Pein, gmu», gmuän» Gemeinde, wqad, wqad» Weide,
sh Id, sidd» Schuld, su»l, su»l» Schule, hqb ( hqw» J Habe, strqf,
straff» Strafe, fqrb, f<rrw» Farbe, wag, wqg» Wage, kylqg,
k/lqg.) Klage, frqg, frqg » Frage, anssqg, aussqg » Aussage,
oütsqug, antsqag» Anzeige, sqy, sqyy» Sache, sprqy, sprqy»
Sprache, <}y, qy» Ache, sqrg, sqrg » Sorge, folg, folg» Folge,
tru.ig, truag» Traglast, lüg, lüg » Lüge (setzt ein * Inga vor-
aus) lög, tilg» Lage, holtslöig, -löig» Holzlege, mistlöig Mist-
lege, paiyt, paiyt» Beicht, snaid, snaid » Schneide, Wagemut,
„Schneid“ (der Flurname snaid» fordert ein schwaches mhd.
snide), sonts, sonts» Schanze, pflöig, pflöig» Pflege, rui, ruij»
Reue, fair, fair» Feier, fqryt, fqryt» Furcht, wais, wais »
Weise, wayt, wqyb Wacht, wqy, wqyy» W 7 ache, wail, waib
Weile, pqr, pqr » Bahre, wid, wid» Strang aus Zweigen, sqr,
sär» Schar, an, au» Au, hilf, hilf» Hilfe, kfqr, kfqru Gefahr,
möss, möss» Messe, stimm, stimm» Stimme, pit das Warten
(auf eine Schuld ohne Schein, mhd. bite), mqas, mqass » ge-
rodeter W'aldstrich. — Die jd-Stämme sind im Mhd. bereits
mit den d-Stämmen zusammengefallen : sind, sind » Sünde,
höll, höll» Hölle, röid, röid » Rede, ripp, ripp » Rippe,
kylemm, kylemm» Klemme, trnjky , tregky» Tränke, stuir,
stuir» Steuer (vgl. § 54). Ferner gehören hierher alle mit
der Ableitung auf -utj (ahd. ung, unga)i tsbhuij Ziehung
\
Digilized by Google
133
Flur. taiahutja, mu.mutj, muantttja Meinung, faldutj , faldmp
Faldung, Ina Hut) , tsaiturp Zeitung, Iqasun , Iqasmp Erlös.
hoffnmj, haffntnp Hoffnung, <#/«», (o/turp) Achtung, pössamn
Besserung, farsomluij, farsomlutja Versammlung u. a. Die
wenigen Feminina auf -nis haben im Plural nissa ; vom
Standpunkt der Mundart aus kann nicht mehr beurteilt
werden, ob ahd. nissi oder nissja zu Grunde liegt (Braune,
alid. Gramm. 2 § 201. 1) färiiis, für nissa fahrendes Gut,
finitarnis, finStarnissa Finsternis, pagröibmis, pagröibniissa
(auch sächlich) Begräbnis, trildnis, wildniss» Wildnis, pswßr-
7118. pSv^arnissa Beschwerlichkeit, padreimis, pedreijnissa Be-
drängnis. Die Feminina auf mhd. irrne (/d-Stämme) gehen
im Singular auf -in ans; daneben kommt seltener -n vor;
der Plural lautet -inns, sie schliessen sich also den starken
Stämmen an. pairin und pairti, pairinna Bäuerin, martin,
triarfy, wiertinna Wirtin, haiaarin, haisarp Häuserin u. a.
Die Wörter auf -ai (nhd. -ei) haben im Plural aija, Swalna-
rai, iwdineraija Schweinerei, littanai, littanaija Litanei, sin-
tarai, Sintaraija Schinderei, sennarai , sennaraija Sennerei,
liawalai, liawalaij » Liebelei, Sraitcarai, Sraiwaraije Schreiberei.
Dieselbe Pluralbildung haben auch alle auf einen Konsonanten
ausgehenden Fremdwörter: pröidig, pröidig a Predig, nqtür,
nqtüra Natur, figür , figüra Figur, ür , üra Uhr, fabrik /,
fabriky» Fabrik, müsig, tnüsiga Musik, ass, asse Ass im
Kartenspiel, meditsi, meditsln» Medizin, mikstür, mikstüra Mix-
tur, prantS, prantSa Branche, Trupp, post , poSte Post, kyitär,
k/itara Guitarre.
Die än- und jdn -Stämme.
§ 111. Im Mhd. ging der Nom. Singular auf -e ( zunge )
aus, die übrigen Kasus des Singulars und die des Plurals
hatten die Endung -en. Die Mundart hat im Sing, und
Flur, -a, also den Nom., der * tsuvp mit Abwertung des -e
lauten sollte, den übrigen Kasus angeglichen. Bei manchen
Wörtern kann ein abweichender Plural gebildet werden auf
-na: slüwa, Plur. Stau) » und st&bma Stube, Stauda, Plur. Stauda
und Staudna Staude, kyirya, Plur. kyirya und kyiryna. Doch
ist diese Pluralbildung keine feststehende; sie kann nicht
Digitized by Google
134
bei allen Femininen verwendet werden, jedoeh bei allen auch
fehlen. Ihre Entstehung erklärt sich am einfachsten so:
für die d-Stämme muss eine Deklination gäh, Flur, gäben
vorausgesetzt werden, da der Abfall des auslautenden -e
früher erfolgte, als der des -w. Für die dn-Stämme setzen
die heutigen Verhältnisse einen Sing. Stuben, Flur, stuben
voraus. Aus gilb : gäben entnahm das Sprachgefühl ein
Plural bildendes -en, welches nun neu an ön-Stämme trat;
wie gäben zu gab bildete man stubenen zu stuben und aus
stubenen hat sich das heutige stübm» entwickelt. Jetzt hat
diese Gleichung keine Geltung mehr. Die Pluralendung -n»
kommt fast ausschliesslich schwachen Stämmen zu.
§ 112. Bereits in ahd. Zeit sind d- Stämme in die
Deklination der dw-Stämme übergetreten; die Mundart hat
eine Keihe von Beispielen aufzuweisen. Eine genaue Schei-
dung der heute im Sing, auf -» auslautenden weiblichen
Stämme in ursprünglich starke und schwache ist nicht immer
möglich (Braune, ahd. Gramm. 2 ij 208. 2). Ursprünglich
stark flektierten : womp», Flur. tvomp» und wotnptn » Bauch
(ahd. wamba ) gr/» Ufermauer, grtmv» , Plur. gru»ir» und
grudbm» Grube, maur», Plur. maur » und maurn» Mauer,
portd Borte, sait», Plur. sait» Seite, wund» Wunde, hoad »
Heiderich, stand» Staude, mail» Meile, sqlw» Salbe, sqrt»
Scharte, pint» Binde, eint» Binde, wind» Winde, irunt»
Schrunde, staig» Hühnersteige; prukk» Brücke, hitt» Hütte,
k/ripp» Krippe, suir» grosser, leerer Kaum, Scheuer, und
wohl noch andere der auf -» auslautenden Feminina, für
die mir keine Belege starker Formen zu Gebote stehen.
Die Aufzählung der ä- (jä-) Stämme bei Grimm, Gramm. I,
ist nicht erschöpfend.
§ 113. Die Wörter, welche im Plural neben der Form
des Singulars, also der regelmässigen Entwicklung, die Bil-
dung auf -n» haben, sind: pfaiff», pfaiffn » Pfeife, saiu»,
saibm» Scheibe, sqa/f», aoaffn» Seife, Snpf», sup/n» Schuppen,
k x htpp», k/luppm» Kluppe, wipp», irippm» Witwe, gltif»,
glüfn» Stecknadel, Swqltc», swqlbm » Schwalbe, hous», housn»
Hose, mgs», mqsn» Narbe, Fleck (mhd. mäse), /tos», ntjjtn»
Nase, pQs», pqsn» Base, tass». tassn» Tasche, goss», gossns
Digitized by Google
- 135 -
Gasse, kyrqts», kyrqtsn» Kratze, Spaten, kyqts», kyotsn» Katze,
sprits», Sprits n» Spritze, pßonts», pflontsn » Pflanze, Sqad»,
Sqadn» Scheide, kyiry», kyiryn» Kirche, kytüy», k/aiyn» Ge-
fängnis. bqky», hqkyn» Hacke, Stieg», Sti»gn» Stiege, glokk»,
glokkp» G locke, Slqg». S/ögij» Schlagfalle, früh», trühns Truhe,
plqh», plölin » Blähe, sqg», sQgij», Säge, supp», mpptn» Suppe;
vereinzelt haben auch noch andere Wörter diese Bildung
des Plurals; doch ist ihre Anwendung nach meinem Sprach-
gefühl individuell und nicht allgemein in Gebrauch. Gehört
habe ich Plurale wie: Smittn » zu Smitt» Schmiede, fiqssn» zu
dqSS» Flasche, kylausn» zu kylaus» Klause, Verhau beim
Holzrichten, tanbm» zu taute» Taube, Strqssn» zu Strqss
Strasse, qlbmo zu olb Alpe, kylasst i» zu kylass Klasse, fa-
brikyn» zu fabriky Fabrik.
§ 114. Von schwachen Femininen, die den Singular
und Plural gleich haben , seien angeführt : u-ösp» W espe,
ggrir» Garbe, silte» Silbe, /* antr» Haube, räf» Eiterkruste,
(zu ahd. hruf ), osp» Espe, Sölf» Schale von Früchten (ahd.
scelimt), kyipf» Wagenleiste, kyqlw » weibl. Kind, das zum
erstenmal trächtig ist (zu Kalb), soul» Sohle, Sol» Schale,
nql» Ahle (vgl. g 73), roll» Rolle, Sali» Schelle, in oll» Schnalle,
tsail» Zeile, troll» Wolle, fail » Feile, nall» Genick (zu ahd.
Iincl Hinterhaupt), kyqpp» Kappe, phhm» Blume, komm» Schen-
kel (ahd. Iiamma), pfru'um 9 Pflaume, höifomm» Hebamme,
rqas» Rose, Iqtts» Wagenspur, im Plur. Geleise, ins» Wiese,
Iqtt» Latte, tult» Zitze, kyrout» Kröte, sqal» Saite, plqtt»
Platte, ni»t» Niete, ironts» Wanze, Stalls » Stelze, wqlts » Walze,
Sqat» Hobelspan, Swqrt» Schwarte, kyruSt» Kruste, pirst»
Bürste, kyarSt» Kirsche, warts » Warze, stoß» Stift, hqft»
Hafte, pfonn » Pfanne, rinn» Rinne, Sin» Schiene, län» La-
wine, phr» Bühne, Bretterboden, tonn» Tanne, sann» Sonne,
iconn» Wanne, nunn» Nunne, tinn» Stirn (mhd. tinne), kyrinn»
Kerbe, Kinne (mlul. krtnne), lu'.m» Lehne (mhd. leine), ln Ly»
Lücke, folg» Feige, fhtig » Fliege, lary» Lerche, i royy» Woche,
Siedle» Schlehe, fu»g» Fuge, tri»g » Wiege, tsi»y» Zieche, Decke,
pu»y» Buche, piry» Birke, sqlli » Weide (mhd. sollte), Spott y»
Speiche, saile» Seihe, tsqrg » Zarge, tsiinij» Zunge, Stotjg»
Stange, S/iint» Schlinge, Slogn » Schlange, tsotjy » Zange,
Digilized by Google
136
lylifpp Klinge, paija Biene (mild. bk), diarna Dirne; lölska
Holzschicht (zu nhd. leg gen), ökka Egge, kyöirtsa Kerze,
diUa Dachboden (vgl. nhd. Diele), Idtna Leine, kyrukya Krücke,
mukka Mücke, prukka Brücke, heijqe Hängvorrichtung, Ge-
stell, das an der Wand hängt, kyölla Kelle, triass » Drüse,
{.tritt » schmales Brettchen (germ. *bridjön -) , paila Beule,
fniyt » Fichte, kenn* Henne, tailla Zülle, Schiffchen, honthöiw»
Handhabe.
§ II 5. Die mehrsilbigen Feminina mit der Ableitung
-ala. -ila, - ula , -ara u. s. w. gehen heute alle auf -» bezw.
auf -la, ra aus. Die hierher fallenden Stämme sind also
alle schwach geworden. Die Mundart kennt kein mehr-
silbiges Femininum auf -l, -r (im Gegensatz zum grössten
Teile des Bairisch-Österreichischen, wo diese Feminina alle
auf -l, -r auegehen). w qdla Nadel, kyügla Kugel, gowla,
Gabel, k%qyla¥,&c\\e\, siyla Sichel, äissla Schüssel, musla Muschel,
qssla Assel, gqassla Geissei, prennössla Brennessel, sqytla
Schachtel, hqttla Ziege (mhd. hatele), tqfla Tafel, tqytte Dachtel,
Ohrfeige, Imjgl » Lunge (und luipj»), kyondla Kanne (mhd.
kanele ), mondla Mandel, waidla Weide, grotnla Flachsbreche
(vgl. Sehmeller, bair. Wörterb. 2 I, 995), stndla Schindel,
äaufla Schaufel, qrgla Orgel, driSSla Drischel, trvlgla Ballen
(vgl. mhd. welgeln ), pqppla Pappel, gurgla Gurgel, daiksla
Deichsel, kyontsla Kanzel, nüdla Nudel, wnytla Wachtel,
hayla Hechel, iwöigla Schwegel, gruspla Gruspel, omila Amsel,
qksla Achsel, spindla Spindel, liquid Haselnuss, wurtsla Wurzel
(und icurtsa ), fqkyla Fackel, tsussl a unordentliches Weib,
öidla Erle, ompla Ampel; dass reg\ Regel, und päs] Base,
mundartliche Lehnwörter sind, ist leicht zu ersehen; qd»ra
Ader, qUra Natter, plqtara Blatter, Blase, qlitara Elster,
sqltara Barnbaum, an welchem die Ketten hängen (vgl. nhd.
Schalter), hqlftar» Halfter, kyomtnara Kammer, nummara
Nnmmer, kylompara Klammer, etpjara grosser Anger, fast
nur als Flurname gebraucht (zu ‘Anger’), löiwara Leber, föi-
dara Feder, kyilwera junges weibl. Schaf (ahd. chil purred),
spiltara Zaunspilter, silpara Splitter, tsittara Zither, Iqatara
Leiter, raitara Kornsieb (mhd. ritere). Auf -a auch im
Singular lauten auch alle folgenden aus (abweichend vom
Digitized by Google
137
Bairischen im allgemeinen): söig»s » Sense (mhd. segense ),
mjtps» Schelle (Schöpf, tirol. Id. S. 075), omm»s» Ameise,
pimm»s» Binse, PQxx 9ta Speckseite (zu ahd. paeho), öig»rt »
B'iesenfleck (mhd. egerte), tsügat» Holzlast, welche am Boden
geschleift wird (zu 'ziehen'), Iu3n»t» an einen Baum gelehnter
Holzhaufen, goss»t» in einer Pfanne kalt gewordenes Schmalz
(zu 'giessen'), hetjipt» eine Reihe aufgehängter Gegenstände.
Als schwach flektierend werden für die Mundart vorausgesetzt:
h yöttn» Kette, fqarsn» Ferse, kyistn» Kiste; auf einen starken
Stamm weist kyuyy» Küche, weil *k/nx.X n9 zu erwarten wäre,
falls ein schw. ahd. kuchina vorläge; schwach ist pir» Birne.
Die ursprünglich schwachen Stämme frau Frau, hu»r
Hure, zeigen im Singular heute eine starke Form, beide
wohl unter nhd. Einfluss. Vgl. die schwachen Formen in
der Zusammensetzung: fraurtqg Frauentag (in Imst der 15.
August), hu»r»poky, liu»r»jäg»r.
Die Feminina abstraeta.
§ 116. Die von Adjektiven abgeleiteten Substantive
gehen heute bei einigen auf Konsonanten, bei der Mehrzahl
aber auf -» aus ; die ersteren müssen auf den ahd. Singular
auf -i (hohl), die übrigen auf die Nebenform auf -in zu-
rückgeführt werden; es sind die alten Doppelformen (Braune,
ahd. Gramm.-' § 212) erhalten. In der Entwicklung der-
selben bevorzugt die Mundart die Form auf -in, sie weicht
also vom mhd. Gebrauche ab (vgl. Paul, mhd. Gramm.'
§ 126. 3). leg >} Länge, prqat Breite, grggs Grösse, hqay
Höhe, Hab Liebe, hens Hitze; so weit Plurale Vorkommen,
werden sie auf -9 gebildet. Alle übrigen haben im Singu-
lar -a wie im Plural : wait» Weite, ti»ff» Tiefe, sinöil» Schmäle,
itcöxy» Schwäche, dirr» Dürre, uaiss» das weiss Sein, swörts 9
Schwärze. real» Röte, etpj» Enge, li»yt» das licht Sein,
ritjtj» Leichtigkeit an Gewicht (zu mhd. ring), finstar» Finster-
heit, stikyl» Steilheit (zu stikyl steil), gröid» Geradheit, tuir »
Teuerung, saiw»r» Sauberkeit, kyi»l» Kühle, füll» Vollsein,
kswinih Geschwindigkeit, wild» Wildheit, sair» das sauer
Sein, störy» Stärke, hört» Härte. mö\g»r» das mager Sein,
sOn» Schönheit, trikyn» Trockenheit u. a. m.
Digitized by Google
138
Die /-Stämme.
£ 117. Die regelmässige Entwicklung der Endungen
der / - Stämme führte mit analogischer Verdrängung des
Dat. Flur, zum Schwunde derselben, gqas Sing, und Flur.
Geiss, arw9s Erbse. Die Doppelformen des Singulars (mhd.
Nom. Ace. kraft, Gen. Dat. kraft, krefte) wurden meist zu
Gunsten des Nom. Acc. ausgeglichen. Der Umlaut im
Flural ist nur bei einem Teile erhalten ; diese und die
beiden angeführten haben auch den Flural ohne Endung.
stqt, stöt Stadt, f iq/t, na/t Nacht, mqkt, mökt Magd, fordfj/t,
firdä/t Verdacht, hont, hent Hand, wont, went Wand, potjk /,
petjk / Bank , gons, getis Gans, k/u», k/i» Kuh, sau, sai Sau,
buff, hiff Hüfte, Jur/, fr/ Furche, luft, lift Luft (auch Mask.
erstarrt ist der Dat. Sing, u d»r lift in der Luft), k/luft,
k/lift Kluft, gruft, grift Gruft, flu/t Flucht, Flur, in snqaßi/t
Schutzorte vor Schnee im Hochgebirge, prust, prist Brust,
pilrt, plrt Bürde, sn/t, si/t Sucht, Krankheit, fru/t. fr i/t
Frucht, warst, wirst Wurst, k/unst, k/inst Kunst,, haut, hait
Haut, maus, mais Maus, laus, lais Laus, praut, prait Braut,
fa'ust, fdist Faust. Der umgelautete Gen. Dat. Sing, hat
sich über den Nom. Acc. ausgedehnt in sail Säule (alid.
sül), öih Mutterschaf (ahd. au Gen. ewi, Braune, ahd. Gram. 2
Sj 219, 3), sär Schere (ahd. scär) ; der Plural wird zu diesen
auf -9 gebildet: sail», öiw a, söra, sie fielen also mit den a-
Stämmen zusammen. Dasselbe musste eintreten bei tir
Thüre, dem der Umlaut auch im Nom. Acc. zukam (ahd.
tvri). Zu orjkst Angst, k/rqft Kraft, können zwei Plurale
gebildet werden: epkst, k/röft und erdest», k/röft»; letztere
stammen aus dem Dat. Flur., der sich in den festen Wen-
dungen i d» n erjkst » in den Ängsten, pai, fu k/röft 9 bei,
von Kräften, erhalten hat.
§ 118. Eine Reihe umlautfähiger /-Stämme und alle
nicht umlautfähigen bilden den Flural mit -», sind also in
die Analogie der d-Stämme übergetreten. Für die letzteren
erklärt sich der Anschluss leicht : die Gruppe der «-Stämme
hatte eine ungleich grössere Anzahl von Substantiven; dass
das Streben, den Flur, vom Sing, zu scheiden, der Mundart
Digitized by Google
139
eigen ist. zeigt die ganze Entwicklung der Deklinationsver-
liiiltnisse. Die Tatsache, dass auch umlautfähige /-Stämme
zu den «-Stämmen übergetreten sind, zeigt, dass der Um-
laut bei den Femininen nicht produktiv geworden ist, wie
bei den Maskulinen. Die Beispiele für diesen Übertritt
sind: wall Welt, Flur, wall», tsait , tsait» Zeit, pßiyt. pfli/t»
Pflicht, srift, srift» Schrift, fr ist, frist » Frist, taiy, lat/»
Leiche, trift, tri ft» Trift, ksiyt, ksiyti Geschichte, siyt, siyt»
Schicht, Taglohn, hqats»t, hqats»t» Hochzeit, qnr»t, qrw»t»
Arbeit; die auf -halt (- kyait ): ksunthait Gesundheit, qawikyait ,
eawi kyait» Ewigkeit u. a.; troyt, trqyto Tracht, slqyt, slqyt»
Schlacht, joyt, joyt». jqkt- jqkta Jagd, lost, lost » Last, tqt, Iota
Tat. qrt, qrt» Art. fort, fort 3 Fahrt, söt, sota Saat, pnrg, purg 9
Burg, gapart, gapürt» Geburt; die auf - soft : qag»sqft, qagasqft»
Eigenschaft, früitSqft , fruVsqft» Verwandtschaft. Der um-
gekehrte Fall, dass d-Stämme den Plural durch Umlaut
bilden, kommt nie vor. aut», Ente, ist die Form des ahd.
Gen. Dat. anuti ; das -» weist darauf hin. dass es zu den
dn -Stämmen übergetreten ist.
§ 119. Wörter anderer Stämme sind frühe schon zu
den i- und d-Stämmen übergegangen. Zu hont ist der alte
Dat. Plur. erhalten in ts hont » zu Händen, fu hont» von
statten. Von den Verwandtschaftsnamen hat suöstar im
Plur. su-östar », Schwester, toylar Tochter, ist selten, Plur.
töytar, muatar Mutter, hat mi»t»r und mi»t»r», letzteres in
Anlehnung an suöst»r » und fatar» (vgl. § 109).
Anm. Das starke Fein, zeigt in den Urkunden im Sing, überall
die apokopierten Formen, im Plur. sind nur Gen. und'Dat. belegt, beide
auf eit , n.
Vom schwachen Fern, ist der einzige belegte Nom. Hausfrau:
1448 u. 5. ; Gen. Dat. Acc. zeigen ausnahmslos -e», Hausfrau en , Jungk-
fraicen, Dat. seiln (2) 1471, Acc. messerschmilleit, gertcstuben rnd pod-
t-tuben 1451; gasstn 1471; leider kommt nur der oben genannte Nom.
vor, doch darf man sohliessen, dass die Flexionsendungen des Singulars
sich lautlich entwickelt haben, der Nom. also sein e verlor; war das
in der Mundart der Fall, so ist er erst Bpät in Analogie zum Dat. Acc.
umgebildet worden. Wichtig ist, dass der Sing, der schwachen Fern,
scharf von dem der starken geschieden ist. Dieser hat die Endung e
(des Mhd.) apokopiert. in jenem sind die schwachen e» des Gen. Dat.
Acc. erhalten. Der Dat. Sing, seiht zeigt, dass dieses Wort früh schon
zu den schwachen übergetreten ist.
Digitized by Google
140
C. SÄCHLICHE SUBSTANTIVE.
§ 120. Die Deklinationsendungen der o- und jo-Klasse
unterliegen dem Schwunde nach den Auslautgesetzen der
Mundart, der Dativ Plural ist überall analogisch verdrängt.
Die ahd. Neubildung des Plurals auf -ir ist in der
Mundart herrschend geworden (-ar). Interessant für die
Geschichte dieses Suffixes sind die erstarrten Genetive der
Mundart in den Zusammensetzungen k/ölwsrsk/opf, der ab-
geschnittene Kopf eines Kalbes, k/ölwsr sk/us, Kuh die ge-
kalbt hat. Sie sind identisch mit den ahd. Genitiven Sing.
rindares, Kelbirisbach , Pletirsbahc, Braune ahd. Gramm. 2 § 197,
1. Heute bilden die meisten starken Neutra den Plural auf
-or: nöSl Plur. nöitdr Nest, fald, faldsr Feld, tisr, tisrsr Tier,
galt, galtst- Geld, k/ind, k/indsr Kind, find, rindsr Bind, wallt ,
iraiwsr Weib, fuir, fuirsr Feuer, /ca/, fqalsr Fell, pröit,
pröilsr Brett, lisd, lisdsr Lied, Sait, Saitsr Scheit, rais, raissr
Reis, lis/t, lis/tsr Licht; gspai, gspaijsr Gebäude, pöt, pöttsr
Bett, nöts, nötssr Netz, gri/t, gri/tsr Gericht, ksi/t, ksi/tsr
Gesicht, pilt, piltsr Bild, hemmst, hemmstsr Hemd, gwaks,
gwakssr Gewächs, k/etji}, k/enqsr Gehänge, ent, entsr Ende,
ök, ökksr Pick, gtröir, gwöirsr Gewehr, kfrfs, kfrissr Antlitz
(eine /o-Bildung zu „fressen“ *gafrizzi), pls, pissr Gebiss,
höft, höftsr Heft, kseft, leseflsr Geschäft, gtri/t, gwi/pr Ge-
wicht, gm ist, gmistsr Gemüt, gsplist, gsplistsv Geblüte, gtjak,
gyakksr Genick, gltd, glidsr Glied, mal, swaljsr und swalr
Schwein, pws, puSr Bein, qa, qar Ei, plai, plaijsr und pluir
Bleigewicht -Stäbchen, k/etm, k/elmsr Stubenherd (ahd. kernt),
k/ami, k/amir Kamin, rXs, rissr abschüssige Bodenrinne,
ksle/t, ksle/Jsr Geschlecht; ft/, flhsr Vieh («-Stamm), tnöir,
möirsr Meer.
§ 121. Die Umlautfähigen nehmen im Plural mit der
Enduug -sr auch den Umlaut an. holte, hö/tssr Holz, ploy,
plö/ysr Block, lo/, lö/ysr Loch, folky, fölk/sr Volk, ross,
rösser und ross Ross, jo/, jöy/Sr Joch, mous, möissr Moos,
kslous, kslöissr Schloss, pusy, pid/sr Buch, tu»/, tis/sr Tuch,
gust, gistsr Gut, hus, ht.tr Huhn, haus, Itaissr Haus, kyraut,
k/raitsr Kraut, loup, löipsr Laub, maul, mailst- Maul, drumm,
Digitized by Google
- 141 -
drininter nhd. Plur. Trümmer (mlul. drin»), luky, 1iky»r
Deckel, dqrf, darffJr Dorf, pqd, pöidar Bad, rqd, röidor Kad,
plqt, plötter Blatt, kyqlb, kyölwsr Kalb, grqb, gröiwer Gi'ab,
grqs, gröis »r Gras, glqs, glöissr Glas, tql, töitor Tal, Spitql,
spitöiter Spital, lomp, lemp»r Lamm, lond, lendur Land,
pont, pent9r Band, pfont, pf enter Pfand, gwont, gwenter Ge-
wand, omt, emter Amt, mqd, mäddr und möidar Mahd, mql,
wäter Mal, Fleck, dqy, dayysr Dach, fqss, fasssr Fass, sqff,
saffer Schaff, mqry, maryer die Marke (mhd. marc Neutr.),
mqs, mCtss»r Mass. Beachtenswert ist, dass auch bei den
Sächlichen zu q zwei Umlautvokale vorhanden sind, a und
ö. öi; letzterer ist produktiv geworden, wie der Plur. spi-
töiter, möid»r (mhd. mäd) erweist. Die Wörter, in welchen
a herrscht, müssen den Umlaut auf lautgesetzlichem Wege
erhalten haben (vgl. § 38 ff.). Das Suffix -ir ist also im
Plural der Neutra früh schon weit verbreitet gewesen,
andernfalls könnte die Scheidung zwischen a und ö, ö» nicht
wohl erklärt werden. Dass der Umlaut mit der Endung -sr
eng verbunden ist, erweist sqal Plur. sqater Seil; ange-
schlossen hat es sich an tqar, tcpnr Tor.
§ 122. Selten ist die einfache Pluralform ohne -or,
die dem Sing, gleich ist. iqf Plur. sirf Schaf, re» y Reh,
kyits Kitze, pfund Pfund, mim Mus. Einige Wörter haben
neben der Bildung auf -»r die alte Plur. Form erhalten.
Beide Plurale haben dann gewöhnlich verschiedene Be-
deutung. irqart Plur. u-qart Worte, wqnrter Wörter, stuky
PI. stuky eine Gesamtzahl von Stücken und stikynr einzelne
Stücke, qart Plur. qurt und earter (vgl. § 101, auch männ-
lich); zu diesem ist der Dativ qart<> (mhd. Dat. Plur. orten)
erhalten, daneben wird auch qart als Dat. Plur. verwendet.
hqr Plur. hqr Haar und härsr einzelne Haare, dinn Plur.
ditjrj Dinge, diipq-tr einzelne, rqur Plur. rqar, rqar»r Rohr,
söif Schiff, iöif und iöifar.
§ 123. Die Deminutive haben in regelmässiger Ent-
wicklung im Singular und Plural dieselbe Form erhalten;
Plurale auf -»r kommen bei ihnen nicht vor. föigate Plur.
fö\g»te Vögelein, waldate Wäldchen, ha ist» Häuschen. Wie
die Deminutive, welche alle auf -te ausgehen, haben die
Digitized by Google
142
wenigen Wörter auf -» im Plural nur die Form des Sing.
tcqpp» Plur. wqpp». Wappen, ais» Eisen ,f»rgqi»g» Vergnügen,
löitc» Leben, tsqay» Zeichen; feiner die im Mhd. einsilbigen
auf -r«, das heute über -ren zu r» geworden ist. hier» Hirn,
gor» Garn, hqar» Horn, kyqar» Korn.
§ 124. Die «-Stämme. Die im Mhd. erhaltenen
hat auch die Mundart als schwach flektierend bewahrt. Irn
Singular zeigt sich überall die apokopierte Form, hart s
Herz, oug Auge, qar Ohr, uonrj Wange; der Gen. Dat. haben
die Form dos Nominativs angenommen. Der Plural gebt
in regelmässiger Entwicklung auf -» aus hart 8» (harter für
Herz-Karten), oug», qar», wotjtj». Ein erstarrter Dat. Sing,
erscheint in den festen Wendungen fn harts » von Herzen, ts
harte» zu Herzen.
§ 125. Bei Neutralen, welche im Singular auf -»>■ aus-
gehen, kommt, vereinzelt ein Plural auf -», also -»r», vor,
der jedesfalls nach dem Muster der schwachen Substantive
gebildet ist. Schon die Erhaltung der schwachen Deklination
bei den vier genannten Wörtern zeigt, dass die aus ihr ge-
bildeten Formen (oug, oug») lebenskräftig genug waren, andere
Wörter in Analogie zu ziehen. fen&tar Plur .fenitar und fenitar»
Fenster, lu»d»r Plur. lu»d»r» Luder, fu»d»r Plur. fuadar und
fu»d»r » Fuder, mössar Plur. möasar und mössar» Messer, aitar
Plur. aitar, aitar» Euter, wöttar Plur. wöttar und wöttar» Wetter;
wqssar Plur. mit Umlaut wasaar, selten tcassar»; es ist nahe
liegend zur Erklärung des Umlauts die /»-Ableitung gu-atsar
Gewässer Sg. und Plur., heranzuzieheu. Nie tritt diese Plural-
bildung auf -» ein bei Iqstar Sing, und Plur. Laster, löigar
Lagerplatz des Viehes (mhd. leger), toundar Wunder , fuatar
Futter, k/Urftar Klafter, kywqdar viereckiges Gartenbeet (aus
latein. quudr-). jqr Jahr, hat im Plur. jur und jqra, dies
besonders gerne im Dativ.
§ 126. Von den mehrsilbigen Neutren anderer Art
bilden die auf -niss eine Gruppe. Sie haben im Plural neben
der Form des Singulars auch die Bildung auf -ar. kfetpiis
Gefängnis, kfennis und kfeijnissar, teoigtji» Zeugnis, tsaigijis
und tsaigt}iss»r, hintarnis Hindernis, hintamis und hintarn iss»r,
glai/nis Gleichnis, glaiynis und glaiynissar, örgernis Ärgernis,
Digitized by Google
143
brgarnis und örgdrnissdr, trögyis Wagnis, i cggiji» und wi>g-
giss9r, k/v'mnis Geheimnis, k/üämnis und k/n'miniss»r u. a.
lb{ Plur. Tbl "Obel, toub\t Plur. toub\t Tobel (nihd. tobel),
ksittdl Singular und Plural ksimll. Femdwörter nehmen im
Plural gewöhnlich -ar an. puyanet Bajonnet. payanet und
payatiBtar, imrtrct Porträt, purtretdr, initrument Instrument,
inStruinentor, pergdment selten pirment Pergament, Urkunde
pergdmentar Urkunden, eidment Element, el»ment»r.
Anm. Dos Xeutr zeigt in den urkundlichen Belegen fiberall
npokopierte Formen, nur der Dat. Plur. hat immer eti, n. 1448 ist der
Acc. Plur. rechte (1) neben recht (1 ) erbrecht (6) belegt. Plur. auf er
kommen vor y fiter, gütern oft, kitider, hindern, ayr 1471; durchwegs
auf -er bildet den Plural stugh ( stügher ). Der Gen Sing, hat -s.
Zur L’ber sicht.
§ 127. Vom gegenwärtigen Standpunkt aus besitzt
die Ma. folgende Pluralbildungen.
A. Für das männliche Geschlecht.
I. Der Plural ist vom Singular verschieden:
1) durch den Umlaut, 2) durch das Suffix -s,
3) durch das Suffix -dr.
II. Der Plural ist dem Singular gleich.
B. Für das weibliche Geschlecht.
I. Der Plural ist vom Singular verschieden:
1) durch den Umlaut, 2) durch das Suffix -a be-
ziehungsweise -na.
II. Der Plural ist dem Singular gleich.
C. Für das sächliche Geschlecht.
I. Der Plural ist vom Singular verschieden:
1) durch das Suffix -ar, mit dem sich der Um-
laut verbindet, 2) durch das Suffix -a.
II. Der Plural ist dem Singular gleich.
§ 128. Als Anhang zur Behandlung der Substantiv-
deklination sei ein Verzeichnis jener Wörter gegeben, welche
in der Mundart ein anderes Geschlecht haben als im Nhd.
beziehungsweise im Mhd. Ahd. Durchwegs männlich sind
Digitized by Google
144
kyröss Kresse, utjgunst Ungunst, hair»t Heirat, rqts Hatte
(mhd. ratze mask. Bildung >. snök Schnecke, suepf Schnepfe,
paihj Beil, srauf» Schraube, spits Spitze, ylots Glatze (mask.
Adjektive substantiviert), trouf Traufe, ttnn» Tenne, fo'un»
Fahne, tsqah» Zehn, da um» Daumen, tswifl Zwiebel, furm
Form, luiks» Leuchse, plu»§t Blüte. Knospe, lary Lärche,
(tätig ist ebenfalls männlich, vgl. latein. larix, radix), putt»r
Butter, hak» * Fuss (mhd. hehse latein. coxa), gät»r Gatter,
politir Polster, tsdh»r Zähre, öih»r Ähre; häiröky Heuschrecke,
spuel» Spule. Immer sächlich sind talhr Teller, ök Ecke.
kyoul Kohle.
Doppeltes Geschlecht haben: hu»st» Husten, gams
Gemse, tauf Taufe, traup» Traube, gtrqlt Gewalt, flqay Floh,
iqas Schoss, lu ft Luft, wolky » Wolke, höir»daks Eidechse,
tqts» Tatze (vgl. oben tscah», haks», die mhd. Feminina sind);
diese haben das männliche und weibliche Geschlecht. Männ-
lich und sächlich sind : loub Lob, holniig Honig (die Neben-
form hemig ist nur sächlich), mouturt Monat, tswuig Zweig.
Weiblich und sächlich ist gxyt Gicht.
Digitized by Google
II. DAS ADJEKTIV.
§ 129. Von den Kasus sind Nom. Dat. Acc. vorhanden.
Der Gen. wird durch /« von, mit dem Dat. umschrieben.
Die Flexion des Singulars ist heute eine zweifache. Ist das
Adjektiv mit dem bestimmten Artikel verbunden (substan-
tivisch und attributivisch), so hat sie folgende Gestalt.
raiy reich.
Mask.
Fern.
Neutr.
Nom.
dir raiy
t raiy
s raix
Dat.
in raiy?
dar raiy
in raiy d
Acc.
da raiy?
t raiy
s raix
Im Mhd. wird in dieser Fügung regelmässig die schwache
Form verwendet (Weinhold, mhd. Gr.‘ J § 523). Das Mask.
und Neutr. lassen sich ohne Schwierigkeit auf schwache
Formen zuriickführen ( der das riehe, dem den riehen ; aus-
lautendes -e ist geschwunden, -eu zu -o geworden.). Beim
Fern, entspricht nur der Nom. der mhd. Form (diu riehe);
der Dat. und Acc. sind analogisch gebildet. Zuerst muss
der Acc. sich dem Nom. angeschlossen haben, vergleiche im
Nhd. den Acc. „die reiche“ mhd. die riehen. Beide Kasus
haben dann auf den Dat. eingewirkt. Einfluss von Seite
der starken Substantivdeklination des Fern, ist wohl aus-
geschlossen.
Die zweite Art der mundartlichen Adjektivflexion wird
verwendet, wenn das Adjektiv mit dem unbestimmten Ar-
tikel verbunden wird (substantivisch und attributivisch)
oder mit dem Possessiv.
Schatz . Die Mumlart von Imst.
10
146
Mask. Fern. Neutr.
Nom. a raiyar 3 raiya a raiys
Dat. in an raiy » in arg raiya in an raiya
Acc. an raiya a raiya a raiys
Der Nom. entspricht den flektierten starken Formen
des Mhd., ebenso der Dat. Acc. des Mask. Neutr. (-em wurde
wie -m zu -a). Sollen beim Fein, der Dat. Acc. aus den
starken Formen (mhd. richer, riche) erklärt werden, so ist
man zur Annahme gezwungen, dass der Acc. sich an den
Nom. angeschlossen hat und beide Kasus den Dat. sich
gleich gestaltet haben, dessen -er zn Gunsten des heutigen
-a verdrängt wurde. Einfacher gestaltet sich die Erklärung,
wenn auch für unseie Mundart der mhd. Gebrauch voraus-
gesetzt werden darf, dass im Gen. Dat. in der Verbindung
mit dem unbestimmten Artikel neben den starken Formen
die schwachen verwendet werden konnten (Weinhold, a. a.
0. § 521). Das Nhd. .einer reichen“ ist in dieser Weise
zu erklären.
Der Gebrauch des Adjektivs als Attribut ohne Artikel
ist nur teilweise erhalten; durchwegs nur der Nom., der
syntaktisch als Vokativ fungiert. Vgl. du qrmar ments du
armer Mensch, kyluanar Kleiner, o grqassa malt o grosse
Welt, swqrtsa (du) Schwarze, liaps kyind liebes Kind. Von
obliquen Kasus mit dieser Konstruktion sind nur einige er-
starrte Wendungen erhalten; sie zeigen die starke Adjektiv-
flexion. tunmar weis dummer Weise, slauhar — , guatwilligar
wais schlauer, gutwilliger Weise. Es sind Genetive; sie
kommen nur in der Verbindung mit wais vor. Starke Da-
tive sind von den Fern, mia Mühe, qrwat Arbeit, in Gebrauch:
mit filar — , grqassar — . hqrtar mia mit vieler, grosser, harter
Mühe; pai hqrtar qrwat bei harter Arbeit. Sonst: pai guatar,
rauhar, sleytar wittaruq bei gutem, rauhem, schlechtem
Wetter; mit waissar fqrb mit weisser Farbe, pai sleytar kyost
bei schlechter Kost. Individuell mag noch die eine oder andere
Verbindung dieser Art gebraucht werden, aber nur bei
wenigen. Die s. g. unflektierte Form bewahren noch die
Wendungen ileyt — , guet — , rauy — , sia wöttar, schlecht,
gut(es), rauh(es), schön Wetter; oj guat glicky auf gut
147
Glück. Vom Mask. kommt nur guot, sleyt wöig gut(er),
schlechter) Weg, vor.
Der Plural endigt beim Adjektiv beute auf -o, rat/#,
in allen Kasus der drei Geschlechter. Es ist dies die Form
der schwachen Flexion (mhd. -cm). Beim zweiten Paradigma
ist die starke Pluralflexion verdrängt worden. Erleichtert
wurde die analogische Bildung der heutigen Verhältnisse
durch den Dativ (mhd. riehen wurde zu raiyo) sowie durch
den Nom. Acc. des Neutr., dessen -in zu -o geworden ist;
in zweiter Linie durch die Gleichförmigkeit des schwachen
Flurais, dessen -en überall als -o auftritt.
Im prädikativen Gebrauch des Adjektivs kann für
alle Geschlechter in allen Kasus des Sing, und Plur. neben
der (unflektierten) einfachen Form, raiy, eine auf -or, raiyor,
angewendet werden. Wahrscheinlich ist die flektierte Form
des Nom. Sing. Mask. (mhd, richer) die Grundlage für diesen
Gebrauch; vielleicht hat auch der Gen. Sing. Fern, zur Ver-
allgemeinerung beigetragen, indem das wais in Wendungen
wie kyrogkyor wais, guotor wais kranker, guter Weise, und
ähnlichen wegtiel und der Gen. des Adjektivs erstarrte.
Vgl. or i st kyronky/r fnrt und ksuntor kyemnio, er ist krank
fort und gesund gekommen, si hqwf Iqyyotor tsuo ksaukt,
sie haben lachend zugesehen (geschaut), si sai gwqksnor
kStqrwo sie sei erwachsen gestorben, or hqts kyqltor gosst
er hat es kalt gegessen, s gros grmior mdijo das „grüne
Gras“ mähen.
§ 130. Die Flexion des Pronominaladjektivs t/a (mhd.
ein) hat sich in der Mundart in vierfacher Weise ausge-
staltet. 1. Es ist mit dem bestimmten Artikel verbunden
(als Substantiv und Adjektiv); seine Flexion in dieser
Stellung deckt sich mit der des Adjektivs.
Mase.
Fern.
Neutr.
Nom.
dor uh
t HO
s uo
Dat.
in u'ono
dtr uo
in ihno
Acc.
thn u'ono
t. m
s UO
Flur.
N. t ihn»
D. ihn u'ono
A. t u'ono.
Seine Bedeutung in dieser Verwendung ist : ‘der eine,
der andere’.
10 *
Digitized by Google
148
2. Es ist substantivisch als Zahlwort und Pronomen
gebraucht (ohne Artikel).
Mask.
Fern.
Neutr.
Nom.
U9r
imid
iws
Dat.
ulm
udrd
um
Acc.
uvn
U9M
U9S
Diese Formen entsprechen der starken Flexion des Mhd.:
einer, eini'u, eines. Der Dat. Acc. üan sind auf Formen mit
langem Nasal zurückzuführen, da heute n im Auslaut steht;
früheres eineme, einen über einm, einn zu der heutigen Form
mit Lenis. Daneben ist eine Form uam, in schwachtoniger
Stellung um, vorhanden, welche als Dat. und Acc. verwendet
wird und die Funktion eines verallgemeinernden Pronomens
hat, mit dem der Sprechende immer sich selbst meint. Vgl.
du mua&t um it gwqlt öUtiä, du musst mir nicht Gewalt an-
tun, st tarffa n u9tn m ohröida, sie dürfen mich schon an-
reden. Der Dat. Fern, ultra hat sein -» (mhd. einer konnte
nur zu tiar werden) in Analogie zum Nom. uana angenommen,
der auch den Acc. beeinflusst hat; für mhd. eine wäre «ä
zu erwarten. Im Fern, ist also wie beim Adjektiv für alle
Kasus eine einheitliche Form hergestellt worden.
3. Es steht attributiviscli als Zahlwort.
Mask.
Fern.
Neutr.
Nom.
tW
iw
iw
Dat.
(tw) um
iwr
um
Acc.
tfon
tif)
U9
Der Nom. geht auf die s. g. unflektierten Formen zu-
rück, der Dat. Acc. tan sind wie in 2. zu beurteilen; die
Formen des Fern, sind normal entwickelt, aus mhd. einer,
eine konnte nur iiar, ult werden.
4. In seiner Verwendung als unbestimmter Artikel
zeigt es die in der schwachtonigen Stellung entwickelten
Formen; die erweiterten des Dat. und Acc. sind sekundär
entstanden auf Grundlage
der einsilbigen.
Mask.
Fern.
Neutr.
Nom. »
9
9
an, anan, nan
ara
an, anan, i
an, anan, nan
a, ana na
a, ana, na
Digitized by Google
149
Die einsilbigen Formen decken sich mit Abschwächung
des Diphthongs zu » mit denen von 3; die zweisilbigen sind
aus der Verbindung des unbestimmten Artikels mit Prä-
positionen hervorgegangen. Den Ausgangspunkt bildete die
Präposition nöiw» neben. Vor vokalischem Anlaut stellt
sich nach dem » das n ein. Aus einem Dat. nöiw» n»n
stu» neben einem Steine, wurde mechanisch ndn als Dat.
des unbestimmten Artikels nach andern Präpositionen ver-
wendet: hintdrndn poum hintereinem Baum, untersten k/qrb,
unter einem Korbe, iwdrndn pröit über einem Brette. Nach
nöiu&Mtt haben sich weitere Verbindungen einsilbiger Prä-
positionen gebildet wie fqar dndn vor einem, pai dndn bei
einem ; neben diesen erweiterten Formen wird die einfache
9)i gebraucht, fqar m vor einem, tsud dn zu einem, hinter
an hinter einem, unter d n unter einem, »non trat auch an
zweisilbige Präpositionen, so dass wir heute drei Fügungen
besitzen : hinter dn, hinter ndn, hinter dndn. Dem Ineinander*
greifen dieser Fügungen ist es zu verdanken, dass die Prä-
position nöiw» auch einsilbig als nöiw, vor stimmlosen Kon-
sonanten als nöp, auftritt, ebenso göigd gegen, auch als
göig, gök: nöiw» mter, nöib mdr neben mir, nöiw» dter, nöiw»
iter, nöp t»r neben dir, göig » t lait gegen die Leute, gök ter
k/irxd gegenüber der Kirche (gegen die Kirche hin). Seltener
ist ndn nach einsilbigen Präpositionen: in nen stqll in einem
(einen) Stall, auf ndn haus auf einem Haus. Die Formen
dnd, nd des Acc. Fern. Neutr. erklären sich in gleicher Weise.
nöiw» nd kyiäte neben eine Kiste, hinter n» wont hinter eine
Wand, unter dnd plqtte unter eine Platte; gleichwertig sind
hinter d , unter ». fqar » bitte vor eine Hütte, fir » kyu»
für eine Kuh, daneben fqar dnd, fir dnd, selten bei einsilbigen
Präpositionen nd, fqar nd. in » haus in ein Haus, hintern d
glasld hinter ein Gläschen, fir dnd dqy für ein Dach, nöitcd
nd loy neben ein Loch. Der Dat. Fern, könnte in regel-
mässiger Entwickelung nur zu dr geworden sein; »r», das
ausschliesslich vorkommt, ist in Analogie zum zweisilbigen
Acc. dnd gebildet; rd ist theoretisch zu fordern aber nach
Konsonanten nach den heutigen Artikulationsverhältnissen
nicht möglich (vgl. § 57). Dass die Herleitung dieser zwei-
Digitized by Google
150
silbigen Formen aus einer Kombination der zweisilbigen
Präpositionen mit den einsilbigen Kasus des unbestimmten
Artikels und der analogen Weiterbildung daraus das richtige
trifft, erweist der Umstand, dass die zweisilbigen Artikel-
formen nur in der Verbindung mit Präpositionen verwendet
werden; der Dat. kommt überhaupt nicht ohne Präposition
vor — wo man den einfachen Artikel erwarten würde,
steht die Präposition in : in an pua einem Buben, in ara
swöstar einer Schwester, in an waib einem Weibe (darüber
s. u. § 144).
Das Pronominaladjektiv kyiia kein, flektiert wie u't 8
als Adjektiv, kyu.tr keiner, wie tär 2 als Substantiv.
Mask.
Fern.
Neutr.
Nom.
kyiia
kyiia
kyiit
Dat.
kytian
kyuar
kyuan
Acc.
kyv'an
kyiia
kyiia
Plur. kyiia na
Nom.
kyuar
kyitana
kyüas
Dat.
kyuan
kyiiara
kyuan
Acc.
kyuan
kyitana
kyuas
PI ur. kymna
§131. Wie ruiy werden sämtliche Adjektive flektiert,
wobei die lautliche Gestaltung des Wortes keinen Ertrag
tut. Die jo-Stämme haben den im Mhd. als e erscheinenden
Vokal verloren und sind nur mehr am Umlaut bezw. an
der Konsonantendehnung als solche zu erkennen, soweit
das j überhaupt eine Wirknng hinterlassen hat. Auch die
wo- (und w-) Stämme decken sich mit den o-Stämmen. Die
Flexion der Partizipien ist dieselbe wie die des Adjektivs.
Die des Präsens endigen auf -at (aus ent), die des Präteritums
auf -a (aus -en) und -t, -at. Iqyyat lachend, wQksat wachsend;
gllha geliehen, das im Auslaut geschwundene n ist in den
inlautenden Formen bewahrt: glihnar geliehener, da glihna
den geliehenen; kslqga geschlagen, kSlqgga geschlagene.
In derselben Weise zeigen die Adjektive auf -a (mhd. -en)
im Inlaut das « : trukya trocken, trukynar trockner, off» offen,
off na offenen. Schwache Partizipien : tsöilt gezählt, tsöilta
gezählte; kyöftat geheftet, kyöj tatar gehefteter.
Digitized by Google
151
§ 132. Die Bildung des Komparativs erfolgt heute
durch das Suffix -9 r , rai/»r; bei den umlautfähigen tritt
meistens der Umlaut ein, der, ursprünglich durch das Suffix
-ir hervorgerufen, sich zum Komparativ- und Superlativ-
bildungsprinzip entwickelt hat.
Der Superlativ hat das Suffix -st, rui/ßt. Sein Stamm-
vokal ist derselbe wie der des Komparativs; wo dieser den
Vokal des Positivs urnlautet, hat auch jener den Umlaut.
Die Flexion des Komparativs ist von der des Positivs nicht
verschieden, der Superlativ erscheint nur mit dem bestimmten
Artikel verbunden.
Mask.
Fern.
Neutr.
Nom.
d»r rai/9r
t rai/9r
s rai/3r
Dat.
in rai/srs
dgr rai/9r
in rai/»r9
Acc.
dd rat/itr»
t rui/9r
s rai/»r
Plur.
t rai/9r»
Nom.
9 rai/9r»r
» rai/»r9
9 raiysrs
Dat.
in 9ii rai/9r»
in 9rd rai/3r9
in an raiyßr»
Acc.
9n rai/»r»
» rai/ßrd
3 rai/3rs
Plur.
rai/9r»
d»r rui/ßt
t rai/ßt
s rui/ßt
in rai/ßt»
d3r rai/st
in rai/ßt*
d» rai/ßt»
t rai/st
s rui/ßt
Plur. / rai/stn.
Die Adverbien des Positivs und Komparativs stimmen
mit der nicht flektierten Form überein; auch der Stamm-
vokal ist derselbe. N ur / qst fast, und su'i, schwachtonig s«,
sw schon, zeigen die alte Form. Sie haben sich der Be-
deutung nach vom Adjektiv isoliert wie im Nhd.
Erhaltene Reste der mhd. Adverbien auf -liehen zeigen
gdiigs 'jählings’, allmählich, mhd. gaehelichen, glai/lig », gleich-
lieb ; darnach gebildet scheint das vereinzelt gebrauchte
tetmigj wenig. Das Adverb des Superlativs ist dem Nhd.
gleich an, 9n, in rai/it» am reichsten, dn ksaid»st» am ge-
gescheitesten, in wßniksts am wenigsten.
§ 133. Die umlautfähigen, im Komparativ und Super-
lativ umlautenden Adjektive der Mundart sind; swq/ schwach,
Digitized by Google
152
Komp, swöyyar, Sup. swöyst; stqry stark, störyar, störyst ;
qry arg, örgar, örkst ; qrm arm, örmar, ärmst; wqrm warm,
w örmar, wärmst; gqrf scharf, görffiar, sörfst; smql schmal,
smöilar, smöilst; loytj lang, lenyar, leyyst (lenkst) : pony bang,
petjtjar, peykst; tso'utn zahm, tseimar , tseimst ; löinn lahm,
lelmar, leimst ; olt alt, öltar, öltast ; kyqlt kalt, kyöltar, kyöltast;
mqt matt, möttar, möttast ; glqt glatt-, glöttar, glöttagt; sqt
satt, söttar, söttast; nqss nass, nossar, nössagt; plqss blass,
plössar, plössast; swqrts schwarz, swörtsar, swörtsast; qltg
falsch, f ölt gar, f ölt sagt; yrqd gerade, gröidar, gröidast (Vgl.
S. 68).
Dass sich der U mlaut’analogisch weiter ausdehnte, zeigen
p/qb blau, plöiuar, plöipst; grqb grau, gröiwar, gröipst (mhd.
blute-, grau -) ; nqha nahe, nüihnar, nöihna&t und nahnar, nähnagt
toll tüchtig, töllar, tölst; f oll voll, f Öllar, fölst; yroub grob,
gröiwar, gröipst; noub\ nobel, nöiblar, nöiblst; teolf ] wohlfeil,
wölflar, wöljlst. kyurts kurz, kyirtsar, kyirtsait; ksunt gesund,
ksintar, ksintast ; runt rund, rintar, rintagt,; tum dumm, timmar,
timgt; kyrump krumm, kyrimpar; junn jung, jiyyar, jiijkgt;
trukya trocken, trikynar , trikynast; kylnag fein, kyliagar,
kyliakst ; gnuag genug, gyiagar; rqat rot, rqatar, rqatast; nqat
(nur prädikativ gebraucht, sieh Lexer II. 103) nötig, »s hqt
nqat es ist nötig, hat not, miar tnats nqatar ich kann es eher
brauchen; rqay roh, rqahar, rqayst ; hqay hoch, hqahar, h/ayst,
frqa froh , frqaar, frqast; grqas gross, grqmsar, grqagt (frühe
Synkope). Analogische Umlautbildung zeigen deutlich fol-
gende: hqakl heikel, hqaklar, hqaklgt; prqat breit, prqatar,
prqatast; hqas heiss, hqassar, hqassast; wqoy weich, tcqoyar,
wqaygt; plqay bleich, plqayar, plqayst. Sie schlossen sich
den Adjektiven an, deren qa sich aus 5 entwickelt hat.
rauy rauh, raihar, raiyst; saur sauer, sairar, soirst; faul,
faul, failar, failst ; slauy schlau, slaihar, glaiygt; sauwar sauber,
saitcarar, saiwarst ; selbst zum alten /o-Stamme luk locker,
kann ein Komparativ likkar, ein Superlativ likst gebildet
werden. Es ist zu beachten, dass zu allen Adjektiven
neben der umgelauteten Stammform im Komparativ und
und Superlativ vereinzelt auch die nicht umgelautete, also
die des Positivs vorkommt.
\
Digitized by Google
153
Nie tritt der Umlaut ein bei kylqr klar, kylqrer, kylQrSt.
1t oy flach, flqyyer selten flöyyer, ftqyßt und Jlöyst. Die Ad-
jektive mit betonter Nebensilbe haben den Vokal des Posi-
tivs auch im Komp. Superl. nqrret närrisch (mhd. tiarreht),
nqrreter, nqrretst ; qrtig artig, Qrtigar, qrtikst ; fqrtoig farbig,
fqrwiger , fqrwikst ; strqfpqr strafbar, strqfpqrer, strqfpqrst;
nqrhqft nahrhaft, nQrhofter, nQrhqftest; Sqdhqft schadhaft,
iqdhqfter, SqdhqfteSt ; die auf -som können auch Umlauten:
hqalsom heilsam, hqalsomer, hqahomst seltener hqalsemer,
hqalsemSt; SpQrsom sparsam, SpQrsomer, spqrsomit, vereinzelt
spqrsemSt; lonksum langsam, loijksomer, lotjksemer, lenksonier,
leijksemer, lonksomst, lonksemst. leyksomst, lerfksemst.
Der Vokal der Komparativ- (und Superlativ-) Endung
war einst synkopiert worden ; das beweisen folgende Doppel-
formen: kylu't klein, kylwmer, kylvaner und kylvodor, kylüddr,
kylubst, kyliäst ; die d stammen aus einer einstigen Laut-
folge nr (vgl. § 72). prah braun, prätn9r, prdidsr, prdist ;
/de fein, fätder, fainer, fdist ; sia schön, Sfanar, Stader, gibst;
grib grün, qr&nar, gr fader, griaSt.
§ 134. Isolierte Komparative und Superlative sind :
ouwer ober, ouwerät und öiwarSt; unter unter, unterst; die
Annahme, dass outeerit, unterst sowie die Komparative als
mit den Suffixen ahd. or, ost gebildet für unsere Mundart
vorausgesetzt werden dürfen, wird durch den Mangel des
Umlautes befestigt, pösser besser, pöSt beste, zu guet; Adverb.
mi), mr.arar mehr, mquSt meiste (mhd. mt, mir er, meiste),
ein erweiterter Superlativ zum Komp, tnqarer ist mqarikSt;
zu mm wird mieit gebildet. Zu fil viel, auch fiter, fÜSt;
zu wtanig wenig, mbnigar, wfbnikSt und minder, mindest; zu
lots (mhd. letze) schlecht, übel daran, lötser, lötseSt, daneben
ein Superlativ löst mit isolierter Bedeutung ‘der letzte’.
Digitized by Google
III. DAS PRONOMEN.
§ 135. Mlid. ich tritt in betonter Stellung als * auf,
sehwachtonig in pro- und enklitischer Stellung als i. in
letzterer auch als ig. ig hat sich aus ich gebildet wie das
Adjektivsuffix mhd. -lieh heute zu lig geworden ist (§ 75);
wie aus altem vrilich frailig, so aus Fügungen wie bin ich,
sag ich unser pinnig, sQgig. Schwund des Konsonanten konnte
nur in sehwaehtoniger Stellung eintreten, zunächst in Fü-
gungen wie <l<l pinn i gcare da bin ich gerne, i ggci it ich
gehe nicht Dom hochtonigen ich ist der Konsonant durch
Einwirkung des unbetonten i verloren gegangen. Die Formen
des Aec. ml, mi, mig sind genau in gleicher Weise zu be-
urteilen.
Der Gen., der nur in der Verbindung mit der Prä-
position wöig» wegen, vorkommt, lautet mäinsr, maiddr , zeigt
also eine erweiterte Form. Das -er (er) ist vom starken
Femininum des Adjektivs übertragen worden; das d in der
Nebenform minder wird durch mhd. minre (Weinhold mhd.
Gr. 2 § 471) erklärt.
Der Dat. ist mi»r in betonter, m»r in unbetonter Stel-
lung, also normal entwickelt.
Der Plural: Im Nom. ist mm- und in er allein gebraucht;
über m für w vgl. § 63. Der Gen., mhd. unser, wird nur
in der Verbindung mit wöig» wegen, verwendet und in der
Fügung mit mr, einer; wöig» n ins»r, inner üdr unser einer.
i ist aus h umgelautet; ursprünglich kam der Umlaut des
u zu ü nur dem Acc. (ahd. misili) zu, er hat sich über alle
Digitized by Google
155
Formen des Stammes uns ausgedeht. Dat. Ace. lauten ins
(vgl. das Possessiv ins»r).
§ 136. Mbd. du. Es erscheint als du in starktoniger,
als du, d» in schwachtoniger Stellung. Von dem gedehnten
ahd. mild, du ist keine Spur vorhanden. Die schwächste
Form t mit Schwund des Vokals wird noch in dem t der
zweiten Person Sing, des Verbs gefühlt: löpSt lebst du.
du löpS du lebst, aber auch (du) löpät. Nur bei der zweiten
Person kann das pronominale Subjekt fehlen ; die alte Satz-
fügung mit dem enklitischen Anschluss des schwachtonigen
Pronomens, der das st der deutschen Konjugation in der
zweiten Person erzeugt hat, ist also noch lebendig, du ist
proklitisch, d» enklitisch: dü pi§S»s du bist es, du musst
folys du musst folgen, i ei» d» teilst wie du willst.
Der Gen. (mhd. dm) lautet dalnsr, ist also zu beur-
teilen wie mainsr. Der Dat. zeigt die Formen di»r, dar,
der Acc. di, di, dig; für sie gilt das über den Dat. Acc.
der ersten Person bemerkte.
Im Plural fehlen die mhd. Pluralformen ir u. s. w.
gänzlich ; dafür sind öis ihr, eitky»r euer, etiky Dat. und Acc.
euch, gebraucht. Zu öis (älter bair. fy) lautet die schwach-
tonige Form ös, »s; an die zweite Person Plur. des Verbums
ist s suffigiert und mit t zu ts verschmolzen, so dass neben
einander z. B. ös howHx und ös hqwst ihr habt, hömt öis
und hqwsts öis verwendet werden.
§ 137. Das Reflexivum. Der Gen. mhd. sin zeigt sich
in erweiterter Form xalnsr, sa'tdsr und fungiert nur als Gen.
des geschleehtigen Pronomens der dritten Person, im gleichen
Umfange wie die Gen. der Pronomina der ersten und zweiten
Person. Der mhd. Acc. sich hat die Form sig und wird
nur schwachtonig in der Enklise gebraucht; sig ist das
Reflexiv für den Dat. und Acc. des Sing, und Plur.
§ 138. Mhd. er. Der Nom. hat sich in starktoniger
Stellung zu rar, in schwachtoniger zu »r entwickelt. Der
alte Gen. es ist nicht erhalten. Der Dat. im, mhd. im, wird
immer starktonig verwendet; in unbetonter Stellung er-
scheint er als y, nach Vokalen n, aber nur enklitisch, im
Digitized by Google
158
tn»ts ni/t ihm tut es nichts, »r hot n dir-)/- göiw » er hat
ihm aber gegeben, H laih»n s galt sie leihen ihm das Gold ;
wo dieser Dat., der auch als Reflexiv gebraucht wird, (wie
im Mhd. Ahd.), vor dem Verbum steht, ist immer ein starker
Ton damit verbunden. Die auslautende Nasalis erscheint
also hier wir beim Dat. Acc. der Formen von mhd. ein in
der Mundart als Charakteristikum dieser Kasus. Ganz gleich
sind diese Verhältnisse im Acc. dieses Pronomens: in in
starktoniger, > e i, n in nebentoniger Stellung, in tcqart in»
mu*n» ihn wird man meinen, »s hqt \i glai% troff» es hat
ihn gleich getroffen, tn»r $lqg»n wir schlagen ihn. Nur
wenn der Dat. und Acc. in schwachtoniger Stellung ver-
bunden erscheinen, zeigt sich bei beiden eine regelmässig
entwickelte Form »n», aus im, in über enen: m» gait »n»
man gibt ihm ihn. Dass in »n» der Dativ an erster Stelle
steht, möchte man aus Verbindungen wie gib m»r \i
gib mir ihn, i tu» d»r n ich tue dir ihn, und analogen
schliessen.
§ 139. Mhd. si tritt im Nom. als sl in betonter, si in
schwachtoniger, s » in enklitischer Stellung auf. Schwund
des Vokals kommt nie vor. Der Dat. mhd. ir (ire) lautet
i»r», in der Enklise »r»; es liegt hier — an Erhaltung des
ahd. u als » ist nicht zu denken — eine Erweiterung durch
die schwache Adjektivendung -en vor, die wohl durch das
Fern, des Possessivs vermittelt wurde, ln der Verbindung
mit ic'öig», U'öigm i»r » und wüig»r», kann ebenso ein Dativ
wie ein Gen. vorliegen. Der Acc. ist ganz dem Nom. gleich:
si, si, s». Von den alten Doppelformen dieses Pronomens,
mhd. st«, si, sie ist in der Mundart keine Spur nach-
zuweisen.
§ 140. Mhd. 8z. Der Nom. und Acc. werden heute
nur schwachtonig gebraucht: »s und enklitisch s, der Acc.
nur s. »s niQ/t sig es macht sich; toi» tusts wie tut es;
wqar gaits wer gibt es; nur nach s, S des Verbums wird
im Acc. auch »s gebraucht, i wqass»s ich weiss es, gegen
* k/oufs ich kaufe es; iraSS »s wasche es, wa§8»ts waschet es.
Für den Dativ ist das schwaehtonige #, nach Vokalen n, also
dieselben Formen wie beim Mask., gebraucht; die starktonige
Digitized by Google
157
Form wird auch hier wie im Nom. und Acc. durch das
Substantiv ersetzt; das gleiche gilt für den neutralen
Plural.
§ 141. Der Plural des geschlechtigen Pronomens. Für
den Nom. Acc. gilt «», wo er betont ist, si in proklitiseher
und enklitischer, s» nur in letzterer Stellung, st höw» t iuld
sie haben die Schuld; hqw» si t iuld ? haben sie die Schuld?
si hqw»s sie haben es; tcqs kyentm» prauy »? was können
sie brauchen? Im Acc. ist das starktonige st für das Mask.
Fern, selten. Der Dativ lautet in», in», »n», dem nhd. ihnen’
entsprechend ; das zu Grunde liegende -en ist als schwache,
vom Adjektiv übernommene Kasusendung aufzufassen. Auch
im Plural haben die schwachtonigen Formen die starktonigen,
mhd. st, siu, sie, verdrängt gleich wie im Sing. Fern, und
beim Personalpronomen.
§ 142. Die Possessiva, mai mein, ddi dein, sdi sein,
i»r ihr (im Mhd. fehlend), ins»r unser, enkysr euer, flektieren
genau so wie d»r u» und u» (§ 130). Vgl. d»r ddi der
Deine, s ddi holts dein Holz und ddi hoUa, dair hitt » deiner
Hütte, i d»r ddi hitt » (in) deiner Hütte. i»r ist ebenso wie
im Nhd. für den Sing, und Plur. verwendet, si hqt i»r %i
hu»t sie hat ihren Hut, si göitc» sig mit i»nj, tsuig tsfrld»
sie geben sich mit ihrem Zeug zufrieden; i»rg kann in
beiden Fällen sowohl eine Einzahl als eine Mehrzahl von
Besitzenden vertreten.
Sehr häufig ist die meist mit dem bestimmten Artikel
verbunden auftretende Weiterbildung der Possessiva auf - ig :
mdtnig, ddinig, sämig, isrig, ins» rüg, etiky»rig. Selten steht
hier der unbestimmte Artikel.
§ 143. Mhd. der diu duz. Es hat sich in zweifacher
Weise entwickelt, 1. aus den betonten Formen 2. aus den
unbetonten. Die ersteren fungieren heute als Demonstrativ
und Helativ wie nhd. ‘der die das’, die letztem als bestimmter
Artikel. 1. Die Formen des Sing. Mask. sind: Nom. dqar;
Gen. nur in der Verbindnng mit wöig» als dösswöig»; Dat.
und Acc. dein. Syntaktisch sind beide Kasus geschieden,
den lautlichen Zusammenfall mag einerseits eine schwächer
betonte Dativform dem verursacht haben, andrerseits die
Digitized by Google
158
Dative der Formen von mhd. ein (u'm, an), von im (# w),
in welchen ja das auslautende n ebenso wie im Acc. in der
lebenden Mundart als Kasusendung gefühlt wird. Der Sing.
Fern, di» im Nom. und Acc. entspricht dem mhd. Acc. die;
vom Nom. diu ist keine Spur vorhanden, di» kann sehr
wohl im Satzgefüge vor einem folgenden a, e , o in ahd. Zeit
aus diu entstanden sein, Analogie zum Acc. ist ebenfalls
möglich. Der Dat. mhd. der erscheint als dear und dear »;
letzteres entspricht nhd. ‘deren’, dqar wird vor dem Sub-
stantiv gebraucht, also attributivisch, substantivisch nur als
Kelativum, wenn sich ihm ein enklitisches Wort anschliesst.
dqara kann nicht attributivisch stehen, dear hilf.» dieser
Hütte, sqg dear» sage der, dear » mqg numat öppe» ‘der mag
niemand etwas’, diese achtet niemand, dear m»s furt hqt
der man es fort hat. Der Gen. ist in attributiver Verwendung
als d-ß,ra vorhanden : »s sal dqar» k/Jnd»r es sind die Kinder
‘dieser Frau’, i dear» lait tu»ts ni/t deren Leuten (den
Leuten dieser Frau) tut es nichts; als Relativ: dear» haus
»r görpt hqt deren Haus er geerbt hat; Der Nom. Acc.
Neutr. lautet döis, entsprechend dem mhd. dez, das sich in
der Stellung vor i im Satze entwickelt hat — duz ist zu dez
ist, das sehwaehtonige daz ist zeigt sich schon im Ahd. als
deist. Der Dat. dein ist zu beurteilen wie beim Mask. Der
Plural lautet für alle drei Geschlechter gleich. Nom. di»
ebenso der Acc.; das Neutr. mhd. diu ist verloren ge-
gangen. Als Gen. erscheint dear» in der gleichen Ver-
wendung wie bei Sing. Fern, qlh lait, dqar» galt alle Leute,
deren Geld. Der Dat. dein » zeigt eine erweiterte Form.
§ 144. Der Entwicklung unter schwachem Accent ent-
sprechen die Formen des bestimmten Artikels. Mask. Nom.
dar, Gen. s, Dat. in, n, n, Acc. d», in. Über die Ver-
wendung des Gen. vgl. § 85. Der Schwund des anlauten-
den d ist aus der Stellung im Satze zu erklären ; frühe
Gelege bietet Weinhold, bair. Gramm. S. 376. Die Form in
mit dem dem Dat. und Acc. eigenen n ist offenbar bezüglich
des V'okals durch die Präposition in, i in, beeinflusst; auf
lautlichem Wege ist die Entstehung des in aus dem voraus-
zusetzenden ein, en nicht denkbar. Der heute herrschende
Digitized by Google
159
mundartliche Sprachgebrauch, jeden Dat. mit der Präposition
in zu bilden, erklärt sich aus dieser Vermischung des Dat.
des Artikels mit der Präposition in. Vgl. in fqtar dem
Vater, i dar muatar neben dar muatar der Mutter, i dar kyirya
neben dar kyirya der Kirche, i da lait neben da lait den
Leuten, i da peim neben da peim den Bäumen; beim Ad-
jektiv: i dar raiy neben dar raiy der reichen, i da raiya
neben da raiya den reichen; beim unbestimmten Artikel
steht im Dat. immer in s. o. ; beim Possessiv: i dar tndi
neben dar nun der meinen, » da sdtna neben da so'ma den
seinen ; hier kann in nicht fehlen, wenn das Possessiv als
Attribut vor einem Substantiv steht: i mdm fqtar meinem
Vater, i mciir muatar meiner Mutter; selbst beim substan-
tivischen Pronomen i miar neben miar mir, i diar neben
diar dir, in etfky neben eijky euch, * weint und weint wem.
Steht in, i als Präposition, so lautet die Konstruktion genau
gleich: i dar kyirya in der Kirche, in etjky in euch u. s. w.
Die Formen p, n werden nach Präpositionen gebraucht.
auf p tiS auf dem Tisch, hin tarn parg hinter dem Berge,
fnant houf vor dem Hof, nöiwan ätual neben dem Stuhle,
fttn qkyar vom Acker, tsun oks zum Ochsen. In derselben
Weise werden %i, n beim Acc. verwendet. auf# wöig auf
den Weg, untarp pouda unter den Boden, göigan gqrta gegen
den Garten. Die dem Dat. eigene Neubildung mit in, i fehlt
dem Acc. gänzlich; es kann nur heisen: da fqtar und in fqtar
den Vater, nicht aber * da fqtar.
Der Nom. des Fern, ist t, also mit völligem Schwunde
des ursprünglichen Diphthongs; dass die Fortis t erscheint
für die zu erwartende Lenis d, erklärt sich aus der Stellung
des Artikels im Satze, t verbindet sich mit den folgenden
Konsonanten nach den Gesetzen der Mundart: t qlt die alte,
t honsa die Hose, t Iqg die Lage, t nqyt die Nacht, p muatar
die Mutter, tonna die Tanne, tiky die Dicke ( diky ), kqb die
Gabe (gqh), pfqrha die Föhre (fqrha), pfonna die Pfanne,
kyirya die Kirche. Der Acc. ist dem Nom. gleich: t. Der
Gen. lautet dar-, er kommt nur bei persönlichen Substantiven
vor (vgl. § 85). Der Dat. ist dem Gen. gleich: dar-, in Ver-
bindung mit vokalisch auslautenden Präpositionen zeigt sich
Digitized by Google
160
r analog dom $, n des Mask. pair bei der, tsur, tsuar zu
der, für von der, nöiwar neben der.
Der Nom. Ace. des Neutr. ist s. ebenso der Genitiv;
der Dat. ist dem des Mask. gleich, s qrwet» das Arbeiten,
s m ad las des Mädchens, in kyind dem Kinde, fqart} haus vor
dem Hause, unter n dqy unter dem Dache, nöiwan pöt neben
dem Bette.
Der Plural lautet im Nom. Acc. wie im Fern, t für
alle drei Geschlechter; der Dat. ist da (*' da) ; der Gen.
kommt fast nur in dem Ausdruck dar kyindar farmöiga der
Kinder Vermögen, vor.
§ 145. Mhd. diser fehlt der Mundart, ebenso das ein-
fache jener. Von diesem hat sich eine Spur in eihqlb (mhd.
enhalb) erhalten, doch hat es nicht mehr die Bedeutung ‘jen-
seits’ sondern ist zum Ortsnamen geworden, unter dem man
in Imst die Gegend über dem Inne, also Arzl, Imsterberg
versteht, ts eihqlb zu — , auf — auf — , fu — von — .
Als Kompositum ist erhalten dqarjeintg derjenige ; beide Be-
standteile werden flektiert, dqar wie das Demonstrativ,
j einig wie das Adjektiv in der Verbindung mit dem be-
stimmten Artikel, di» j einig diejenige, döisjeinig dasjenige,
Dat. (i) deinj einig», (i) dqarjeinig u. s. w.
Mhd. sölp erscheint als salw»r, salt; beide Formen sind
unflektierbar und können für alle drei Geschlechter ver-
wendet werden. Sie tragen immer einen Hauptton und be-
deuten selbst’, ctersall (mhd. derselbe) flektiert wie ein
schwaches Adjektiv; es bedeutet jener , t sali ‘dieselbe’, in
sali » ‘demselben', s sali ‘dasselbe’, t sali e ‘dieselben’ u. s. w.
‘jene, jenem, jenes, jene’.
Mhd. solch ist erhalten in » sölnar ein solcher, zu dem
auch eine erweiterte Form a sölnigar vorkommt. Beide
haben immer den unbestimmten Artikel bei sich und werden
wie das Adjektiv flektiert. Das « ist als Rest des ein ( söl -
Heiner zu ' sölhner zu sölnar ) : a sölna, a sölnigs eine solche,
ein solches, Plur. sölniga, sölna solche.
§ 146. Das alte Fragepronomen wer , waz ist relativ und
fragend gebraucht, wqar Neutr. wqs, wqss, schwachtonig wqs.
Dat. weitn in regelmässiger Entwicklung; seltener ist wein
Digitized by Google
161
mit dem charakteristischen n. Acc. wein. Das Nebeneinander
von weim und wein im Dat. hat ein analoges weint für den
Acc. hervorgerufen. * wqass it weim de gmuet hqSt, ich weiss
nicht, wen du gemeint hast, neben nein de gmuet hqst.
Gewöhnlich als Fragepronomen, seltener als Relativ,
wird verwendet: derwöii ‘welcher’. Es ist zusammengesetzt
aus dem Artikel und wöil (ahd. welih); beide werden flektiert.
Das einfache *wöil ‘welch’ fehlt. Die Erweiterung auf -ig:
derwöilig , die gleich wie derwöii flektiert, kommt nicht
häufig vor. Das nhd. ‘was für einer’ kennt die Mundart:
wqss firi&r; uer wird flektiert. Weiterbildungen dazu sind
wqssflrner (als Stamm davon gilt heute wqssftrn - . er ist
Flexionsendung), wqesfirniger (aus dem vorigen mit -ig ge-
bildet), wqssfiriger (nach wqssfhütr) ; sie haben immer den
unbestimmten Artikel vor sich, ihre Bedeutung ist die des
nhd. was für einer’. Ihre Flexion deckt sich mit der von
» rai/er.
§ 147. Teils Fragepronomen, teils unbestimmtes ist
derwöider ‘wer von zweien, der eine von beiden (ahd. wedar);
es hat immer den bestimmten Artikel vor sich und flektiert
wie das Adjektiv in dieser Stellung (Fern. Nom. t wöider,
Neutr. swöider).
Von Indefiniten kommen vor: der k/uetwöider ‘keiner
von beiden’, zusammengesetzt aus k/u'j kein, und dem ahd.
deweder-, der mtwöider ‘der eine von beiden, aus tie ein, und
ahd. deweder ; der ietwöider ‘jeder von beiden’, auch allge-
mein ‘jeder’ (mild, ietweder ) ; en ieder ‘jeder’ ist nur mit dem
unbestimmten Artikel verbunden in Gebrauch, -er ist heute
Flexionsendung. Fern, en iede ‘jede’, Neutr. en ieds ‘jedes’.
(Spät ahd. ioweder ; doch lässt sich ieder , ebenso wie nhd.
‘jeder’ als spätere Bildung ie-der, ie-diu auffassen). Jung
ist der ied ‘jeder’, Fern, t ied, Neutr. s ied. üpper ‘ctwer’ je-
mand, ist nicht flektierbar, das alte Neutr. üppes etwas,
ist erstarrt. meinet niemand, öttlige etliche; andere
fehlen.
Amn. Die urkundlichen Belege des Pronomens sohliessen sich
näher den mhd. Formen an: ich , mich, wir, uns, er, es, im, sy, ir; der
Dat. Plur. des geschlechtigen Pronomens erscheint als in, inn, 1473
Schatz, Die Mundart Ton Imst 11
Digitized by Google
162
in neben inen, später regelmässig inen. >Ihd. der zeigt als Artikel und
als Demonstrativ, Relativ die gleichen Formen: der, des, dem, den;
die, dy, der, der , die, dy; das, des; Flur, die, dy (y wird im Auslaut
für mlid. ie (ü r) geschrieben), der, den, die, dy. In den Formeln nach
dem egemelln landsrechien ist in den frühen Urkunden der Artikel
als dem belegt, sonst immer als den ( Dat. Flur.). Mhd. dis er ist im
Aco. Neutr. belegt ditzs, dizs, im Acc. Masc. disen brief. Das Possessiv
ir ist bereits für den Sing. Fern, und den Plur. gebraucht: mit Ir
arbait, Acc. ir phriind, iren erben, ir lebtag.
Digitized by Google
IV. DAS ZAHLWORT.
§ 148. Von den Grundzahlen hat nur ua 1, eine
Flexion (§ 130). tswqa 2, ist nicht flektierbar ; es entspricht
dem ahd. Neutr. zwei ; auch die Fern. Form zwo hätte zu
tswqa werden müssen. Vom alten Mask. zwene ist keine
Spur vorhanden. Die Zahlen 4 — 19 haben, wenn sie nicht
attributiv (vor einem Substantiv) stehen, eine Endung
die auf die alte Pluralendung des Neutr., -iw, zurückgeht.
Von 3 sind Doppelformen erhalten : drai mhd. dri und drui
mhd. Neutr. drin, letzteres nur von der Stundenzeit ge-
braucht, hqlwa drui halb drei, drui drei Uhr. fiar 4 und
fiara, z. B. wiaf\ sali? fiar kyraitsar — fiara. Wie viel sind
es? Vier Kreuzer — vier, fimf, fimfd 5; söks, süks» 6;
slwa, sibma 7; qht, qht» 8; nai, naina 9; tsöiha, tsöihna und
tsei, tsein a 10; die Formen ohne h sind jungen Ursprungs
und dürfen nicht mit Notkers zen in Verbindung gebracht
werden, elf , elf» 1 1 ; selten ist ualf, walfa ; tswölf, tswölfa
12; draitsel, draitsen 9 13; in den mit 10 zusammengesetzten
Zahlen ist die ältere Form tsöih », tsöihn » seltener gebraucht.
fiartsei, fiartsena 14 ; fuftsel, fuftseua 15 (über den Schwund
des Nasals vgl. Kauffmann PBB. 12, 512 A.); seytsei, sey-
Isena 16; svwatset , siwatsena 17; qytsei qytsen» 18; naitsei
naltsena 19. Die Zehnzahlen 20 — 90 sind heute Zusammen-
setzungen der betreffenden Einheit mit tsk (zttg mit der
Synkope des u). tswuatsk 20 ; draisk 30 ; fiartsk 40 ; fuftsk 50;
seytsk 60; mwatsk 70; dqytsk 80; nait.sk 90; die Zwischen-
zahlen 21—29 u. s. w. gehen auf eine Zusammenfügung der
Einer mit der Zehnzahl durch und zurück; dieses und hat
li*
Digitized by Google
164
sich unter Schwachton zu a entwickelt, uanatswuatsk 21 ;
tswqaadraisk 32; druijaßarlsk 43; fiarafuftsk 54; fimfaseytsk
65; söhsagiwatsk 76; sihmadqytsk 87; qytadqytsk 88; nainanaitsk
99. Vor dem vokalisch anlautenden mhd. ahzec ist das d von
und erhalten und durch die Silbentrennung von qytadqytsk
u. s. w. auf die Zehnzahl übertragen worden: dqytsk. Um-
gekehrt hat sich der Anlaut der Zehnzahl in den Zusammen-
setzungen festgesetzt in den übrigen Zahlen ausser den
Zwanzigern. Man würde als Wirkung des cl z. B. *draij9
trank (aus dd), ’fmf» pfiartsk (aus df), *fiara tseytsk (aus ds)
u. s. w. erwarten.
hundart 100; tausat 1000; die Zwischenzahlen werden
durch einfache Anfügung an hundart (selten durch eine Ver-
bindung mit und) gebildet. Vgl. hundart qyt 108 ( hundart
und qyt). Die Zahlen 4 — 19 behalten in diesen Zusammen-
setzungen die Fähigkeit ein Endungs-e anzunehmen, drai-
hundarttswölf gulda 312 Gulden, tswqatausatundfimfa 2005.
§ 149. Die Ordinalzahlen von 2—19 werden durch
Anfügung eines t an die Grundzahl gebildet. Sie flektieren
wie die Adjektive mit dem bestimmten und unbestimmten
Artikel, dar tstcqat , a tmqatar der zweite, ein zweiter ; dar
fuftsöihat der fünfzehnte; zu dmi ist die Ordinalzahl dar
drit, a drittar vom alten Ablautstamm gebildet (ahd. dritto),
zu u'a 1, ist (wie ahd. Bristo ) dar qarät im Gebrauch. Von
20 an werden die Ordinalzahlen durch ist ( ast ) gebildet, dar
tswuatskist, der 20., dar fimfasiwatskast] der 75. Der Vokal
dieses Suffixes zeigt sich synkopiert in : dar hundartst der
100., der tausatst der 1000.
Eigentliche Distributivzahlen fehlen; für nhd. 'je zwei'
wird tswqu und tswqa gebraucht, t&fqy einfach, draiskfqy
d reissigfach, fünfmal fünfmal, huudertmql hundertmal u. s. w.
Zu erwähnen sind die adjektivischen Bildungen dritsig,fiarlsig,
fimftsig dreifach, vierfach, fünffach (nur beim Kartenspiele
verwendete Ausdrücke); es liegt ihnen wohl dasselbe Suffix
zu Grunde, welches uatsig einzig, hat. (Vgl. Kluge, etym.
Wb. 5 ‘einzig, winzig’).
Digitized by Google
V. DAS VERBUM.
§ 150. Vom Aktiv ist in der Mundart das Präsens
(Indicativ, Konjunktiv (Optativ) und Imperativ) und der
Konjunktiv Präteritum erhalten. Alle diese Modi haben
Singular und Plural. Von den Nominalformen des Verbums
sind vorhanden: Infinitiv Präsens, Partizip Präsens und Prä-
teritum ; das Gerundium fehlt.
Das starke Verbum.
§ 151. Mit Ausnahme des Imperativs sind die durch
die Entwicklung der Flexionsendungen entstandenen Formen
logisch nicht mehr so bedeutsam, dass sie ohne Pronomen
verwendet werden könnten (doch vgl. § 136). Der Indikativ
des Präsens zeigt folgende Formen, Staig» steigen.
Sing.
1 . Staig
2. StaigSt StaigS
3. Staigt
Plur.
Staig» Staig
Slaigdt Staig»ts
Staig ».
Die 1. Sing, zeigt den mhd. kurzen, auslautenden Vokal
apokopiert; in der 2. 3. ist der inlautende Vokal synkopiert.
Erhalten ist er als » in der 2. nach (p) t (fc) d, s, S des
Stammes : rait»St reitest, Snaid»St schneidest, Suiss»St schies-
sest, in der 3. nach ( p ) t (&) d: j>int»t bindet, suidH siedet.
Dass diese Verhältnisse erst spät aus Gründen des Wohl-
lautes geregelt worden sind, erweisen die urkundlichen Be-
lege (§ 170 Anm.). Analog sind die Verhältnisse im Kon-
junktiv Präsens (und beim schwachen Verbum im Präsens
Digitized by Google
166
und Partizip Präter). V r on den Doppelformen der 2. Sing,
ist StaigSt die primäre ; sie geht auf eine sekundäre Bildung
zurück, welche schon im Ahd. vorhanden ist (Braune, ahd.
Gramm. 2 g 306, 4. 5). Das t setzte sich in den Stellungen
fest, in welchen das Pronomen du enklitisch an die 2. Person
trat; aus -st ging St hervor. Wenn in der lebenden Mund-
art das Pronomen schwachtonig auf das Verbum folgt, wird
du in dem t gefühlt. Staig St auf \i poum ? Steigst du auf
den Baum? Aus satzphonetischen Scheideformen und solchen
Stellungen wie der vorhergenannten erklärt sich die Neben-
form StaigS. Die 1. Plur. Staig » entspricht in regelmässiger
Entwicklung mhd. stigen ; Staig wird nur verwendet, wenn
das Pronomen nachfolgt und enklitisch ist und auch in
diesem Fall kann Staig» gebraucht werden. Staigmsr steigen
wir, wie mhd. stige wir (Paul mhd. Gramm. 4 § 155, 2, Wein-
hold, bair. Gramm. § 283). Das e von mhd. stige wir wurde
synkopiert. Die 2. Plur. zeigt einen Vokal ». Lautgesetz-
lich kann dieser nur aus ent entstanden sein, oder aus ge-
decktem langem Vokal; letzterer war in den Formen desKonj.
vorhanden und dieser hat wohl auf den Indikativ gewirkt.:
doch ist ent als Endung der 2. Plur. Ind. nicht abzu-
weisen (Weinhold mhd. Gramm. 2 g 369, bair. Gramm. § 284).
Die 3. Plur. endet auf -»; die Endung ent (des Mhd.) ist
durch Analogiebildung nach der 1. Plur. einerseits, nach
der 3. Plur. Konj. andrerseits verdrängt worden. Die Neben-
form der 2. Plur. Staigsts ist durch Enklise des schwach-
tonigen Pronomens entstanden. Staig»ts kann ‘steiget’ und
steiget ihr* bedeuten ; öis Staig»ts und öis Staig»! ihr steigt,
Staig» ts und Staig»ts öis steiget ihr. Diese Bildung ist der
ahd. Erweiterung der 2. Sing, is: ist vollkommen parallel.
g 152. Die Formen des Konj. sind :
Sing. Plur.
1 . Staig Staig»
2. StaigS StaigSt Staig»t Staig»ts
3 . Staig Staig».
Die Entwicklung der Endungen ist wie im lnd. zu be-
urteilen; die Synkope in der 2. Sing, ist analog zu der im
Digitized by Google
167
Ind., lautgesetzlich hätte der lange Vokal des Ahd. als » er-
halten bleiben müssen, Staigät und Staig»ts sind seltener,
da der Konj. meist in Wendungen gebraucht wird, in welchen
das Pronomen vorausgeht.
Der Imperativ hat im Sing, regelmässig die Stamm-
form: Staig steig; der Flur. Staig»! ist analog dem Konj.
und Ind. gebildet. Die Form -» ts fehlt dem Imp., sie konnte
hier nicht entstehen, da das Pronomen sich nie enklitisch
anschliesst. Dies gibt auch den Hinweis, dass »ts als Endung
verhältnismässig jung ist; es kann sich erst gebildet haben,
nachdem der Imperativ analogisch die Endung -»t erhalten
hatte. Sonst wäre es nicht zu erklären, dass der Imp. nicht
auch » ts hätte, das im Ind. (Konj.) mit » t gleichwertig ist.
§ 153. Der Konjunktiv des Präteritums unterscheidet
sich in den Flexionsendungen nicht vom Präsens.
Sing. Plur.
1 . St lg Stig» Stig
2. Stig St Stig»t StXg»ts
3 . Stig Stig».
Der Infinitiv endigt auf -» in regelmässiger Entwick-
lung des -en ; das Part. Präs, auf -»t (aus ent), das des Prät.
auf -» (aus -en). Über die Flexion des Part. vgl. § 131.
Staig» steigen, Staig»t steigend, gStig» ( kStig »), gestiegen.
Die Vorsilbe mhd. ge des Part. Prät. erscheint als g
vor Vokalen und stimmhaften Lauten, als k vor /, s, mit h
verbindet sie sich zu tcy : dagegen fehlt sie vor den Ver-
schlusslauten gänzlich. Dies gilt für alle Verba, für die
starken und schwachen. Vgl. öss» essen, goss» gegessen,
llg» liegen, glöig» gelegen; mqyy» machen, gmqyt gemacht:
jqg» jagen, gjqkt, gjöit gejagt; tröffe wählen, gwöilt gewählt;
fqr» fahren, kfqr» gefahren; sits» sitzen, ksöss» gesessen;
hqass» heissen, kyqass» geheissen; hau» hauen, kyaut gehauen;
paiss» beissen, piss»' gebissen ; pfent » pfänden, pfentst ge-
pfändet; ti» tun, tou getan; tsql» zahlen, tsqlt ‘gezahlt’;
kyuij» kauen, kyuit gekaut; denky» denken, devkyt gedacht;
druky» drücken, drukyt gedrückt; göiw» geben, göiw » ge-
geben ; graiff» greifen, griff» gegriffen. Für d und g möchte
Digitized by Google
168
man t und k erwarten (ged- geg- über gd, <jg zu t, k). Ent-
standen ist dieser Schwund durch Assimilation des g an
den Konsonanten, zunächst an k in ky, dann an g\ wie kyuij»
k/uit bildete man göito» Part, gone» für *köiw<> u. s. w.
§ 154. Die Ablautgruppen der starken Verba sind in
der Mundart erhalten ; der Vokal bezw. Diphthong des Ind.
Prät. ist verloren wie der Modus. Der Konj. Prät. kann
zu jedem starken Verbum auf »t + Endung vom Stamme
des Präsens nach Art der schwachen Verba gebildet werden.
Manche haben nur diesen schwachen Konj. Prät., dagegen
noch die starken Partizipien; wenn aber dieses schwach
geworden ist, ist auch der Übergang zu den schwachen
Verben vollzogen. Kein starkes Verb hat das Prät. bewahrt,
wenn das Part, schwach gebildet wird.
Die Verba der 1. Ablautreihe. Mhd. Präs, stigen, Konj.
Prät. stige, Part. Präs, gestigen. Die Mundart hat ? zu ai
entwickelt, kurzes i vor Lenis gedehnt, stetig », stfg, kStlg» ;
wai-x » weichen wiy, gwiyy » ; Straiy» streichen ätriy, kitri/y » ;
Sla iy» schleichen äliy, Icsliyy» ; paiss» beissen piss, piss» ge-
bissen ; raiss» reissen riss, griss» ; iaiss», giss, Hiss» ; ämatss»
schmeissen Stniss, Hmiss » ; p»flaiss» befleissen p» fl iss, pefliss » ;
raits reiten rit, gritt»; ärait» schreiten Srit, Hritt»; strait»
streiten strit, kstritt »; pfaff» pfeifen pfiff, pfiff » ; graff» greifen
griff, griff»; sla ff» schleifen slff, Hl ff»; plaiw» bleiben pltb
pllw» ; raiic» reiben rib, grlw »; äraiw» schreiben ärlb, kirfw»;
traiw» treiben Mb, Mw» ; äpaiu ■» speien iplh, Hplw » ; änuiu»
schneien änlb, Hnn, W; äain» scheinen Sin , Hin» ; äraij»
schreien Sri», käri»; in den Präteritalformen dieses Verbs
erscheint der Vokal der Endung überall mit dem i des
Stammes zum Diphtong i» verbunden, d und t wechselt
in: laid» leiden lit, glitt»; Snaid» schneiden änit, Hnitt»;
verallgemeinert wurde d in maid» meiden mul, gmld» und
raid» drehen rld, grvl» ; in letzterem ist bereits im Ahd.
das Part, giridun allein herrschend, (Braune ahd. Gramm. 2
§ 330, 2). Man vgl. dazu die Mask. änit Schnitt, rit Kitt,
aber rid Drehung, Krümmung, tsaih» zeihen tsly, tsih»;
laih» leihen lly, glfh»; saih» seihen sly, gsih»; selten ist
tiaig», gqig» neigen. Mhd. sclndm hat sich in der Mundart
Digitized by Google
169
mit dem reduplizierenden scheiden vermischt. Im Präs,
kommt fast nur Sgada (mhd. scheiden) vor, im Prät. Sqadat
und sind (selten) im Part, kSqadat ; dafür ist regelmässig
Prät. itd, ksida in Verwendung. Selten gebraucht sind die
Part, kswiga geschwiegen, dlgo gediehen, die Präs, dazu
fehlen. — Die Kindersprache bildet nicht ungern schwache
Prät. und Part, zu allen starken Verben.
§ 155. Die Verba der 2. Ablautreihe. Mhd. Präs.
hinge, biegen, Konj. Prät. bvge, Part, gebogen-, die Verba
dieser Reihen haben in der Mundart im Präs, die Diphthonge
ui und i», im Prät. u oder w, im Part, o oder ou ; ü und ou
vor Lenis und zum Teil vor t. Die ui im Präs. Ind. Imp.
Sing, sind ziemlich fest, doch kommen auch Formen mit
ia vor, eine durch die Schriftsprache wesentlich geförderte
Analogiebildung nach dem Plural. Das u des Konj, ist nicht
umgelautet worden. Präs. Sing. Ind. 1. puig, 2. puigS,
puigSt (ki), 3. puigt, Imp. puig ; daneben seltener plag, piagi,
pingt, pi»g\ Plur. Ind., Konj. Inf. i»: piaga; Konj. Prät. püg,
Part, poug» biegen ; luig, Hags, lüg. gloug» lügen ; truig, trüg»,
troug 3 trügen, Konj. Prät. nur schwach trügst-, Huig, fliag»,
flüg, kf longa fliegen; fl ui/, fliaha, flu/, kftouha fliehen; tsui/,
tsiaha, tsiiy, tsouha ziehen; der Wechsel zwischen h und g
ist in diesen beiden zu Gunsten des h aufgegeben, k/rui/,
kyriaya, kyriayat, kyrnyya kriechen; ruiy, ri»/»t, gro/y » riechen;
Smiag a schmiegen, hat nur das Part, stark ksmouga-, Suis
iiassa, Suss, kiossa schiessen; Sluis, Uiassa, Ums, kälossa
schliessen; gtiis, giassa, goss, goss a giessen; fardruist, far-
driassa, fardrvss, fdrdross » verdriessen ; gpitis, gpiassa, grjossa
gemessen ; Spruist, äpriass », ipriassat, kipross » spriessen ; fluist,
fliassa, flu ss, kflossa fliessen; nuis, niasa niesen; ui ist sehr
selten, das Prät. ist nur schwach niasat, gpiast ; puit, piat a,
piatat, pouta neben poti» bieten ; kylnib, kyliawa, kylüb, kylouwa
klieben ; äuib, äiawa, iah, kiouwa schieben ; sluif, Uiaßa, Uuß',
kSloff» schliefen ; ituib, itiawa, Uüb, kStouw» stieben ; truift,
tri, >ß triefen, Prät. triaffat, triaft ; kfruir, kfriar», kfrür, kfrqar»
(or zu gar) gefrieren; farluir, farliar», farlür, farlqara verlieren;
in beiden ist r auch im Präs, fest geworden, d und t wechselt
in siada sieden, suid, sut, ksotta wie noch im Nhd.; suußa
Digitized by Google
170
saufen, satigs saugen, haben im ganzen Präsens au, in» Part.
ksoffs, ksougs, der Konj. Prät. ist suff, saugst. Zu den
schwachen Verben übergetreten sind von dieser Klasse:
pluijs bläuen, ruijs reuen, kyuijs kauen ; ihnen fehlte im
Präsens der Wechsel ui : i», sie konnten sich wegen der
Sonderentwicklung des Stammvokals als starke Verba nicht
halten, pruijs brauen, ist durch das nhd. praijs, praus nahezu
verdrängt.
§ 156. Die 3. Ablautreihe, a) Mhd. binde, band, bunden,
gebunden ; die Mundart hat im Präsens im Part. Prät. u,
im Konj. Prät. aber a, also einen Umlautvokal. Hier liegt
keine rein lautgesetzliche Entwicklung vor; wenn das a
durch die i der Konjunktivendung umgelautet wäre, müsste
eine Verallgemeinerung des a vom Sing. Ind. Prät. über
das ganze Präteritum für sehr frühe Zeit angenommen
werden; dafür aber fehlt es an Belegen. Man muss sich
mit der Annahme begnügen, dass das ursprüngliche u des
Konj. in Analogie zu den Konj. der Verba der 4. und 5. Reihe
welche umgelautetes a haben, durch « verdrängt wurde;
dass das Bestreben die Vokale des Konj. und Part. Prät.
zu trennen mitgewirkt hat, wird durch die Abteilung b)
dieser Reihe, welche im Konj. u im Part, o hat, nahe gelegt.
prinns, prann, prunn s brennen; rinne, rann, grunn » rinnen;
sinns, sann, ksunns sinnen; Spinne. Spann, kSpunns spinnen;
dsrtrinn », dbrtrann, dsrtrunn» entrinnen; gwinns, gwann,
gwunns gewinnen; pints, pant, punta binden; Stints , Slant
(gewöhnlich Slintst), kilunts verschlingen (alid. slintan); Sints
(Prät. fehlt), kSunts schinden; wints, v:ant, gwunts winden;
Swints, Stcant, kStcunts schwinden; fsrSwinds (seltener ist
hier nt bewahrt fsrimnt»), fsrSuand, fsrSwunds verschwinden;
finde, fand, kfunde (d im Prät. wie im Präs.) linden; dringe,
dragg, druggs dringen; k/liggs, kylagg, kyluggs klingen;
gliggs, glagg, gluggs gelingen; siggs, sagg, ksuggs singen;
fsrsliggs, fsrSlagg, fsrSlugge ‘verschlingen’ sich verwickeln;
Spriggs, Spragg, kSpruggs springen; tswiggs, tswagg, tswuggs
zwingen; higkys, kyugkys hinken; sigky», sagky, ksugky»,
sinken; Stigkys, Stagky, kStugkys stinken; trigkys, tragky,
trugkys trinken, wigkys, gwugkys winken; priggs, pruggs
Digitized by Google
171
bringen (Part, häufiger prqyt ; Konj. präyt ; über das starke
Part. vgl. Kluge, Pauls Grundr. I. S. 376).
b) Mhd. hilft, helfen (half), hülfen, geholfen. Die Mund-
art hat den Wechsel im Präs., mhd. i und e, teilweise ge-
wahrt; e vor r. I wurden zu a, gedehnt zu ea; im Konj.
Prät. fehlt der Umlaut, hilf, half», half, k/olff» helfen; i
ist im Präs. Sing. Ind. Imp.; gilt, galt », gult, golt» gelten;
küicül, kSwall », kSuall»t, kSwoll» anschwellen (mhd. geswellen ) ;
mal/», gmoly» melken (im Präs, überall «, im Prät. schwach),
von mhd. stu'elzen ist nur die 3. Sg. Ind. Präs. Smiltst erhalten,
desgleichen das Part. kSmolts » geschmolzen, die übrigen
Formen werden vom Fakt. Smölts» (ahd. smelzen) gebildet;
von mhd. beleihen, schelten sind die Part, pefolh», ksolt »
erhalten, die übrigen Formen sind schwach; ganz schwach
geworden sind: pall» bellen, wall» wälzen, Salb schellen.
Vor r zeigen sich die Vokale i, a, n, q in Stirb. Starte», Starb,
kstqrw » sterben; wirf, warf», warf, gworff '» werfen; fdrdirb
f»rdarw», f»rdurb, f»rdqrtc » verderben ; von mhd. bergen ist
das Präs, als parg», das Part, als pqrg» vorhanden. Mhd.
werden ist zu ivqar» geworden mit Schwund des d : Präs.
wear, wear», Konj. Prät. war, Part, gwqar» (und wqar» nach
einem Part., yllh» wqar» geliehen worden).
§ 157. Die 4. Ablautreihe. Mhd. nitne, nemen ( nam ),
naeme, genommen. Die Mundart hat: nim, nemrn», namm,
gtjomm » nehmen; priy, pro//», pra /, pro//» brechen; Sti/,
Stö/y», stay, kStoyy» stechen; Spriy, spröy/», Spray, kspro //»
sprechen; trif, troff», traf, troff» treffen; auffallend ist die
Kürze des Vokals im Konj. Prät. gegenüber mhd. ce, ahd.
d ; sie kann nur durch eine Ausgleichung der Quantität aller
Ablautvokale entstanden sein. Nominale Ableitungen von
diesen Stämmen zeigen die Länge spr<i/ Sprache; pro/ brach.
d»rsriky3 erschrecken hat i im ganzen Präs, unter Einfluss des
Mask. sriky» Schrecken, und um es von darsrök y» in Schrecken
setzen, zu scheiden; Prät. dorsrak/ Part. d»rsrok/» (Vgl.
Braune ahd. Gr.. 2 § 341, 2); früh schon in die 5. Reihe über-
getreten ist kyimrn, kyemm», kyam, kyemm» kommen (Braune
a. a. 0. § 340, 2). Gedehnter Stammvokal liegt vor in:
dortswqar» schwären, d»rtSuür, d»rtswqar», das ganze Präsens
Digitized by Google
172
hat m ; stqals stöhlen stül, kstuul»; Analogiebildung nach den
Verben der 2. Reihe zeigt die Nebenform des Präs, dieses
Verbums Stuil, veranlasst durch die Übereinstimmung des
Konj. und Part. Schwach geworden sind: Sqars scheren,
dröSS * dreschen, feyts fechten; zu flöxü flechten ist das
Part, kfloyts noch vorhanden, löSss löschen, hat sich mit
dem Faktitivum vermengt; selten sind Präs, dsrlist erlischt,
Part. dsrlosSs erloschen. Mhd. bern ist der Mundart nicht
erhalten, das Partizip gspours zeigt im gs und our nhd.
Einfluss.
§ 158. Pie 5. Ablautreihe. Mhd. sihe, sehen, (sack)
sähe, gesehen. Die Mundart hat: »ly, söihs, säy, lc söihs
sehen; ksiyt, ksöihs, kstiy, ksöih 3 geschehen; iss, össs, ass,
gösss essen ; f argiss, fsrgösss, fsrgass, fsrgösss vergessen ;
über die Kürzung des Stammvokals im Konj. Prät. vgl. das
bei der vierten Reihe bemerkte; assig gut zum Essen,
kfräs schlechtes Essen (mhd. gevraeze) zeigen die Länge.
göiws geben, hat in der 1. Präs. Sing. Ind. gib, in der 2. 3.
gaiät, galt, entsprechend mhd. gist, gtt; das gleiche ist der
Fall beim ./-Präsens ligs liegen, l/iist, lait, mhd. list, lit;
Prät. gab, lag, göiws, glöig». sitss sitzen, hat wie llgs im
Präs. t. im Prät. mit Kürzung sass, im Part, ksösss. Schwach
geworden sind: pflöig s pflegen, wöigs wiegen, pswöigs be-
wegen, tcöiws weben, löiss lesen, mösss messen, pitts bitten,
Part. Prät. giltst, j'ötts jäten, trötts treten (mhd. neben treten
ein Fakt, treten, das sicher mitgewirkt hat die starke Flexion
zu verdrängen), kynött * kneten. Vom Stamme wes- sind an
Verbalformen erhalten: Konj. Prät. war wäre, und Part.
Prät. guöiss, nicht selten ist das schwach gebildete gwöst
gebraucht.
§ 159. Die 6. Ablautreihe ist die schwächste, Aveil sie
nur zwei Vokalstufen hat, von denen die eine nur dem Konj.
Prät. zukommt. Dieser ist in der Mundart nur bei drei
ursprünglich starken vorhanden ; sein Vokal ist i» aus üe,
also umgelautet. Es sind ft»r zu fgr» fahren, trüg zu trögs
tragen, Slüg zu Stögs schlagen; letzteres hat den gramma-
tischen Wechsel wie im Nhd. aufgegeben. Diese drei haben
im Präsens in der 2. 3. Person den Umlaut föirst fährst, föirt
Digitized by Google
173
fährt, Slöist schlägst, slöit schlägt, tröist,tröit, trägst, trägt ;
aus slöist Statt lässt sich vermuten, dass bereits in ahd. Zeit
g für h eindrang; denn slehis, slehit hätten nicht zu sleist,
sleit werden können und später eingeführtes g für h wäre
nicht vokalisiert worden. Schon im Ahd. kommt im Prät.
Sing, g für h vor, Braune a. a. 0. § 346, 2. Die Partizipien
lauten kförs, trqg», kSlqg ». Starke Partizipien (neben schwachen
Konj.) sind vorhanden von Ujd» laden, ghqds ; mqls mahlen,
gwql»; tcqks» wachsen, gwqks » ; äqff» schaffen, käqff» und kioff't ;
ganz schwach sind nqga nagen, puz/ß backen, uöts waten.
wtiää» waschen, grqw» graben ; äöpfs schöpfen, höiws heben,
Suöirs schweren , sind j- Präs. ; zu letzterm wird das Part.
kitcour 9, also in nhd. Lautform, (für Imst wäre kiwqars zu
erwarten) gebraucht.
§ 160. Die ursprünglich reduplizierenden Verba sind
stark zusammengeschmolzen, fqlls fallen, fölst, fölt fällst,
fällt, fi»l fiele, kfqll» gefallen; hqlt» halten, hislt, k/qlt»; das
komponierte kxqlt» (mhd. gehalten), behalten ist ganz schwach
geworden; rqts, ri»t, grqts raten; grqts geraten, gelingen,
entbehren, Part, grqts; hqasss, hm, k/qass » heissen; Stqasss,
äti»s, kStoass » stossen, louff» laufen, li»f und Ivff im An-
schluss an die 2. Reihe (schon mhd., Paul, mhd. Gramm.
§ 164 A. 3). Iqssn lassen, zeigt Formen, die der schwaeh-
tonigen Stellung im Satze zugeschrieben werden müssen.
Überall ist der Stammvokal q kurz, du Iqät du lassest, weist
auf frühe Synkope des ahd. i ( läzist zu *l&zst *ldst), Iqt er-
lässt (schon ahd. lat). Die 1. Plur. Iqss», loss, in der schnellen
Rede manchmal bei Enklise des Pronomens lommsr (vgl.
mhd. län wir) ; die 2. Iqssst, Iqt, die 3. Iqss». Der Konj. Präs,
hat die Formen Iqss, IqsssS tqä, Iqss, Iqssa, lqss9t, Iqss»; der
Imp. hat Iqss, seltener Iq in schwachtoniger Stellung, Plur.
Iqssst, Iqt; der Konj. Prät. Im, dies ist die regelrechte Form;
daneben kommt vor eine schwache Bildung Iqssst, eine Misch-
bildung lisssst, in welcher an die ursprünglichen Konjunktiv-
formen die heute gebrauchte schwache Präteritalendung trat,
und lia$t, deren t ebenfalls dem schwachen Prät. zu ver-
danken ist ; das Part, glqt, also schwach gebildet. — Starke
Partizipien haben folgende bewahrt: ilqffa schlafen, kälqff a,
Digitized by Google
174
Priit. Konj. Hoffst, sehr selten Slisf; sqlts» salzen, ksqltss;
imqltss schmalzen, Mtnqltss-, ganz zu den schwachen über-
gegangen ist: plq& blasen, prqts braten, iponn s spannen,
ponns bannen, fqlts falten, w qly» walken, hau» hauen, fqhs
fangen (mhd. vdhen), oufoqqs anfangen.
„ Das schwache Verbum.
§ 161. In der lebenden Ma. müssen zwei Gruppen
unterschieden werden , die einsilbigen und die mehrsilbigen
Stämme. Die einsilbigen flektieren im Präsens genau wie die
starken Verba, tsqag s zeigen, Präs. Ind. Sing. 1. tsqag. 2.
tsqagit, tsqagi, 3. tsqagt, Plur. 1. tsqag s, tsqag, 2. tsqagst,
tsqag»ts, 3. tsqag s ; Präs. Konj. Sing. 3. tsqag, Imp. 2. tsqag
Plur. tsqagst , Part, tsqag »t.
Die mehrsilbigen haben folgende Präsensformen : reyn»
rechnen, südls sudeln, qrwst » arbeiten, painig» peinigen. Präs.
Ind. Singl. 1. reyn», sudl», qrwst», painig», 2. reyns&t, sudisst,
qrwstsit, palnigsit , (neben »At auch es), 3. reynst, südist, qr-
wstst, painigst, Plur. 1. reyn», südls u. s. w., selten die
kürzere Form ohne » vor dem enklitischen msr z. B. qr-
w»tm»r , 2. reynst , reynsts u. s. w. 3. reyn»; Konj. Sing.
3. reyn», südls, qrwst», painig », die übrigen Formen gleich
dem Ind. ; Imp. Sing. 2. reytt», südls, qrwst», painig », Plur.
reymt.
Das » der 1. Sing, lässt sich nicht anders als aus -en
entstanden erklären; dies ist die Fortsetzung des ahd. im ,
en der schwachen Verba der 2. und 3. Klasse (Paul mhd.
Gramm. § 167, 3). Die Endung dieser Verba hat sich er-
halten und in der Entwicklung der Mundart auf alle mehr-
silbigen ausgedehnt, während sie den einsilbigen verloren
ging; ich verweise auf die mehrsilbigen Feminine, welche
heute alle der schwachen Deklination zugefallen sind § 115.
Eine gleiche Verschiebung der ursprünglichen Klassenver-
hältnisse zeigt die 2. 3. Präs. Sing. Ind., deren Vokal » als
Entsprechung des langen 0, e der ahd. Konjugation zu deuten
ist, ahd. salbös, haben, salböt, habet-, die mehrsilbigen vom
Typus reyn», südls haben daneben Formen mit p, J also
reynit, reytjt, südist, südff für das häufigere mit, nst, l»St,
Digitized by Google
175
l»t\ es ist dies die Entsprechung für die mit kurzem Vokal
gebildete Endung (der ahd. 1. Klasse). Der Imp. Sing, reyn»
u. s. w. ist analogisch gebildet.
§ 162. Das Präteritum wird zu allen schwachen Verben
auf »t gebildet: tsqagat ich würde zeigen, reynat, sadlst, qr-
ie»t»t, painigat. Die Flexionsendungen sind dieselben wie im
Konj. Präs.; 2. tsqagat St, qnvatatät, 3. tsqagat, qrwatat, Plur.
1. tsqagat», qr watet», tsqagat mar zeigten wir, 2. tsqagat ats,
tsoagatat, 3. tsqagat 9 . Auch hier bieten die schwachen Verba
der 2. 3. Klasse des Ahd. die Erklärung; die langen Vokale
der Konj. Endung öti. eti blieben erhalten und diese Bildung
dehnte sich über die gesamten schwachen Verba aus: der
kurze Vokal der Prät. der 1. schwachen Klasse musste der
Synkopierung erliegen. Der ganze bairische Dialekt hat
heute diese Bildungsweise vgl. Weinhold, bair. Gramm. § 316.
Dass in der Ma. die Konj. Bildung auf »t- dominierend ist,
zeigt die 2. Sing., deren Endung nicht »St, ist, wie man nach
dem t erwarten würde, sondern st, also ohne Vokal. Die lang-
silbigen der ahd. 1. Klasse haben in der Ma. durchwegs iin
Prät. at, der 'Rückumlaut’ ist überall analogisch beseitigt.
Vgl. degk/ii denken, Prät. deqkyat, Part. Prät. derjkyt ; prenn»
brennen, prenn»t, prent ; kyenn» kennen, kyennat. kyent-,
renna rennen, rennst, grent ; nenn» nennen, nennst, gnent.
Das Part. Prät. endet auf t bei denen, welche in der 3. Präs.
Sing. Ind. die Synkope haben : tsqagt gezeigt, gfrqgt gefragt,
kyqst gehasst, kyötst gehetzt,; auf »t nach p, t, k: gsoppat
zu schoppen, glqatat geleitet, gQrtat geartet, gnqakat geneigt,
zu nqak» neigen (trans.), ferner bei den mehrsilbigen : greyiiH
gerechnet, ksüdlat gesudelt (seltener greygt, gsüdlt), gqrwatat
gearbeitet, painigat, gepeinigt. Über die durch Vokalisierung
des g entstandenen Formen der Verba sqg» sagen, jqg» jagen,
löig» legen, vgl. § 36, § 76. Ihre Part. Prät. sind Über-
reste der Part. Bildung der ahd. schwachen Verba der
1. Klasse, ebenso auch kyöt gehabt (ahd. gihebit, vgl. Braune
ahd. Gramm. 2 § 368, 2).
§ 163. Einzelne schwache Verba sind zu den starken
übergegangen. In die erste Ablautreihe: wais» weisen, Prät.
wie, Part, gwis»; prais» preisen, prls, prls»; glaiy» gleichen,
Digitized by Google
176
gliy, gli//»; spraiss» spreitzen, Spriss , kspriss ■>; snaits»
schneuzen, snits, ksnits» ; alle auf weiterem Gebiete, vgl. für
die beiden letzten Schmeller b. Wb. 2 II. 591, 706. waih»
weihen, hat tcailiH und tot/, gwai/t und gwlh » ; laiU läuten,
lait»t, glaitst, selten glitt». In die dritte Ablautreihe: tsint »
zünden, Prät. tsintst, Part, tsunt »; sirnpf» schimpfen, ksumpf »;
wints » wünschen, gwunts » neben gwinst ; zweifelhaft ist, ob
dsrmss» erwischen, Part. dsrwusi » hieher gehört, vielleicht
haben sich zwei Wortstämme vermischt (vgl. Schmeller a.
a. 0. II. 1042). Zu den vier Zeitwörtern frqg» fragen,
jqg» jagen, sqg» sagen, wq/%» machen, können Prät. nach
Art der reduplizierenden Klasse gebildet werden: fri»g,
ji»g, si»g, tni»y und mi»/t ; westlich von Imst und in Vorarl-
berg sind die Part. k/rQg », gjög» vorhanden. Vgl. Wein-
hold, bair. Gramm. § 323. Zu stök/p stecken, Kommt ein
(intrans.) Prät. stak/ vor, das nach dem alten Prät. stucta
gebildet sein dürfte.
§ 164. Zu verzeichnen sind die vielfach zusammen-
gezogenen Formen von hqw» haben: Präs. Sing. Ind. 1. hon»
ich habe (ahd. mhd. Ad»), 2. hqst (mhd. Aast), 3. hqt (mhd.
hät), Plur. 1. hqw», hontmsr haben wir (mhd. hän wir) selten
hqbmsr, 2. htjwst, höw»ts, 3. hqw»; der Konj. ist regelmässig,
1. 3. hqb, 2. hqps, Plur. 1. 3. hqw», 2. hQwsts. Das Prät.
zeigt die kontrahierte Form hat, die sich mhd. haste ver-
gleicht und ein ahd. *hdti erschlossen lässt (vgl. Braune
a. a. 0. § 368, 4). Part, k/öt gehabt, dagegen k/öpt zu
höiw» heben.
Unregelmässige.
§ 165. wiss» wissen. Präs. Sing. Ind. 1. wqas, 2. wqast,
3. wqas ; es sind regelmässig entwickelte Formen ; neben
wqast kommt selten wqas&St vor, eine deutliche Analogie-
bildung. Plur. wiss» ( wissmsr ), wisset, wiss»; Konj. wiss,
wiss»St, wiss, wiss», wissst, iviss»; Konj. Prät. wi$t und wöit
(mhd. wiste, wBste). Das Part. Prät. gtmst ist eine Neu-
bildung zum Inf.; mhd. gwist müsste als *gwiät erscheinen.
Mhd. touc und gan haben sich zu schwachen Verben
Digitized by Google
177
entwickelt: taug s taugen, mit dem Vokal des Sing., und
gwunn » gönnen, mit dem Vokal des Plur.
kyenns können. Präs. Sing. Ind. 1. 3. kyonn, 2. kyon&t
( kyontS ); Plur. kyenn », kyennst, kyenns ; Konj. kyenn u. s. w.;
Prät. kyaiit, Part, kyent. Der Sing. Präs, ist regelmässig
(mhd. kan, kaust); der Vokal des Plurals ist jedenfalls von
dem nhd. 'S zu trennen und als umgelautet aus o zu er-
klären, das analogisch nach dem Sing, für das ursprüngliche
m eindrang. Brenner erklärt PBB. 20, 87 den Umlaut durch
die suffigierten Pronomina wir , si. Der Konj. Prät. kyant
geht sicher auf eine ältere Stammform kan zurück; der
Umlaut vergleicht sich dem von hat hätte.
tarf dürfen, ist völlig schwach ; Plur. tarff », Prät. tarffst
Part, tarft. Da die Ma. westlich von Imst die Form tqarf
hat, haben wir *derf vorauszusetzen und sind demnach ge-
zwungen anzunehmen, dass ein Zeitwort mit e im Stamme
früh das Prät. -Präs. ahd. darf, durfun verdrängt hat.
Ahd. scal soll, wird nur noch als Konj. gebraucht.
Präs, soll, Prät. sölt, söt. Das ö wird als späterer Umlaut
zu o zu fassen sein, da der grösste Teil des bairischen
Dialektes Formen mit o kennt; Weinhold a. a. 0. § 327,
Braune a. a. 0. § 374. Der Konj. söt zeigt Schwund des
l wie wöt wollte s. § 74.
mög mögen (wie nhd.), 2. mgkSt sekundär gebildet;
Plur. möigs, Konj. möig, öi ist Umlaut zu a (ahd. magun ) ;
Konj. Prät. meyt, e kann lautlich nur aus altem ö (mhd.
möhte) erklärt werden; das Part, gmökt ist nach dem Präs,
gebildet. In der Umgebung von Imst ist im Präs. Ind.
Plur. und Konj. vielfach mlgs, mig in Gebrauch (umgelautet
aus ahd. mugun ); auch die alte Bedeutung ‘vermögen, können’
ist in diesen Maa. noch erhalten.
muss muss, hat in der 2. musst die ursprüngliche Form
mit altem st erhalten; der Plur. und der Konj. haben Um-
laut missss ; der Konj. Prät. zeigt das alte st : misst, das
Part, ist nach dem Präsens gebildet, ymisst.
§ 166. Mhd. wellen. Präs, will, 2. sekundär wilst, Plur.
und Konj. wölls mit ö als Umlaut von altem a. Der Konj.
Prät. wot, wöt, daneben wolt, irölt, das Part, gwölt.
Schatz, Die Mundart von Imst. |2
Digitized by Google
178
§ 167. Die Formen zu mhd. bin. Präs. Sing, pinn,
pist pis, iSt iS; in der 2. 3. sind die Doppelformen genau
so unterschiedslos verwendet wie St, s als Endung der 2.
Sing, des Verbums (§ 151): der Plural 1. so», 2. sait, 3. s«7
in Analogie zur 1. Plur. wie bei Stau/». Der Konj. sai, saist
saiS, sai Plur. saij», saij»t saij»ts, saij»; die Konj. -Bildung
geschah im Anschluss an die regelmässigen Verba. Der
Imp. sai, Plur. sait-, der Konj. Prät. war, nhd. wäre, das
Part, gwöis » ‘gewesen und gwöst, letzteres eine junge Bildung
und nicht mhd. gewest entsprechend, da st und nicht st
erscheint. Inf. Präs. sch.
§ 168. Mhd. tuon. Die 1. Sing. Präs. Ind. tu» ist
sekundär nach der 2. tu»st, 3. tust gebildet, da ahd. tuon
zu tii» hätte werden müssen. Der Plur. 1. tfS, 2. ti»t, 3. ti»
zeigt Umlaut wie der Konj. ti», ti»st, Plur. ti»ij», ti»ij»t, der
die gewöhnlichen Endungen zeigt. Inf. mit Umlaut ti» wie
möig», mi»ss», k/enn». Imp. tu», Plur. t.i»t, Konj. Prät. tat
u. s. w. wie mhd. taste, Part, ton mhd. getan.
169. Die Verba mhd. gen, sten. Inf. gi», sti. Präs.
Sing. gqa, yqast, gqat, stqa, stqaSt, stqat Plur. gO, gqat, gi»,
stib, Stqat, sti 5; die 1. Sing, hat sich nach der 2. 3. gerichtet,
die 2. Plur. zeigt wie bei sai, ti» (sait, ti»t), die ursprüngliche
Bildung ohne n im Gegensatz zum Alemannischen. Der
Konj. Präs, hat im Plur. neben den dem lnd. gleichen Formen
auch nach Art der regelmässigen Verba erweiterte: gqaij»,
gqaij»t, gqaij», stqaij», stqaij»t. Imp. gqa, stqa, gqat , stqat.
Das Part. Präs, ist durch Anfügung von »t an die Infinitiv-
form sekundär gebildet : gun»t, iti.m»t.
Der Konj. und das Part. Prät. werden dazu von den
Stämmen gang, stand gebildet. Konj. gaytj, Stand; Part.
goijtj», kstond» (mhd, gangen, gestanden). Der Vokal des
Konj. « ist nicht klar. Von diesen Stämmen sind auch
Pi äs. Formen im Gebrauch: Präs. lnd. Imp. Plur. yetpp,
getppt, Konj. geipj u. s. w. ; stend», stend»t, Konj. stend ; sie
zeigen ebenso Umlaut wie ti» tun, möig » mögen, k/enn»
können, mi»ss» müssen. Keine Doppelform hat der Sing,
lnd. Imp. Präs.
§ 170. Die Bildung ders. g. zusammengesetzten Formen
Digitized by Google
179
des Zeitwortes geschieht ganz wie im Nhd. Vgl. i honn
kälqg» ich habe geschlagen, si höw» ksöit sie haben gesagt,
du pist kfqll» du bist gefallen (ich schlug, sie sagten, du
fielst); »r litih kilqy» er habe geschlagen, si war» tjwöst sie
wären gewesen ; i wqar qrw»t» ich werde arbeiten ; der Konj.
Prät. wird häufig umschrieben: »r wür kyemw» er würde
kommen, öis tat»t louff» ‘ihr tätet laufen’, (er käme, ihr
liefet); i toqir Mikyt ich werde geschickt, m»r wür» kälQg»
wir würden geschlagen, » r ist ylopt wqar » er ist gelobt
worden.
Anm. In den Urkunden zeigt die Konjugation des Verbums
folgende Verhältnisse : Die 1. Präs. Ind. Sing, ist npokopiert, die 3. hat
Synkope des Vokals der Endung; 1. gib, hat, räeff, bekenn; lob vnd
versprich, 3. geschieht, schafft, stost, gibt, begibt , zeucht, rerlusst, gepewt
gegen puitet, verachtet; die 1. Plur. hat -en ebenso die 3.. nur in den
Formeln ansehent horent oder lesent, ansehent leseni oder hörent lesen
der Urkunden vou 1448, 1450 zeigt sich -ent. Vom Verbum substun-
tivum ist die 1. und 3. Pluralis einmal als sind, sonst immer als sein
belegt. Der Konj. Präs. Sing, zeigt Apokope, der Plural kommt nicht
vor; der Konj. Prät. Sing. ( tvurd , weit, ging, abging, sach, war, wür,
wer, au/giib, pegab, kam, slurb, warf, hunk, füer, ausschlueg) hat Apo-
kope, nur je einmal (.käme, liesc, würde, fände ) ist der Endungsvokal
noch geschrieben, hunk und fände machen es wahrscheinlich, dass
damals noch u der Vokal des Konj. Prät. der starken Verba der 3a. Klasse
war und nicht das « der lebenden Ma. Das Part. Prät. endigt bei den
starken auf -en, bei den schwachen auf t. Die Vorsilbe ge- wird meist
geschrieben ; doch zeigen die Belege hingeben, geben, körnen, nachgangen,
pracht, petracht, than, dass sie bereits zu dieser Zeit so behandelt wurde
wie heute. Die Formen des schwachen Part, geme.lt, gerächt , petracht,
sowie die oben angeführten Präsentia verlasst, gepewt lassen ersehen,
dass die Synkope des Endungsvokals ohne Rücksicht auf die voran-
gehende Konsonanz durehgeführt worden ist, dass sich aber aus Gründen
des Wohllautes nach Verschlussfortis der Vokal der Endung erhalten
konnte; in der lebenden Ma. erscheinen die Verhältnisse genau geregelt,
vgl. Paul, Prinzipien der Sprachgeschichte’ 8. G3.
12 ”
Digitized by Google
Digitized by Google
Digitized by Google
DO NOT REMOVE
OR
s >
Verlag von KARL J. TRÜBUER in Strassburg.
Berneker, Dr. Erich. Die preussische Sprache. Grammatik, Texte, etymolo-
gische)! Wörterbuch. 8°. XII u. 835 8. 1896. X-
Bopp, Karl, Der Vokalisinus den Schwäbischen in der Mundart von Münsinyen.
Ein Beitrag zur schwäbischen Grammatik. 8 n . 8 8. 1890. II. 2. —
BrucKner. Wilh., Die Sprache der Längobarden. 8 n . XVI, 388 S. 1895. (Quellen
und Forschungen, Heft 1 : - L "
Heusler. A., Der alemannische Consonantismus in der Mundart r oh Basel. ladt.
8". XIV u. _ 8. 1888. M. i_ ,
Hirt, Herman, Der ■ . ■ ■■ ■■■■ ■ '■■■I ■ ■■ Akzent. Ein Handbuch. 8". XXIII, 356 8.
1895. " AL
Kahle, Bernh., Die Sprache der Skalden, auf Grund der Binnen- und Endreime,
verbunden mit einem itinmrium. 8°. VIII. 308 S. 1892. M. — —
2K n i iff m .i i: n , Friedr., Geschichte der schwäbischen Mundart im MiUelalffr und in
der Xcuseit. Mit Textprobon und einer Geschichte der Schriftsprache
in Schwaben. 8". \XVHI, 303 S. 1892. M. 3 —
Kluge, Friedr., Deutsche Studentensprache. 8°. X, — . R. 1895. Broechirt
M. , in Leinen geh. Ai_._ — r
Von Luther bis Li seine) Sprachgesohiohtliche Aufsätze. X Auflage.
8°. 'Li.Bogcii mit einer Sprachknrte. (Erscheint Ende 18961. M. I
— £. Etymologisches Wörterbuch der deutschen S/n-ache. 5. verbesserte Aufl.
l.ex. _ XXIV, 191 S. 1894. M
Lienhart, Laut- und ' ■■ ■ c der Mundart des mittleren Zornthules im
Eisass. (Alsatische Studien, .j_ Heft. I 8°. VIII u. ~ 3. 1891. M".
Mankel . Dr. W‘. , Laut- und FiexionsUhre der Mundart des Milnsterthals im
Eisass. _ _ 3. 1886. M. —j.
Noreen, Adolf, Ahriss der urgernuinischen Lautlehre mit besonderer Rücksicht
auf die nordischen Sprachen zum Gebrauch bei akademischen Vor-
lesungen. Vom Verfasser selbst besorgte Bearbeitung nach dem schwe-
dischen Original 8°. XII, 279 8. M. _i_-.
Planta, Robert, v., Grammatik der oskisch-umbrischen Dialekte. Erster Band.
8°. VIII, 600 8. 1892. AL,-''....;
Dur zweite Band iSnimmbllduncs- und Flexlonzlehrc, Syntax, Sammlung der ln-
»chrjften und Glon«ar) erscheint Knde 1890.
Sütterlin, A., Laut- und Flexionslehre der Strassburger Mundart in Arnolds
Pfingstmontag. (ALentischo Studien, Heft.) 8°. IX u. Lj . S. 1892.
\l . : r
Thumb, Dr. A., Handbuch der neugriechischen Volkssprache. Grammatik, Texte
und Glossar. 8°. XXV, 240 8. mit einer Schrifttnfel. 1896.
Broschirt M. , in Leinwand gebunden AL I ;
Viljoen, W. J., Beiträge zur Geschichte der cap-holländischen Spruche. 8°. Li S.
1896. M.VLAü.'
Wiedemann, Oskar, Das litauische Präteritum. Ein Beitrag zur Verbalflexion
der indogemmnischen Sprachen. 8”! XV, 230 8. 1891 M. u . — ^
Handbuch der litauischen Sprache. Grammatik, Texte, Wörterbuoli. 8°.
XVI, 350 8. 1897. . AL 1L_-
Wrede, Ferd., Über die Sprache der Wandalen. Ein Beitrag zur germanischen
Namen- und Dialektforschung. 8°. VI, iiit S. 1886. .Quellen und
Forschungen, Heft i 1 .. 1 ., M. . ^
Ober die Sprache der Ottgolen in Italien. 8°. VII u. 208 8. 1891.
("Quellen und Forschungen, Heft 68). AL L—
In Vorbereitung sind:
Fortunatow, Philipp F. (Prof. a. d. Univ. Moskau), Vorlesungen über die Laut-
lehre der altslawischen (altkirchenslavisclien) Sprache. Deutsch von
Dr. Erich Berneker. 8°. ca. lü Bogen.
Simonyi, Sigmund (Prof. n. der Univ. Budapest), Die ungarische Sprache. Ge-
schichte und Grammntik. sL ca. Bogen.